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In seiner Dissertation Aufsätze zur historischen Entwicklung und Zukunft des Privatkundengeschäfts im deutschen Finanzdienstleistungssektor analysiert Fabian Schmitz die Entwicklung des Vertriebs im Privatkundengeschäft des Finanzdienstleistungssektors in Deutschland. Die Arbeit ist in vier wesentliche Beiträge gegliedert. Die ersten beiden Beiträge fokussieren historische Wendepunkte des 20. Jahrhunderts, während die letzten beiden Beiträge Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Diese interdisziplinäre Herangehensweise kombiniert Geschichts- und Wirtschaftswissenschaften und nutzt sowohl historische Dokumentenanalysen als auch qualitative empirische Daten.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war die Nachfrage nach Bankdienstleistungen in Deutschland eingeschränkt. Die schwache Mittelschicht führte dazu, dass nur wenige Finanzangebote existierten, die sich hauptsächlich auf einfache Spar- und Kreditmöglichkeiten beschränkten, bereitgestellt durch Sparkassen und Teilzahlungsbanken. Nach dem Krieg, insbesondere im Rahmen des deutschen Wirtschaftswunders ab 1948, erlebte die Gesellschaft jedoch einen grundlegenden Wandel. Die Währungsreform legte den Grundstein für eine breitere Nachfrage nach Bankdienstleistungen und ermöglichte vielen Bürgern, Geld zu sparen und Kredite aufzunehmen.
Die 1950er Jahre waren geprägt von einer starken Expansion der Sparkassen, die in einem Spannungsfeld zwischen Marktanteilsgewinn und regulatorischen Herausforderungen operierten. Die Eröffnung neuer Filialen wurde seit 1958 nicht mehr behördlich kontrolliert, was zu einer rapid wachsenden Marktpräsenz führte. Diese Phase kann als „wilde Expansion“ beschrieben werden, in der Rentabilitätsüberlegungen oft hintangestellt wurden.
Der zweite Beitrag der Arbeit untersucht die Commerzbank und deren Anpassung an die wirtschaftlichen Veränderungen nach der Wiedervereinigung 1989. Die Öffnung Ostdeutschlands brachte unerwartete Herausforderungen, die die Bank dazu zwangen, ihre Strategien zu überdenken. Die Commerzbank konzentrierte sich zunehmend auf vermögendere Kunden, während das breite Privatkundengeschäft als notwendiges Beiwerk zur Finanzierung des Filialnetzes betrachtet wurde. Trotz der Erweiterung des Geschäftsmodells um das Investment Banking blieb die Integration in das Kerngeschäft unvollständig. Die Bank konnte zwar ihre Bilanzsumme und Gewinne steigern, erreichte jedoch nicht die angestrebte Eigenkapitalrendite.
In den letzten beiden Beiträgen wird die Honorarberatung als alternatives Vergütungsmodell zur herkömmlichen Provisionsberatung vorgestellt. Während der Analyse wurden mehrere Problemkreise identifiziert, darunter die geringe Bekanntheit der Honorarberatung und die damit verbundenen Herausforderungen in der Wahrnehmung und Akzeptanz bei den Kunden. Die Beraterinterviews zeigten, dass Verbraucher oft nicht zwischen verschiedenen Beratungsmodellen unterscheiden können, was durch das Übergewicht provisionsbasierter Produkte verstärkt wird.
Abschließend werden 26 Handlungsalternativen zur Förderung der Honorarberatung und zur Weiterentwicklung des Privatkundengeschäfts evaluiert. Zentrale Aspekte sind die Verbesserung der Finanzbildung, die Vereinheitlichung gesetzlicher Rahmenbedingungen und die Schaffung eines einheitlichen Berufsbildes für Honorarberater. Auch die Notwendigkeit eines klaren Provisionsverbots oder einer Trennung zwischen Provisions- und Honorarberatung wird thematisiert, um Interessenkonflikte zu minimieren und das Vertrauen der Verbraucher zu stärken.
Insgesamt zeigt die Arbeit, dass die Finanzbranche sich an die veränderten Kundenbedürfnisse anpassen muss. Die Zukunft des Privatkundengeschäfts wird durch digitale Lösungen und persönliche Beratungen geprägt sein, wobei der Fokus auf einer wertschöpfenden Beziehung zwischen Berater und Kunde liegt. Die Etablierung der Honorarberatung könnte dabei helfen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und einen echten Mehrwert für die Kunden zu schaffen.