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Zwei hybrid-Holz-Hoch­häu­ser, 1400 Arbeits­plät­ze, mitt­le­rer drei­stel­li­ger Mil­lio­nen­be­trag – die NRW.BANK plant ihre neue Zen­tra­le in Düs­sel­dorf bis 2030[1]Die NRW Bank baut neue Zen­tra­le in Düs­sel­dorf. Ein archi­tek­to­ni­sches Vor­zei­ge­pro­jekt mit Nach­hal­tig­keits­sie­gel oder ein ris­kan­tes Mil­lio­nen­in­vest­ment, das die Leh­ren aus der WestLB-Kata­stro­phe igno­riert? Ein Bei­trag über Pres­ti­ge, Prag­ma­tis­mus und die Fra­ge, ob gro­ße Bank­pa­läs­te noch in unse­re Zeit passen.


Vom Glanz ver­gan­ge­ner Tage

Es war ein­mal ein Finanz­platz namens Düs­sel­dorf. Bis in die 1990er Jah­re galt die Stadt am Rhein als Deutsch­lands zweit­wich­tigs­tes Ban­ken­zen­trum, nur knapp hin­ter Frank­furt. Die WestLB, eine der größ­ten Lan­des­ban­ken des Lan­des, thron­te hier als Sym­bol wirt­schaft­li­cher Macht. Die IKB finan­zier­te die Indus­trie. Thys­sen und Man­nes­mann präg­ten die indus­tri­el­le Land­schaft. Die Bör­se Düs­sel­dorf han­del­te mit rele­van­ten Volumina.

Dann kam die Finanz­kri­se 2007/​2008 – und mit ihr der tie­fe Fall. Die WestLB, in risi­ko­rei­che Geschäf­te ver­strickt und kläg­lich geschei­tert, wur­de abge­wi­ckelt. Die IKB geriet in exis­ten­zi­el­le Not und ging an aus­län­di­sche Inves­to­ren. Die Bör­se Düs­sel­dorf? 2017 zur Zweig­nie­der­las­sung degradiert.

Doch der Nie­der­gang beschränk­te sich nicht auf den Finanz­sek­tor. Auch als Indus­trie­stand­ort hat Düs­sel­dorf in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten mas­siv an Bedeu­tung ver­lo­ren. Man­nes­mann, einst ein tra­di­ti­ons­rei­ches Indus­trie­im­pe­ri­um, wur­de in der spek­ta­ku­lä­ren Über­nah­me­schlacht von Voda­fone geschluckt – ein Vor­gang, der sym­pto­ma­tisch war für den Ver­lust deut­scher Indus­trie­iden­ti­tät. Thys­sen fusio­nier­te mit Krupp und ver­la­ger­te sei­nen Sitz nach Essen. Mit die­sen Abgän­gen gin­gen nicht nur Tau­sen­de Arbeits­plät­ze ver­lo­ren, son­dern auch wirt­schaft­li­che Impul­se, tech­no­lo­gi­sches Know-how und vor allem: Prestige.

Was blieb, war eine Stadt, die zwar auf dem Papier immer noch wohl­ha­bend ist, die im Pri­va­te Ban­king und bei Dienst­leis­tun­gen punk­tet, deren wirt­schaft­li­che Bedeu­tung als Indus­trie- und Finanz­stand­ort aber erheb­lich geschrumpft ist. Düs­sel­dorf ist heu­te eher eine Stadt des Kon­sums und der Immo­bi­li­en als ein Zen­trum wirt­schaft­li­cher Macht. Die finanz­wirt­schaft­li­che Bedeu­tung? Bes­ten­falls “zweit­ran­gig”. Die indus­tri­el­le Bedeu­tung? Weit­ge­hend Geschichte.

Genau in die­sem Kon­text plant nun die NRW.BANK – Nach­fol­ge­rin eben jener geschei­ter­ten WestLB – ihren gro­ßen Wurf: Eine neue Zen­tra­le im Düs­sel­dor­fer Regie­rungs­vier­tel, zwei moder­ne Holz-Hoch­häu­ser, DGNB Pla­ti­num Zer­ti­fi­zie­rung, 1400 Arbeits­plät­ze. Ein Leucht­turm­pro­jekt der Nach­hal­tig­keit und Archi­tek­tur. Doch ist es auch ein Leucht­turm der Vernunft?

Die Argu­men­te der Befürworter

Die Für­spre­cher des Pro­jekts haben durch­aus gewich­ti­ge Argu­men­te auf ihrer Sei­te. Die NRW.BANK ist heu­te eine der füh­ren­den För­der­ban­ken Deutsch­lands mit soli­dem Kapi­tal­pols­ter und kla­rer Mis­si­on: Unter­stüt­zung von klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men, För­de­rung von Woh­nungs­bau, Inno­va­ti­on und nach­hal­ti­ger Infra­struk­tur in Nord­rhein-West­fa­len. Eine Bank mit gesell­schaft­li­chem Auf­trag braucht Sicht­bar­keit und Präsenz.

Die Bün­de­lung von Arbeits­plät­zen an einem zen­tra­len Stand­ort ver­spricht Effi­zi­enz­ge­win­ne und bes­se­re Zusam­men­ar­beit. Und die nach­hal­ti­ge Bau­wei­se – hybrid-Holz-Kon­struk­ti­on, höchs­te öko­lo­gi­sche Stan­dards – passt per­fekt zur grü­nen Aus­rich­tung der Bank und ihrer Kli­ma­neu­tra­li­täts­zie­le bis 2045.

Es ist das Nar­ra­tiv der Moder­ni­sie­rung: Eine Bank, die sich neu erfin­det, die aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit gelernt hat und nun mit einem zukunfts­wei­sen­den Gebäu­de ein Zei­chen setzt. Ein archi­tek­to­ni­sches State­ment, das Ver­ant­wor­tung und Vor­bild­funk­ti­on aus­strah­len soll.

Die unbe­que­men Fragen

Doch bei aller Sym­bol­kraft blei­ben unbe­que­me Fra­gen. Die ers­te und drän­gends­te: Braucht eine För­der­bank im Jahr 2025 wirk­lich eine neue Zen­tra­le für 1400 Arbeits­plät­ze, wenn der gesam­te Ban­ken­sek­tor mit­ten in einem radi­ka­len Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess steckt?

Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung füh­ren bran­chen­weit zu mas­si­vem Arbeits­platz­ab­bau. Filia­len schlie­ßen, Pro­zes­se wer­den digi­tal, künst­li­che Intel­li­genz über­nimmt Rou­ti­ne­auf­ga­ben. Die NRW.BANK mag eine För­der­bank sein, doch auch sie wird sich die­sen Ent­wick­lun­gen nicht ent­zie­hen kön­nen. Wer heu­te für 2030 eine Zen­tra­le für 1400 Mit­ar­bei­ter plant, muss sich fra­gen las­sen: Wer­den die­se Arbeits­plät­ze dann über­haupt noch exis­tie­ren? Und wenn doch: Müs­sen sie zwin­gend in teu­ren Büro­tür­men unter­ge­bracht sein?

Die Coro­na-Pan­de­mie hat zudem gezeigt, dass fle­xi­ble, dezen­tra­le Arbeits­mo­del­le funk­tio­nie­ren. Vie­le Unter­neh­men haben ihre Büro­flä­chen redu­ziert, set­zen auf Hybrid-Arbeit, auf Co-Working-Spaces statt auf reprä­sen­ta­ti­ve Haupt­quar­tie­re. Ist ein monu­men­ta­ler Neu­bau wirk­lich die Ant­wort auf die Arbeits­welt von mor­gen – oder eher der letz­te Reflex einer Ära, die gera­de zu Ende geht?

Das Gespenst der WestLB

Dann ist da noch das his­to­ri­sche Trau­ma. Die NRW.BANK ist nicht irgend­ei­ne Bank – sie ist die insti­tu­tio­nel­le Nach­fol­ge­rin der WestLB, jener Lan­des­bank, die durch Grö­ßen­wahn, ris­kan­te Geschäf­te und stra­te­gi­sche Fehl­ent­schei­dun­gen spek­ta­ku­lär schei­ter­te. Die WestLB war einst stolz auf ihre Prä­senz, auf ihre Rol­le als Play­er im inter­na­tio­na­len Finanz­ge­schäft. Am Ende blieb nur ein teu­rer Scher­ben­hau­fen, den die Steu­er­zah­ler auf­keh­ren mussten.

Beson­ders beschä­mend: In der inter­na­tio­na­len Finanz­welt sprach man spöt­tisch vom “stu­pid money aus Düs­sel­dorf”. Die Düs­sel­dor­fer Ban­ken, allen vor­an WestLB und IKB, hat­ten sich kopf­los in toxi­sche US-Sub­prime-Kre­di­te und zwei­fel­haf­te Wert­pa­pie­re gestürzt – naï­ve Inves­to­ren, die von cle­ve­ren Wall-Street-Ban­kern über den Tisch gezo­gen wur­den. Sie gal­ten als die Dum­men, die jedes ris­kan­te Papier kauf­ten, das ande­re längst abge­sto­ßen hat­ten. Die­se Repu­ta­ti­on war nicht nur pein­lich, sie war auch teu­er: Mil­li­ar­den wur­den ver­brannt, der Ruf des Finanz­plat­zes nach­hal­tig beschädigt.

Die­se Geschich­te soll­te mah­nen. Gro­ße Inves­ti­tio­nen in Immo­bi­li­en bin­den Kapi­tal lang­fris­tig und unfle­xi­bel. Bau­kos­ten im mitt­le­ren drei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­reich – kon­kre­te Zah­len wer­den sorg­sam ver­schwie­gen – sind bei öffent­li­chen Groß­pro­jek­ten noto­risch anfäl­lig für Über­schrei­tun­gen. Die Bei­spie­le rei­chen von der Elb­phil­har­mo­nie über den Ber­li­ner Flug­ha­fen bis zu Stutt­gart 21. Kann die NRW.BANK garan­tie­ren, dass ihr Pro­jekt im Bud­get bleibt? Und selbst wenn: Ist es das Geld wert?

Pres­ti­ge oder Pragmatismus?

Man kann sich des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass bei die­ser Ent­schei­dung nicht nur ratio­na­le Erwä­gun­gen eine Rol­le spiel­ten. Ein pres­ti­ge­träch­ti­ger Neu­bau im Regie­rungs­vier­tel, archi­tek­to­nisch her­aus­ra­gend, nach­hal­tig zer­ti­fi­ziert – das klingt nach dem Ver­such, ver­lo­re­ne Bedeu­tung sym­bo­lisch zurück­zu­ge­win­nen. Nach einem State­ment, das sagt: Wir sind noch da, wir sind wich­tig, wir gehö­ren zu den Großen.

Doch Sym­bol­po­li­tik ist teu­er. Und sie kann nach hin­ten los­ge­hen. Was, wenn die Bank in zehn Jah­ren fest­stellt, dass sie die Flä­chen nicht mehr braucht? Was, wenn sich Arbeits­mo­del­le so sehr ver­än­dert haben, dass gro­ße Zen­tra­len zum Ana­chro­nis­mus gewor­den sind? Was, wenn die Kos­ten explo­die­ren und die öffent­li­che Mei­nung kippt?

Die Iro­nie der Geschich­te: Eine Bank, die aus den Trüm­mern der WestLB ent­stan­den ist und deren Kern­auf­trag die ver­ant­wor­tungs­vol­le För­de­rung von Wirt­schaft und Infra­struk­tur sein soll, inves­tiert Hun­der­te Mil­lio­nen in ein Pro­jekt, des­sen lang­fris­ti­ge Wirt­schaft­lich­keit zumin­dest frag­wür­dig ist. Das ist nicht unbe­dingt das Signal, das man nach einer Ban­ken­kri­se sen­den sollte.

Nach­hal­tig – aber wofür?

Gewiss, die öko­lo­gi­schen Aspek­te des Pro­jekts ver­die­nen Aner­ken­nung. Hybrid-Holz-Bau­wei­se, DGNB Pla­ti­num Zer­ti­fi­zie­rung – das sind kei­ne lee­ren Ver­spre­chen, son­dern anspruchs­vol­le Stan­dards. In Zei­ten der Kli­ma­kri­se ist nach­hal­ti­ges Bau­en unver­zicht­bar. Doch Nach­hal­tig­keit bedeu­tet mehr als Öko-Zer­ti­fi­ka­te. Es bedeu­tet auch: Res­sour­cen klug ein­set­zen, lang­fris­tig den­ken, Risi­ken minimieren.

Ist es nach­hal­tig, Hun­der­te Mil­lio­nen öffent­li­cher Mit­tel in einen Neu­bau zu ste­cken, des­sen Not­wen­dig­keit zwei­fel­haft ist? Wäre es nicht nach­hal­ti­ger – im umfas­sen­den Sin­ne –, vor­han­de­ne Struk­tu­ren zu nut­zen, fle­xi­bel zu blei­ben, das Geld in die För­der­auf­ga­ben zu ste­cken statt in Reprä­sen­ta­ti­ons­ar­chi­tek­tur? Die grüns­te Inves­ti­ti­on ist oft die, die man nicht tätigt.

Fazit: 

Der Neu­bau der NRW.BANK-Zentrale ist mehr als nur ein Bau­pro­jekt. Er ist ein Test­fall für die Fra­ge, ob öffent­li­che Insti­tu­tio­nen aus der Ver­gan­gen­heit gelernt haben. Ob sie bereit sind, sich den Rea­li­tä­ten des 21. Jahr­hun­derts zu stel­len: fle­xi­blen Arbeits­mo­del­len, digi­ta­ler Trans­for­ma­ti­on, knap­pen öffent­li­chen Kassen.

Die stra­te­gi­schen Argu­men­te für den Bau sind nicht von der Hand zu wei­sen. Doch sie wer­den über­schat­tet von den Risi­ken: den Kos­ten, der unsi­che­ren Zukunft des Ban­ken­sek­tors, der his­to­ri­schen Hypo­thek der WestLB. In einer Zeit, in der Agi­li­tät und Anpas­sungs­fä­hig­keit über­le­bens­not­wen­dig sind, wirkt der Bau eines monu­men­ta­len Bank­pa­lasts wie ein Rück­fall in alte Denkmuster.

Viel­leicht wäre es klü­ger gewe­sen, einen Schritt zurück­zu­tre­ten und inne­zu­hal­ten. Zu fra­gen: Was brau­chen wir wirk­lich? Statt: Was wür­de gut aus­se­hen? Die wah­re Moder­ni­tät läge nicht in der archi­tek­to­ni­schen Sym­bo­lik, son­dern in der stra­te­gi­schen Klug­heit, auf teu­re Pres­ti­ge­ob­jek­te zu ver­zich­ten und die Mit­tel dort ein­zu­set­zen, wo der För­der­auf­trag der Bank sie am drin­gends­ten braucht – bei den Men­schen und Unter­neh­men in Nordrhein-Westfalen.