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Die Fintech-Szene in Deutschland ist nach einer stürmischen Anfangsphase Teil des “Establishments” geworden. Die große “Disruption” blieb derweil aus. Dennoch haben die zahlreichen Fintech-Startups in den vergangenen Jahren das Gesicht des Banking verändert; sie werden von den Banken ernst(er) genommen. Was können wir in Zukunft noch – nicht nur von den Fintech-Startups – an Impulsen für das Banking erwarten, welche technologischen und gesellschaftlichen Trends sind wichtig oder gewinnen künftig an Bedeutung? Auf diese und weitere Fragen zur Zukunft des Banking antwortet Maik Klotz (Foto), Fintech-und Banking-Experte, Speaker, Autor und für die Unternehmenskommunikation von YES zuständig, im Interview mit Bankstil. Maik Klotz schreibt u.a. für Paymentandbanking. Daneben betreibt er noch die Webseite Klotzbrocken. Er gilt als einer der besten Kenner der Fintech-Szene hierzulande.
- Maik, du verfolgst die deutsche Fintech-Szene von Beginn an – was sind aus deiner Sicht die spannendsten Ereignisse und Entwicklungen der letzten Jahre?
Aus meiner Sicht spannend ist die Tatsache, das FinTechs inzwischen erwachsen werden. Mit allen Vor- und Nachteilen. Mit dem Erwachsenwerden geht manchmal leider auch eine Gewisse „jugendliche Leichtsinnigkeit“ verloren, auf der anderen Seite zeigt es aber eben auch, dass diese Unternehmen in der Realität angekommen sind. Und damit meine ich vor allem die Realität aus Konsumentensicht. Ein Konto bei einer der Challenger-Banken zu haben ist nichts aussergewöhnliches mehr und FinTechs kommen in der breiten Masse an. Besonders spannend sind die Entwicklungen in den letzten Monaten im Bereich Robo Advisery und Identity. Spannend sicher auch die Nicht-Entwicklung im Bereich mobiler Bezahlverfahren. Das liegt weiterhin brach und wird auch sicher so bleiben.
Auch die Entwicklungen im Bereich Kryptowährungen und Blockchain dürfen nicht unerwähnt bleiben und hier sehen wir eine Gewisse Beruhigung nach dem ein oder anderen Hype, der nun hoffentlich zu handfesten (Produkt)entwicklungen führt.
Und natürlich Themen wie PSDII und XS2A, die neue Anwendungsbereiche ermöglichen.
- Nach der Sturm-und Drangphase vermittelt die Fintech-Szene mittlerweile einen eher gesetzten Eindruck – die Ruhe vor dem nächsten Sturm oder Beginn der Normalität?
Naja, es kommt ja immer irgendwas neues. Die jungen Wilden von einst sind heute die alten Säcke. Das ändert sich ja nicht und es werden immer wieder neue Startups kommen. Ich denke die Entwicklungen bei den Tech-Giganten im Finanzbereich wird uns sicher in Zukunft mehr beschäftigen und eine Google, Facebook oder was auch immer Bank wird sicher für mehr Aufregung sorgen als das was wir heute sehen.
- Die größte Herausforderung der Fintech-Startups ist – neben der Frage der Finanzierung – die der Skalierung, das sog. Henne-Ei-Problem – ein auflösbares Dilemma?
Ich bin ja ein bekennender Produktmensch und glaube sehr stark an die Kraft des Produktes. Instagram, Snapchat, Whatsapp und Co haben ja auch bei Null angefangen. Ich bin davon überzeugt das wenn ein Produkt ein Problem dort draußen bei vielen Menschen löst, wird es seinen Markt finden. Binsenweisheit und sicher sehr schwarz-weiß gemalt und am Ende braucht es mehr Faktoren als „nur“ ein gutes Produkt. Aber damit fängt es an. Und diese Denkweise vermisse ich persönlich immer wieder.
- Einige Beobachter bemängeln, die Mehrzahl der Fintech-Startups strebe entweder Kooperationen mit den Banken an oder beschränke sich auf White Label – Angebote. Den Mut zur Marke hätten dagegen nur noch wenige. Trifft die Aussage zu?
Oder umgekehrt. Vielleicht sind nicht FinTechs die Geisterfahrer sondern Banken. Ich glaube, dass FinTechs oft sehr viel offener sind, was Kooperationen betrifft. FinTechs sind aber auch nicht doof und wollen sich nicht die Wurst vom Brot nehmen lassen, sondern auf Augenhöhe mit Banken sprechen. Letzteres ist dann vielleicht eher ein Problem traditioneller Banken als bei FinTechs. Aber, und das muss man sagen, es gibt heute viel mehr Kooperationen zwischen Banken und FinTechs als noch vor wenigen Jahren und die Tendenz ist steigend.
- Wie bewertest du das Thema ICO im Allgemeinen und den Fall Savedroid im Besonderen?
ICOs sind ein wichtiges Werkzeug für Startups um Kapital einzusammeln. Das Problem ist nicht der ICO, also das Werkzeug, sondern die Art und Weise wie es eingesetzt wird. Und da wird sich in Zukunft zeigen, ob das in manchen ICO angelegte Geld gut angelegt war. Es ist ein wenig wie mit einem Kickstarter-Projekt. Da weiß man auch nicht, ob das Produkt jemals kommen wird. Zu Savedroid ist alles gesagt worden und ich würde die Aktion abschließend als „mittelgut“ bezeichnen.
- Du bist u.a. für die Unternehmenskommunikation von YES zuständig – was gibt es Neues zu berichten, welche weiteren Schritte sind geplant?
Ein Großteil der Entwicklung dreht sich um das Produkt. Wir bei yes! wollen mit einem Produkt starten, das weder den Kunden, die Bank noch den Drittanbieter, welche yes! einsetzen werden, enttäuscht. yes! soll vom ersten Moment einen deutlichen Kundennutzen bringen, was auch der Grund ist warum wir aktuell noch nicht über Features sprechen. Die Kommunikation findet daher weniger öffentlich statt.
- Fintech-Startups unterschätzen für gewöhnlich den Wert der Unternehmenskommunikation bzw. der Außendarstellung und vertrauen stattdessen auf ihre technische Kompetenz – täuscht der Eindruck?
Ich glaube das kann man nicht verallgemeinern und gute Kommunikation gibt es genauso bei kleinen Startups wie es schlechte Kommunikation in großen Konzernen gibt. Vor allem sollte Kommunikation immer ehrlich sein und in Richtung Konsumenten immer die Probleme der Nutzer ernst nehmen. Auch hier gibt es gute und schlechte Beispiele. Eine gute Unternehmenskommunikation zeigt sich vor allem immer in Krisenzeiten. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen.
- Fintech ist für viele Verbraucher als Begriff zu techniklastig und schwer zugänglich. Eher ein Thema für Nerds. Wie kann die Fintech-Szene dieses Image ablegen – oder ist das nur eine Frage der Zeit?
Das ist eine Frage der Zeit. Vieles, was wir als FinTech bezeichnen, ist im Mainstream längst angekommen. Niemand denkt bei Paypal z.B. an ein Fintech. Das wird in Zukunft auch für andere Unternehmen gelten. Fintech ist angekommen und immer mehr Lösungen werden auch in der Masse genutzt. Fintech ist erwachsen geworden, mit allem was dazu gehört.
- Welche Themen treiben dich derzeit besonders um?
Berufsbedingt natürlich das ganze Thema Rund um “digitale Identitäten” und damit einhergehend der Frage wie wir in Zukunft es schaffen digitale Identitäten so zu schützen, das nicht etwas passiert wie bei Equifax (https://www.heise.de/newsticker/meldung/Hacker-Jackpot-Credit-Bureau-Equifax-gehackt-3824607.html) oder Cambridge Analytica. Was bei dem Thema „digitale Identität“ oft vergessen wird sind die damit verbunden Gefahren für den Konsumenten. Schon heute hinterlassen wir unwissentlich unzählige Spuren im Netz und geben Daten preis von denen wir es gar nicht wissen. Und da braucht es Alternativen, die auf der einen Seite dem Schutz der persönlichen Daten gerecht werden und auf der anderen Seite dabei helfen, Online-Prozesse wie Anmeldung, Registrierung, Vertragsabschlüsse zu vereinfachen.
Darüber hinaus natürlich die Entwicklungen in der Bankbranche und alles was im Zahlungsverkehr passiert. Und zwar aus der Nutzerperspektive. Selbst 10 Jahre nach Einführung des Smartphones, Dienste wie Google & co sind noch immer so viele Dinge so furchtbar kompliziert. Und diese Komplexität grenzt Menschen aus. Fintechs versuchen dieses Problem immer wieder zu lösen – mal mehr, mal weniger erfolgreich und natürlich ist in den letzten Jahren viel passiert. Aber verglichen mit anderen Entwicklungen noch zu wenig. In Asien nutzen fast eine Milliarde Menschen Wechat ein Großteil auch um Finanztransaktionen durchzuführen. Banking, Zahlungen, Mobile Payment – alles findet dort im Messenger statt. Und wir haben in Deutschland noch immer kein bankenübergreifendes System um jemanden schnell Geld zu senden. Asien funktioniert in vielerlei Hinsicht anders als der Westen und der Vergleich hinkt ein wenig. Trotzdem bleibt die Kernaussage die gleiche: ich glaube wir brauchen weniger Komplexität.
- Maik, besten Dank für das Gespräch!