Von Ralf Keuper
Seit einigen Monaten veröffentlicht die FAZ eine Serie von Beiträgen, die sich kritisch mit der Geschäftspolitik der Sparkassen auseinandersetzen. Dabei nimmt die FAZ die Dienste des Recherche-Netzwerks CORRECT!V in Anspruch.
Der Deutsche Sparkassen-und Giroverband ist über die Serie der FAZ “not amused” und bezeichnet sie mittlerweile als einen Fall von Kampagnenjournalismus. Auf die Kritik der FAZ antwortete die Sparkassenzeitung in Correctiv-Falschaussagen und Korrekturen.
Der bei der FAZ verantwortliche Ressortleiter Matthias Müller von Blumencorn entgegnet auf die Kritik mit dem Hinweis, die Serie habe das Ziel, Transparenz in ein intransparentes System zu bringen. Es handele sich daher keinesfalls um Kampagnenjournalismus.
In dem Beitrag Wenn “moderner Journalismus” den Journalismus abschafft im DSGV-Blog beklagt Christian Achilles den Niedergang des Journalismus.
Dass es um die sog. Qualitätsmedien nicht mehr allzu gut bestellt ist, bedarf wohl kaum noch einer Erwähnung. Über die Ursachen dafür wird unterdessen eifrig diskutiert. In der Tat ist es bemerkenswert, dass eine Zeitung wie die FAZ sich selbst nicht in der Lage sieht, den nötigen Rechercheaufwand selbst zu leisten und stattdessen auf die Hilfe externer Dienstleister zurückgreift. Daraus folgt allerdings nicht automatisch, dass die Arbeit des “Bürgerjournalismus” deswegen von minderer Qualität ist. In der digitalen Ökonomie zählen Crowdsourcing, Kollaboration und Open Innovation mittlerweile zum Standard und die Weisheit der Vielen wird nicht in jedem Fall von der Dummheit des Schwarms überlagert. Auch die Sparkassen greifen auf die Hilfe externer Dienstleister, und das nicht nur in der IT, zurück.
Ebenso wie die Medien selbst tun sich auch die Banken und Sparkassen mit Kritik im Netz, mit dem neuerlichen Strukturwandel der Öffentlichkeit ausgesprochen schwer. Nicht selten interpretiert man dort Kritik als eine Form von Majestätsbeleidigung. Wie kann das uninformierte und ungebildete Volk es wagen, offen Kritik zu üben, eigene Beobachtungen anzustellen und Schlussfolgerungen zu ziehen! Als Kunden sind sie willkommen, aber als mündige Bürger spricht man ihnen die Urteilsfähigkeit ab?
Die nach meinem Eindruck ausgewogensten Bewertungen des Vorgangs nehmen Jörg Forthmann in Der Schwarm als neues Krisenphänomen: Wie sich die Sparkassen gegen die „FAZ“ wehren und Falk Heunemann in Wo die Recherche der Leser an ihre Grenzen stösst vor.
Einige Fakten lassen sich nämlich beim besten Willen nicht mehr so leicht wegdiskutieren oder weg-kommunizieren, wie die nicht abreißende Zahl von “Sparkassen-Skandalen” der letzten Jahre (Auswahl):
- Partys für die Politprominenz sind plötzlich Kundenservice
- Die Governance-Strukturen der Sparkassen provozieren Missstände
- Stendaler Sparkassenskandal: Ortstermin im Sparkassen-Weinkeller
- “Objektiver Tatbestand der Untreue”: Schwere Anschuldigungen gegen Sparkassen-Vorstände Geske und Steckmann – Begünstigung des MDL Dr. Axel Wilke (CDU)
- Flensburg: Die verkaufte Stadt
- Millionenskandal um Leipziger Sparkasse
- Oberhausener Bank-Vorstände wegen dubioser Kreditgeschäfte angeklagt
- Nachrichten aus Dinslaken, Hünxe und Voerde: Viel Glück!
Bei der Zahl der Fälle kann man hier durchaus von Evidenz sprechen, was mich nach eingehender Analyse selbst überrascht. Hier besteht scheinbar noch reichlich Informations- und Diskussionsbedarf.
Kurz vor seinem gewaltsamen Tod sagte Alfred Herrhausen in einem Interview, dass die Zeiten vorbei seien, in denen die Banken zu ihrem Handeln und Tun nicht öffentlich Stellung nehmen mussten.
In einer emanzipierten Gesellschaft, in der wir jetzt leben, ist das glaube ich anders. Wir müssen uns dieser öffentlichen Aufmerksamkeit stellen. Und wenn wir uns ihr stellen, müssen wir ehrlich sein und zugeben, dass viele Dinge so sind, wie die Öffentlichkeit sie sieht.
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