Die Zei­ten, in denen Bar­geld als Garant für anony­me Zah­lun­gen galt, nei­gen sich unwi­der­ruf­lich dem Ende zu. Was einst als Inbe­griff finan­zi­el­ler Pri­vat­sphä­re erschien, ent­wi­ckelt sich zu einem aus­ge­klü­gel­ten Über­wa­chungs­in­stru­ment. Der Schlüs­sel zu die­ser Trans­for­ma­ti­on liegt in der unschein­ba­ren Seri­en­num­mer jeder Bank­no­te – zwei Buch­sta­ben und eine zehn­stel­li­ge Zah­len­ket­te, die aus jedem Geld­schein eine ein­deu­ti­ge digi­ta­le Signa­tur machen.

Die Öko­no­mie der Überwachung

Der Wan­del wird para­do­xer­wei­se durch wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen vor­an­ge­trie­ben. Im Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del kos­tet jede Bar­zah­lung durch­schnitt­lich 24 Cent: zwölf Cent für den Kas­sier­vor­gang, acht Cent für die Abrech­nung und vier Cent für Bar­geld­ent­sor­gung und Wech­sel­geld­be­schaf­fung. Dies ent­spricht 1,74 Pro­zent des Umsat­zes, wäh­rend Debit­kar­ten nur 1,49 Pro­zent kos­ten. Kre­dit­kar­ten schla­gen mit 2,38 Pro­zent zu Buche, sind aber auf­grund höhe­rer US-Gebüh­ren noch teurer.

Hin­zu kom­men die Risi­ken des Bar­gel­des: Falsch­geld ver­ur­sacht jähr­lich Schä­den von 17 Mil­lio­nen Euro, Kas­sen­feh­ler füh­ren zu zeit­auf­wän­di­gen Schicht­wech­seln und feh­ler­haf­ten Abrech­nun­gen. Die­se Pro­ble­me trei­ben die Auto­ma­ti­sie­rung vor­an – und mit ihr die sys­te­ma­ti­sche Erfas­sung von Seri­en­num­mern[1]Bar­geld anonym? Der gro­ße Irr­tum.

Das unsicht­ba­re Netzwerk

Moder­ne Kas­sen­sys­te­me lesen nicht nur Seri­en­num­mern aus, son­dern ver­knüp­fen sie mit Kon­text­da­ten. Gesichts­er­ken­nung durch Sicher­heits­ka­me­ras kann jeden Bar­geld­trans­fer einer Per­son zuord­nen. Selbst deut­sche Sicher­heits­be­hör­den nut­zen die­se Infra­struk­tur bereits für Ermittlungen.

Ein Geld­schein durch­läuft wäh­rend sei­nes Lebens unzäh­li­ge Track­ing-Punk­te: Fahrkarten‑, Park- und Snack­au­to­ma­ten, Glücks­spiel­ge­rä­te, Bank­fi­lia­len und Geschäf­te. Auch wenn noch Men­schen kas­sie­ren, wer­den die Ein­nah­men täg­lich von Geld­trans­port­un­ter­neh­men abge­holt und in Cash-Cen­tern durch Maschi­nen gejagt, die Seri­en­num­mern erfas­sen kön­nen. So ent­steht ein lücken­lo­ses Bewe­gungs­pro­fil, das per­sön­li­che Vor­lie­ben, Ver­bin­dun­gen und Geschäfts­be­zie­hun­gen offenlegt.

Wenn Anony­mi­tät zur Gefahr wird

Die Kon­se­quen­zen sind weit­rei­chend. Sen­si­ble Zah­lun­gen – für Gesund­heits­pro­ble­me, sexu­el­le Dienst­leis­tun­gen oder poli­ti­sche Spen­den – kön­nen ihre Urhe­ber kom­pro­mit­tie­ren. Ein Geld­schein, den ein Beam­ter heu­te abhebt und der mor­gen in einem Bor­dell auf­taucht, schafft Erpres­sungs­po­ten­zi­al. Unter­stützt ein unge­oute­ter Mensch mit einem getrack­ten Schein eine que­e­re Orga­ni­sa­ti­on, kann dies sei­ne Exis­tenz bedrohen.

Die Deut­sche Bun­des­bank stell­te bereits 2021 nüch­tern fest: “Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass sich das Seri­en­num­mern­le­sen dau­er­haft und irrever­si­bel eta­blie­ren wird.” Inter­na­tio­nal schrei­tet die Ent­wick­lung vor­an. In Chi­na müs­sen Geld­au­to­ma­ten bereits heu­te jede aus­ge­ge­be­ne Bank­no­te einem Kon­to zuord­nen, man­che erfas­sen sogar bio­me­tri­sche Daten. Deut­sche Poli­zei und Staats­an­walt­schaf­ten nut­zen Bar­geld-Track­ing, wäh­rend inter­na­tio­na­le Kon­zer­ne wie Glo­ry euro­pa­weit Pro­jek­te betrei­ben, bei denen auto­ma­tisch nach kri­mi­nell belas­te­ten Seri­en­num­mern gesucht wird.

Doch die Bank­no­te erweist sich als zäh­le­bi­ger als erwartet.

Die intel­li­gen­te Bank­no­te als letz­ter Ausweg

Die For­schung rund um Bank­no­ten mit Eigen­in­tel­li­genz zielt dar­auf ab, klas­si­sche Papier­geld­stü­cke mit digi­ta­len Zusatz­funk­tio­nen aus­zu­stat­ten, ohne die Anony­mi­tät des Bar­gelds voll­stän­dig auf­zu­ge­ben. Im Mit­tel­punkt steht dabei die Idee, dass jede Bank­no­te nicht nur einen mate­ri­el­len Wert, son­dern auch ein digi­ta­les „Gedächt­nis“ besitzt. Die­ses Gedächt­nis spei­chert Infor­ma­tio­nen wie das Alter der Bank­no­te, ihre Umlauf­sta­tio­nen oder ihren Zustand – etwa mit­hil­fe spe­zi­el­ler che­mi­scher oder opti­scher Spei­cher, die auf Licht­si­gna­le reagie­ren und Daten dau­er­haft auf der Bank­no­te hin­ter­las­sen kön­nen. Die Daten wer­den dabei nicht per­so­nen­be­zo­gen, son­dern schein­spe­zi­fisch gespei­chert, sodass die grund­le­gen­de Anony­mi­tät des Bar­gelds gewahrt bleibt[2]Die Bank­no­te der Zukunft muss Eigen­in­tel­li­genz auf­wei­sen.

Füh­ren­de For­schung auf die­sem Gebiet wird am Insti­tut für indus­tri­el­le Infor­ma­ti­ons­tech­nik (inIT) der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Ost­west­fa­len-Lip­pe unter der Lei­tung von Pro­fes­sor Vol­ker Loh­weg betrie­ben. Die Wis­sen­schaft­ler arbei­ten dar­an, Bank­no­ten mit soge­nann­ten pho­to­chro­men Mole­kü­len aus­zu­stat­ten, die sich durch Licht akti­vie­ren las­sen und so Infor­ma­tio­nen spei­chern kön­nen. Bei­spiels­wei­se könn­te eine Bank­no­te unter UV-Licht die Anzahl der Schreib­vor­gän­ge oder ihren Zustand anzei­gen. Auch ein „Check-in-Check-out-Sys­tem“ ist denk­bar: Bank­no­ten wür­den erst bei der Aus­zah­lung akti­viert und könn­ten nur dann als Zah­lungs­mit­tel ver­wen­det wer­den, wenn sie von einem zer­ti­fi­zier­ten Gerät als gül­tig erklärt wer­den. Geld­au­to­ma­ten oder Kas­sen­sys­te­me könn­ten die Schei­ne ein- und aus­che­cken, wodurch sich Geld­flüs­se ähn­lich exakt nach­voll­zie­hen lie­ßen wie im digi­ta­len Zah­lungs­ver­kehr, aller­dings ohne direk­ten Bezug zu einer Per­son[3]Die Bank­no­te der Zukunft muss Eigen­in­tel­li­genz auf­wei­sen #2.

Die Vor­tei­le sol­cher smar­ten Bank­no­ten lie­gen vor allem in der erhöh­ten Fäl­schungs­si­cher­heit, da bei­spiels­wei­se eine ver­meint­lich neue Bank­no­te mit hohem Umlauf­al­ter sofort als gefälscht ent­larvt wer­den könn­te. Zudem lie­ße sich der Lebens­zy­klus einer Bank­no­te – von der Aus­ga­be bis zur Ver­nich­tung – lücken­los doku­men­tie­ren, was die Nach­ver­folg­bar­keit von Geld­flüs­sen und die Prä­ven­ti­on von Geld­wä­sche erleich­tern wür­de. Die­se Ansät­ze wer­den in enger Zusam­men­ar­beit mit Indus­trie­part­nern wie Koe­nig & Bau­er oder Die­bold Nix­dorf ent­wi­ckelt, die ihre Exper­ti­se in der Fer­ti­gung von Bank­no­ten und Bezahl­ter­mi­nals einbringen.

Trotz der tech­ni­schen Fort­schrit­te ste­hen die For­scher noch vor Her­aus­for­de­run­gen: Die Spei­cher­tech­no­lo­gien müs­sen robust genug sein, um den all­täg­li­chen Belas­tun­gen stand­zu­hal­ten, und die Aus­le­se­ver­fah­ren müs­sen ein­fach, schnell und zuver­läs­sig funk­tio­nie­ren. Zudem gilt es, das Ver­trau­en der Nut­zer zu gewin­nen, dass die Anony­mi­tät des Bar­gelds trotz neu­er Funk­tio­nen nicht unter­lau­fen wird. Die Ent­wick­lung sol­cher intel­li­gen­ten Bank­no­ten ist noch expe­ri­men­tell, aber ers­te markt­rei­fe Model­le könn­ten in den kom­men­den Jah­ren für den Zah­lungs­all­tag zur Ver­fü­gung stehen.

Letzt­lich zeigt sich an die­sem Bei­spiel, wie die Digi­ta­li­sie­rung sogar das klas­si­sche Bar­geld erfasst und trans­for­miert. Die Bank­no­te der Zukunft könn­te so eine Brü­cke zwi­schen ana­lo­ger und digi­ta­ler Welt schla­gen – mit dem Ziel, Sicher­heit und Anony­mi­tät in einem sich wan­deln­den Zah­lungs­ver­kehr neu zu justieren.

Die Para­do­xie der Rettung

Frü­hes­tens in fünf Jah­ren könn­ten die­se smar­ten Bank­no­ten in Umlauf gehen – falls sie über­haupt noch gebraucht wer­den. Bis dahin dürf­te sich der Rück­zug des Bar­gel­des wei­ter fort­set­zen. Wäh­rend die Deut­schen Ende des drit­ten Quar­tals 2024 noch 395 Mil­li­ar­den Euro in bar bun­ker­ten, schwin­det das Ver­trau­en in die Anony­mi­tät des Bargeldes.

Die Ent­wick­lung mün­det in eine fun­da­men­ta­le Para­do­xie: Um die Anony­mi­tät des Bar­gel­des zu bewah­ren, soll es digi­ta­ler wer­den – ver­liert dabei aber genau die Eigen­schaf­ten, die es ursprüng­lich aus­zeich­ne­ten. Wenn intel­li­gen­te Bank­no­ten letzt­end­lich ähn­li­che Track­ing-Mög­lich­kei­ten bie­ten wie digi­ta­le Zah­lungs­mit­tel, stellt sich die Fra­ge, wor­in noch der Vor­teil des Bar­gel­des bestehen soll. Die Unter­schie­de zum digi­ta­len Euro wür­den für den Nor­mal­ver­brau­cher kaum noch erkenn­bar sein.

Fazit:

Die Epo­che, in der Bar­geld als Boll­werk per­sön­li­cher Frei­heit dien­te, geht ihrem Ende ent­ge­gen. Tech­ni­sche, öko­no­mi­sche und recht­li­che Trends drän­gen die Bank­no­te ins digi­ta­le Zeit­al­ter – zulas­ten der Anony­mi­tät. Die wich­ti­ge Fra­ge bleibt: Wel­chen Sinn hat Bar­geld noch, wenn es die­sel­ben Spu­ren wie digi­ta­le Zah­lun­gen hin­ter­lässt? Könn­ten smar­te Bank­no­ten doch die Lösung sein?