Von Ralf Keuper
In der Anti­ke wand­te man sich bei der Suche nach Rat an das Ora­kel von Del­phi. In unse­rem ver­meint­lich auf­ge­klär­ten Zeit­al­ter wird die Pythia durch die Trend­for­scher ersetzt, die uns regel­mä­ßig mit der Vor­stel­lung sog. Mega­trends, die das Gesche­hen der nächs­ten Jahre/​Jahrzehnte prä­gen wer­den, in Erstau­nen versetzen. 
Mei­ne ers­te Begeg­nung mit dem The­ma war das Buch Mega­trends von John Nais­bitt, der auch als der Erfin­der des Begriffs gilt. Der Spie­gel nann­te das Mega­trend-Phä­no­men ein­mal spöt­tisch Hell­se­hen für Anfän­ger. Das The­ma Mega­trend für sich ent­deckt haben fast schon natur­ge­mäß die gro­ßen Bera­tungs­häu­ser wie McK­in­sey oder KPMG. Wie nicht anders zu erwar­ten kom­men die Ana­ly­sen kaum über All­ge­mein­plät­ze (Nach­hal­tig­keit, Demo­gra­fi­scher Wan­del, Glo­ba­li­sie­rung, Digi­ta­les Leben) hin­aus; woll­ten sie detail­lier­ter sein, müss­ten die Autoren tat­säch­lich über hell­se­he­ri­sche Fähig­kei­ten ver­fü­gen. Inso­fern ist die Aus­sa­ge­kraft – gelin­de gesagt – über­schau­bar. Damit könn­te man das The­ma eigent­lich beenden. 
Gibt es so etwas, wie einen Mega­trend, der für fast alle Men­schen und Regio­nen in glei­cher Wei­se zutrifft, über­haupt? Wäre dem so, dann könn­te man mit Hegel von einem Deter­mi­nis­mus in der Geschich­te aus­ge­hen. Die Rea­li­tät zeigt indes, dass dies nicht der Fall ist – auch im Banking. 
Sicher­lich hat die fort­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung einen gro­ßen Ein­fluss auf das Ban­king, eben­so wie kul­tu­rel­le, recht­li­che, demo­gra­fi­sche, poli­ti­sche und recht­li­che Aspek­te. Jedoch ver­ber­gen sich hin­ter all dem Wan­del auch eini­ge Kon­stan­ten, wor­auf der His­to­ri­ker Rein­hard Koselleck in sei­nem Buch Zeit­schich­ten hinwies:

Pro­gno­sen sind nur mög­lich, weil es for­ma­le Struk­tu­ren in der Geschich­te gibt, die sich wie­der­ho­len, auch wenn ihr kon­kre­ter Inhalt jeweils ein­ma­lig und für die Betrof­fe­nen über­ra­schend bleibt. Ohne Kon­stan­ten ver­schie­de­ner Dau­er­haf­tig­keit im Fak­to­ren­bün­del kom­men­der Ereig­nis­se wäre es unmög­lich, über­haupt etwas vorauszusagen. 

Wel­ches sind nun die Kon­stan­ten, die Zeit­schich­ten im Ban­king, die Pro­gno­sen über die Zukunft zulassen? 
Die­se wur­den bereits im 12. Jahr­hun­dert von den Temp­lern defi­niert, wie Cathe­ri­ne Pal­mie­ri in To an Ana­log Ban­ker in a Digi­tal World betont: 
  • The secu­ri­ty and safe­ty of capi­tal, and access to that capi­tal when and whe­re it is needed.
  • Levera­ge, or access to capi­tal to fund growth (eit­her per­so­nal or for an enterprise).
  • Deploy­ment of excess capi­tal in search of grea­ter returns. Alt­hough this acti­vi­ty is high­ly important to the enter­pri­se hol­ding the capi­tal, it is nee­ded by only about 20 per­cent of ban­king customers.
Wie auch immer die Ent­wick­lung in den nächs­ten Jah­ren, Jahr­zehn­ten im Ban­king ver­lau­fen wird, so wird, die­se Pro­gno­se wage ich jetzt mal, wei­ter­hin Bedarf nach einer Insti­tu­ti­on bestehen, wel­che die von den Temp­lern genann­ten Auf­ga­ben erfüllt. Hin­zu kommt noch das The­ma der Digi­ta­len Iden­ti­tä­ten sowie die Behand­lung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten als Wäh­rung bzw. Ver­mö­gens­wer­te. Die­se Insti­tu­ti­on wird m.E. wei­ter­hin als “Bank” bezeich­net wer­den, womit jedoch kei­nes­falls gesagt ist, dass es sich dabei um die Ban­ken han­delt, wie sie uns heu­te noch im All­tag begegnen. 
Statt sich auf Mega­trends zu fixie­ren, wären es m.E. min­des­tens eben­so loh­nend, sich mit den Microt­ends zu beschäf­ti­gen. Die­se sind es doch, die irgend­wann in ech­te “Mega­trends” mün­den, oder wie Mark J. Penn in Micro­trends – Sur­pri­sing tales of the way we live today schreibt:

The art of trend spot­ting, through polls, is to find groups that are pur­suing com­mon acti­vi­ties and desi­res, and that have eit­her star­ted to come tog­e­ther or can be brought tog­e­ther by the right appeal that crystal­li­zes their needs. ..

Für in Maßen sinn­voll hal­te ich noch die Anwen­dung der Sze­na­rio­tech­nik
Alles ande­re ist m.E. eine Mischung aus Kaf­fee­satz­le­se­rei, Spö­ken­kier­kei und Alche­mie, kurz­um: Hell­se­hen für Fortgeschrittene 😉
Alle ande­ren soll­ten es eher mit Win­s­ton Chur­chill hal­ten: 
Pro­gno­sen sind schwie­rig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.

Oder auch: 

Der sichers­te Zeit­punkt für eine Pro­gno­se ist kurz nach dem Ereignis.

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