Fin­Tech-Unter­neh­men haben eine gemein­sa­me Mis­si­on: sie wol­len die Finanz­bran­che umkrem­peln. Doch Skep­ti­ker spre­chen hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand schon von der Fin­Tech-Bla­se, die 2016 plat­zen wird. Wir haben einen genaue­ren Blick auf FinTechs geworfen.

Von Ralf Ohl­hau­sen, Busi­ness Deve­lo­p­ment Direc­tor, PPRO Group

Wenn Sie sehen wol­len, wie gestan­de­ne Füh­rungs­kräf­te gro­ßer Ban­ken zusam­men­zucken, müs­sen Sie nur in ihrer Gegen­wart das Wort “Fin­Tech” erwäh­nen. Fai­rer­wei­se muss man aber sagen, dass sich nicht alle Ban­ken vor tech­ni­schen Inno­va­tio­nen fürch­ten. Denn hin­ter “Finan­cial Tech­no­lo­gy” ver­birgt sich alles, was mit moder­ner Tech­nik gera­de in der Finanz­bra­che pas­siert, und ohne Ban­ken ist der Finanz­sek­tor nicht vor­stell­bar. Bei Fin­Tech geht es also zum Bei­spiel um mobi­les Bezah­len von Smart­phone zu Smart­phone, Giro­kon­ten, die kei­ne Bank mehr im Hin­ter­grund haben und nur noch online und per App bedient wer­den, oder rund um die Uhr erreich­ba­re Platt­for­men, die für Kun­den die Geld­an­la­ge mit der höchs­ten Ren­di­te inner­halb von Sekun­den auf­spü­ren. Klingt ziem­lich gut, weil modern und unkom­pli­ziert, also genau das Gegen­teil von dem, was man als nor­ma­ler Bür­ger mit Ban­ken asso­zi­iert. Doch in der Pra­xis gibt es vor allem eines: eine gro­ße Por­ti­on Unsi­cher­heit im Finanz­sek­tor, denn sicher scheint nur, dass nichts so bleibt, wie es ist.
Fin­Tech-Bran­che boomt
Beim The­ma Fin­Tech gibt es Schwarz und Weiß. Vie­le Finanz­ex­per­ten gehen davon aus, dass FinTechs die Bran­che revo­lu­tio­nie­ren, doch es gibt auch Skep­ti­ker. Blickt man auf die nack­ten Zahlen(1), dann steht fest: die Fin­Tech-Bran­che brummt. Nach Aus­wer­tung der ers­ten zehn Mona­te 2015 sieht es so aus, als ob sich die Inves­ti­tio­nen im Fin­Tech-Bereich im Ver­gleich zu 2014 locker ver­dop­pelt haben. Die Höhe der Inves­ti­ti­ons­aus­ga­ben ist ein wich­ti­ger Grad­mes­ser, denn unter den FinTechs sind sehr vie­le IT-Start­ups, deren Ziel es ist, mög­lichst schnell zum Uni­corn zu wer­den. Die soge­nann­ten Ein­hör­ner sind Unter­neh­men, deren Fir­men­wert die magi­sche Gren­ze von einer Mil­li­ar­de über­steigt. 25 Uni­corns zählt das Maga­zin Busi­ness Insi­der bis­her in der Fin­Tech-Bran­che (2), dar­un­ter die Pay­ment-Dienst­leis­ter Stri­pe und Klar­na. Dabei wird längst nicht jedes Fin­Tech-Start­up – 12.000 sol­len es aktu­ell ins­ge­samt sein – das neue Jahr über­le­ben. Was den FinTechs aber grund­sätz­lich in die Hän­de spielt, ist die Tech­ni­sie­rung des Alltags. 
Nut­zer sind es gewohnt, vie­le Din­ge jeder­zeit erle­di­gen zu kön­nen, sie müs­sen dazu nur ihr Smart­phone zücken. Dass man bei­spiels­wei­se für die Eröff­nung eines Giro­kon­tos zu einer bestimm­ten Zeit in einer Bank­fi­lia­le sein muss, passt da nicht mehr wirk­lich ins Bild, eben­so wenig, dass Geld­trans­fers Tage statt Sekun­den dau­ern, Geld­ein­gän­ge nicht sofort per SMS oder Whats­App ange­zeigt wer­den oder man die Geld­an­la­ge nicht abends auf dem Sofa erle­di­gen kann. Mehr als eine Mil­li­ar­de Nut­zer wer­den in die­sem Jahr ihr Smart­phone für Ban­king nut­zen (3). 2015 zähl­te Juni­per Rese­arch rund 130 Mil­lio­nen bio­me­trisch abge­seg­ne­te Finanz­trans­ak­tio­nen, 2019 sol­len es bereits 5 Mil­li­ar­den Trans­ak­tio­nen sein (4), sprich Finanz­ge­schäf­te am Smart­phone eta­blie­ren sich. FinTechs erfin­den dabei das Rad nicht neu, sie krem­peln jedoch die eta­blier­ten Geschäfts­mo­del­le durch Fokus auf Nut­zer­freund­lich­keit und Geschwin­dig­keit kom­plett um. Ihre Diens­te sind immer ver­füg­bar, ohne gro­ße Ein­ar­bei­tungs­zeit zu nut­zen und lie­fern sofort Ergebnisse.
Fin­Tech-Haupt­stadt London
Das Fin­Tech-Zen­trum der Welt befin­det sich in den USA, genau­er gesagt in San Fran­cis­co. Dort wird fünf Mal so viel inves­tiert wie in Euro­pa. Euro­pas Fin­Tech-Haupt­stadt ist Lon­don. Die bri­ti­sche Metro­po­le ist für 68 Pro­zent der euro­päi­schen Fin­Tech-Invest­ments ver­ant­wort­lich (1) und das hat gute Grün­de. Ande­re wich­ti­ge euro­päi­sche Län­der wie Deutsch­land lagen beim The­ma Fin­Tech lan­ge im Tief­schlaf und ste­hen jetzt in der zwei­ten Rei­he an. In Groß­bri­tan­ni­en haben wich­ti­ge Poli­ti­ker klar Stel­lung zu Inno­va­tio­nen im Finanz­sek­tor bezo­gen, etwa Pre­mier­mi­nis­ter David Came­ron und Lon­dons Bür­ger­meis­ter Boris John­son. In den Nie­der­lan­den und Groß­bri­tan­ni­en spre­chen sich auch die Ban­ken­ver­bän­de für die För­de­rung von Fin­Tech-Unter­neh­men aus und for­dern sogar weni­ger Regu­la­ri­en. Spe­zi­ell bei der Regu­lie­rung hat der Stand­ort Deutsch­land noch Nach­tei­le, Ban­ken­li­zen­zen zum Bei­spiel kriegt man in ande­ren Län­dern wesent­lich einfacher.
FinTechs an allen Ecken
FinTechs sind für Insi­der kei­ne neue Sache mehr. Den Anfangs­punkt mar­kiert die Ban­ken­kri­se, in der vie­le Ver­brau­cher ihr Ver­trau­en in die Insti­tu­ti­on Bank ver­lo­ren haben. Seit die­ser Zeit ist es ein­fa­cher für klei­ne­re Unter­neh­men, in der Finanz­bran­che Fuß zu fas­sen. Es wäre aber zu kurz gedacht, Fin­Tech-Unter­neh­men nur in einer Hand voll Metro­po­len zu ver­mu­ten. Natür­lich sind neben San Fran­cis­co und Lon­don auch New York, Peking und Mum­bai Zen­tren für FinTechs. Ein gro­ßer Vor­teil der FinTechs ist aber ihr Tech­nik­ver­ständ­nis, das sie auch für ver­teil­tes Arbei­ten ein­set­zen. So ist es nicht immer zwin­gend nötig, in den Fin­Tech-Metro­po­len vor Ort zu sein. Auch in Wel­ling­ton, Ams­ter­dam, Stock­holm oder Ber­lin ist Fin­Tech auf dem auf­stei­gen­den Ast, und ein hei­ßes Pflas­ter für Fin­Tech stellt aktu­ell auch Asi­en dar. Befeu­ert wird der Markt durch vie­le Kapi­tal­ge­ber, etwa And­re­es­sen Horo­witz oder Accel Part­ners. Waren es 2013 immer­hin schon 3 Mil­li­ar­den US-Dol­lar Invest­ments, zähl­te man 2014 schon 12 Mil­li­ar­den (5). Und Ven­ture Capi­tal soll in die­sem Jahr von Crowd­sour­cing über­holt wer­den. Es sieht also erst ein­mal sehr gut aus für alle Fir­men mit krea­ti­ven FinTech-Ideen. 
Fin­Tech sind anders als Banken

Was an Fin­Tech so anspre­chend ist, sind in ers­ter Linie kur­ze Inno­va­ti­ons­zy­klen. Das fällt umso stär­ker auf, wenn man den Ver­gleich mit welt­weit ope­rie­ren­den Ban­ken anstellt. Dort arbei­tet man natür­lich mit ganz ande­ren Pro­zes­sen, und Ver­än­de­run­gen an die­sen Pro­zes­sen dau­ern lan­ge. Das haben auch schon vie­le Ban­ken erkannt, die in Fin­Tech-Unter­neh­men inves­tie­ren. Schnel­ler als jeder Bank gelingt es Fin­Tech-Unter­neh­men zum Bei­spiel, gute Apps zu bau­en und Geschäfts­ideen in Pro­to­ty­pen umzu­set­zen. Natür­lich ist nicht jede Idee auch immer ein Voll­tref­fer – da FinTechs aber viel mit Tech­nik zu tun haben, kom­men die Metho­den aus der IT-Bran­che auch hier zur Anwen­dung. Die neu­en Funk­tio­nen wer­den mög­lichst schnell für Kun­den frei­ge­schal­tet, bei Nicht­ge­fal­len aber auch eben­so schnell wie­der ein­ge­stampft. Wich­tig ist dann nur, dass man gleich wie­der eine neue Idee in der Hin­ter­hand hält. Die­se Her­an­ge­hens­wei­se steht in kras­sem Gegen­satz zur Vor­ge­hens­wei­se von Ban­ken in den letz­ten 50 Jah­ren. Hier gibt es kom­ple­xe Pro­zess­ket­ten und jede Men­ge Regu­la­ri­en zu beach­ten. Und wenn eine Bank ein neu­es Pro­dukt lan­ciert, wäre es eine Schan­de, die­ses Pro­dukt ein paar Wochen spä­ter wie­der vom Markt zu neh­men. Genau das Gegen­teil ist der Fall – oft hat man den Ein­druck, Bank­pro­duk­te wer­den für die Ewig­keit gemacht.
Streit­punkt Regulierung
Im Fin­Tech-Bereich trifft man sehr oft auf Start-Ups und klei­ne inno­va­ti­ve Fir­men. Es gibt aber eine Aus­nah­me: den Mobi­le-Pay­ment-Bereich. Dort sind die gro­ßen der Tech­nik­welt ver­sam­melt, etwa Ama­zon, Apple, Goog­le und Sam­sung. Sie haben den Vor­teil, dass sie ihre eige­nen Bezahl­me­tho­den nur in die haus­ei­ge­nen Gerä­te ein­bau­en müs­sen und so welt­weit inner­halb kür­zes­ter Zeit eine brei­te Kun­den­ba­sis auf­bau­en kön­nen, die alle schon für das Bezahl­sys­tem frei­ge­schal­tet sind. Apple Pay ist wohl das bekann­tes­te Bei­spiel. Seit sich Ban­ken mit FinTechs kon­fron­tiert sehen, gibt es die Dis­kus­si­on, ob man die auf­stre­ben­den Tech-Fir­men nicht stren­ger regu­lie­ren soll­te. So gab es kürz­lich wie­der eine For­de­rung der Spar­kas­sen nach mehr Regu­lie­rung für Inter­net­kon­zer­ne – schließ­lich müs­se man als Bank ein hohes Daten­schutz­ni­veau errei­chen. Ziel waren hier weni­ger die Start­ups, son­dern die gro­ßen Inter­net-Kon­zer­ne, die sich in der soge­nann­ten Finan­cial Ser­vices Inno­va­ti­on Coali­ti­on (7) zusam­men­ge­schlos­sen haben, um Inno­va­tio­nen im Finanz­sek­tor zu fördern. 
Fin­Tech-Trends 2016
Es gibt kei­nen bes­se­ren Ort, um Fin­Tech-Trends auf­zu­spü­ren, als Kon­fe­ren­zen wie die Money2020 in Las Vegas. Dort dis­ku­tie­ren über 10.000 Exper­ten aus 75 Län­dern über genau die­ses The­ma. Die­se Ver­an­stal­tung wird Anfang April die­ses Jah­res erst­mals auch in Euro­pa, in Kopen­ha­gen, abge­hal­ten (8). Klar scheint zu sein, dass die Bar­rie­ren für inter­na­tio­na­le Trans­ak­tio­nen fal­len wer­den. Nicht nur in über­schau­ba­ren Gebie­ten wie der EU, son­dern welt­weit wird man in Zukunft ein­fa­cher Geld aus­ge­ben, ein­neh­men und trans­fe­rie­ren kön­nen. Vie­le Exper­ten sind auch der Mei­nung, dass der Ein­fluss von neu­en Tech­no­lo­gien in Fin­Tech noch grö­ßer wer­den wird. Mehr Inno­va­tio­nen wer­den in Zukunft von Tech­ni­kern erwar­tet – weni­ger von Finanzexperten. 
Der klas­si­sche E‑Commerce, bei dem man als Käu­fer gezielt in einen Online-Shop geht, könn­te in den nächs­ten Jah­ren von Social Media schwe­re Kon­kur­renz erhal­ten. Wer ein Foto einer Per­son auf Face­book mit einem coo­len T‑Shirt sieht, könn­te ein­fach dort das Shirt ankli­cken, die Grö­ße und den bil­ligs­ten Anbie­ter aus­wäh­len und sofort bestellen. 
Wer genau die Bestel­lung im Hin­ter­grund bear­bei­tet, das Geld ein­sam­melt, an die Betei­lig­ten aus­gibt und die Ware lie­fert, wäre den meis­ten Käu­fern voll­kom­men egal. 
(1) paymenteye.com/2015/11/16/the-state-of-fintech-in-2015-infographic
(2) uk.businessinsider.com/the-25-fintech-unicorns-ranked-by-value-2015–7?IR=T
(3) www.juniperresearch.com/press/press-releases/mobile-banking-users-to-exceed-1-bn-this-year
(4) http://www.juniperresearch.com/press/press-releases/apple-pay-to-push-biometric-transactions-to-nearly
(5) www.forbes.com/sites/chancebarnett/2015/07/22/fintech-investments-quadruple-top-trends-to-watch
(6) www.capital.de/meinungen/streit-um-fintech-regulierung.html
(7) https://www.fsicoalition.org/
(8) https://www.money2020europe.com/

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