Von Ralf Keuper
“Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen”. An dieses Sprichwort mögen sich einige bei Number26 derzeit erinnern. Jetzt, wo sich die Wogen wieder zu glätten beginnen, erscheint es angebracht, sich den Vorgang und die Reaktionen in der Öffentlichkeit, womit in erster Linie das Netz gemeint ist, näher anzuschauen.
Sicher: Gemessen an den Verfehlungen der etablierten Banken wirken die Kündigungen, die Number26 einigen hundert Kunden ohne weitere Angaben von Gründen ausgesprochen hat, auf den ersten Blick vernachlässigbar (Bei der Gelegenheit: Erst kürzlich teilte die Deutsche Bank mit, sich von Zehntausenden Kunden im Investmentbanking trennen zu wollen). Eigentlich sei ja nichts passiert. Zur weiteren Relativierung mag auch noch der Hinweis beitragen, dass es sich bei Number26 ja gar nicht um eine “richtige” Bank handele, da im Hintergrund die Wirecard AG als Whitelabel-Bank fungiert.
Diese Argumentation ist aus mehreren Gründen zu einfach. Zunächst einmal hat sich Number26 in der Vergangenheit gerne als Gegenbeispiel präsentiert, als ein Fintech-Startup, das mit den alten Traditionen im Banking, insbesondere was den Umgang mit Kunden betrifft, brechen will. Dort, in den “herkömmlichen” (Filial-)Banken fühlten und fühlen sich bisweilen die Kunden immer noch als Untertanen, die die Entscheidungen der Banken, die nicht selten im Stil eines Per Ordre du Mufti kommuniziert werden, zu akzeptieren haben. Nun aber legt Number26 mit den Kündigungen ein Verhalten an den Tag, das nicht so recht zum kommunizierten Selbstbild passen will. Solange das Netz die Aktionen mit positiver Resonanz quittiert, verläuft die Kommunikation aus Sicht des Unternehmens einwandfrei, sobald jedoch Kritik in Form eines sog. Shit-Storms aufkommt, fällt man in Verhaltensmuster zurück, die man doch eigentlich überwinden wollte: Keine bzw. eine nur unzureichende, hilflose (Krisen-)Kommunikation. Es wird das Fußvolk losgeschickt, das den Kunden die Botschaft irgendwie vermitteln soll. Wie bei Hofe.
Eine Online-Bank bzw. ein Fintech-Startup, das über keine oder nur wenige physische Vermögenswerte verfügt und sich fast ausschließlich im Internet bewegt, ist in besonderer Weise auf den Wert der eigenen Marke angewiesen und darauf, wie diese kommuniziert wird. Im Gegensatz zu früher, als sich die öffentliche Meinung noch mit den klassischen Instrumenten des Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit beeinflussen ließ, ist das in der Digitalmoderne so nicht mehr möglich. Heute gibt der Kunde über die sozialen Medien sein unmittelbares Feedback, das wiederum von anderen aufgegriffen und thematisiert wird. Eine neue Situation, über die es in Wikibrands. Reinventing your company in a customer-driven marketplace heisst:
Now faced with a dramatic shift in how technology-enabled collaboration changes relationships, an Internet-savy generation will bring about huge changes in business and culture. How businesses create value through brands will be transformed by the relationships and experiences these businesses have with customers. Brands will no longer be an abstract concept in the mind but will require a new, more sophisticated architecture that involves two way conversation and integrity.
Alles andere als einfach.
Von besonderer Bedeutung ist in dem Zusammenhang das Management der Online-Reputation. Empfehlenswert sind die Seiten Reputation Blogger, Netz-Reputation und Communicationscontrolling.
Informativ ist u.a. das Positionspapier Kommunikationscontrolling der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG).
Jedoch: Auch mit der besten Kommunikationsstrategie lassen sich fundamentale Widersprüche in der Geschäftspolitik kaum bis gar nicht umdeuten.
Weitere Informationen / Update
Stellungnahme Kündigungen bei Number26 / Start Fair-Use Policy
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