Von Ralf Keuper

Bis­lang kommt das Ban­king kaum ohne den Bezug zu den aus der Ver­gan­gen­heit über­nom­me­nen Rol­len­mus­tern aus. Eine Bank wird noch immer mit einem Gebäu­de aus Stein asso­zi­iert, das Sicher­heit und Ver­trau­en sym­bo­li­siert. Die Aus­bil­dung in den Ban­ken und Spar­kas­sen sowie an den Uni­ver­si­tä­ten ori­en­tiert sich an einer Insti­tu­ti­on, deren Auf­ga­be dar­in besteht, Kapi­tal zu sam­meln und wei­ter zu rei­chen, ohne dabei die Risi­ken zu ver­nach­läs­si­gen. Hin und wie­der macht der Zeit­geist den Pla­nun­gen in den Ban­ken einen Strich durch die Rech­nung. Die Zukunft ist eben kei­ne linea­re Fort­set­zung der Gegen­wart. Brü­che, wie sie durch neue Mit­be­wer­ber und Tech­no­lo­gien ver­kör­pert wer­den, zwin­gen zu einem Umden­ken. Die alten Refe­ren­zen, wie z.B. die eige­ne Bran­che, rei­chen längst nicht mehr aus, um die eige­ne Posi­ti­on zuver­läs­sig zu bestim­men. Hin­zu kommt noch der unbe­re­chen­ba­re und lau­nen­haf­te Zeit­geist, der vor­mals für ewig gül­tig gehal­te­ne Über­zeu­gun­gen qua­si über Nacht über den Hau­fen wirft. Auf ein­mal ist es durch­aus vor­stell­bar, dass für die Abwick­lung des Zah­lungs­ver­kehrs kei­ne Ban­ken mehr benö­tigt wer­den – sie­he Libra, aber auch Apple Pay und Goog­le Pay. Die Anzie­hungs­kraft der Ban­ken hat spür- und sicht­bar nach­ge­las­sen. Die Beru­fung auf die eige­ne ange­stamm­te Rol­le, auf Sys­tem­re­le­vanz ist als Begrün­dung zu wenig. Die Welt, so Vale­rio Olgia­ti in Nicht-Refe­ren­zi­el­le Archi­tek­tur ist mehr­deu­tig, dezen­tra­ler gewor­den. Die alten Theo­rien und Denk­mo­del­le haben aus­ge­dient – nicht nur in der Architektur:

Wir leben in einer voll­kom­men hete­ro­ge­nen, poly­va­len­ten, plu­ra­lis­ti­schen, dezen­tra­li­sier­ten, nicht-refe­ren­zi­el­len Welt, in der zu jeder Zeit und an jedem belie­bi­gen Ort alles mög­lich ist. Was im Ver­gleich zu der Situa­ti­on von gera­de mal zwan­zig Jah­ren voll­kom­men anders ist, ist der Umstand, dass heu­te jeder – und damit mei­nen wir wirk­lich jeder – infor­miert ist. Unse­re Mobi­li­tät und unse­re Art, mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren und uns gegen­sei­tig zu infor­mie­ren, offen­ba­ren die Ver­än­de­run­gen der letz­ten bei­den Deka­den zwar am deut­lichs­ten, wesent­li­cher als die­se tech­no­lo­gi­schen Inno­va­tio­nen ist aber die Tat­sa­che, dass wir heu­te nicht mehr ernst­haft von der Exis­tenz irgend­ei­ner Art Fir­ma­ment über uns oder einem fes­ten Grund unter uns ausgehen.

Nichts ist dem­nach noch wirk­lich sicher, wovon die letz­te Finanz­kri­se einen Vor­ge­schmack gelie­fert hat.

Tat­säch­lich besteht das größ­te Pro­blem der Ban­ken dar­in, ihr altes Bezugs­sys­tem zu über­win­den (Vgl. dazu: Ver­wen­den wir im Ban­king noch das pas­sen­de Bezugs­sys­tem?. & Ver­al­te­te Bran­chen­lo­gik bestimmt nach wie vor die Hand­lungs­lo­gik der Ban­ken). Mehr­deu­tig­kei­ten, wie sie nicht nur die Ban­ken vor gro­ße Fra­gen stel­len, wie die Künst­li­che Intel­li­genz, die (welt-)politische Lage, die Regu­la­to­rik und die Block­chain-Tech­no­lo­gie, machen die alten Koor­di­na­ti­ons­sys­te­me weit­ge­hend unbrauch­bar. Die Form des Ban­king ändert sich ste­tig. Wer heu­te glaubt, fes­ten Grund unter den Füßen zu spü­ren, kann schon mor­gen auf dem fal­schen Fuß erwischt wer­den. Die Ban­ken­ar­chi­tek­tur – sei es in Form von Gebäu­den, Apps oder IT-Infra­struk­tu­ren – muss im Sin­ne von Olgia­ti für sich ste­hen, Sinn stif­ten und neu­ar­tig sein, ohne dabei zum blo­ßen Life­style zu wer­den. Ban­king muss für sich stehen:

Die For­de­rung nach Neu­heit wirft die Fra­ge auf, wor­aus die­se Neu­heit ent­springt. Die Ant­wort lau­tet: Neu­heit in der Archi­tek­tur kommt aus der Archi­tek­tur selbst. Es ist zwar offen­sicht­lich mög­lich, dass Archi­tek­tur und Gebäu­de von aus­ser­ar­chi­tek­to­ni­schen Din­gen jeg­li­cher Art beein­fluss wer­den. Neu­heit muss sich in der Archi­tek­tur auf for­ma­le Wei­se äußern, nicht in his­to­ri­schen Zita­ten oder sym­bo­lisch. … Neu­heit ist inso­fern for­mal, als sie die phy­si­sche Tat­sa­che dar­stellt, wie ein Gebäu­de in der Welt exis­tiert – sei­ne Gestalt, sei­ne Räu­me, sei­ne Struk­tur, sein Mate­ri­al, sei­ne Kon­struk­ti­on – und wie eine Per­son die­ser for­ma­len Kon­stel­la­ti­on begeg­net. Das Neu­ar­ti­ge an Gebäu­den wird über eine sehr grund­le­gen­de Raum­er­fah­rung erlebt und erschließt sich nicht über eine intel­lek­tu­el­le Erklärung.

Wie sol­len die Kun­den künf­tig der for­ma­len Kon­stel­la­ti­on Bank begeg­nen? Wel­che sinn­li­che Erfah­rung sol­len, wol­len sie dabei machen?