Von Ralf Keuper
Der Kapitalismus, so der Wirtschaftswissenschaftler und Bankhistoriker Peter L. Bernstein, hätte nicht aufblühen können, ohne zwei neue Berufsbilder[1]Wider die Götter: Die Geschichte der modernen Risikogesellschaft. Da ist erstens die Buchhaltung und zweitens die Zukunftsprognose. Beide Tätigkeitsfelder bilden bis heute das Kerngeschäft einer jeden Bank. Banken sind Informations- und Risikoverarbeiter. Sie wandeln Risiken in Risiken anderen Zuschnitts um. Jedoch kann auch das beste Risikomanagement der Banken keine Sicherheit garantieren, sondern, nach Niklas Luhmann, nur den bestmöglichen Umgang mit Unsicherheit[2]Banken als Risikoverarbeiter. An diesem Befund ändern neue Technologien und Geschäftsmodelle nichts; das zeigen nicht nur die Beispiele Wirecard und Greensill. Wohl können mittels neuer Technologien und Geschäftsmodelle sowie der sie begleitenden Narrative die typischen Risiken des Bankgeschäfts (Kredit‑, Zins‑, Währungs- und operationelle Risiken) zugunsten der perfekten User Experience in den Hintergrund gedrängt werden – bestehen bleiben sie dennoch. In den Bilanzen der meisten Fintech-Startups tauchen diese Risiken früher oder später wieder auf. Meistens muss eine neue Finanzierungsrunde dafür sorgen, die Löcher zu stopfen, um den Zeitpunkt für den Exit doch noch zu erwischen. Bis dahin gibt es Wichtigeres zu tun – nämlich die Story (Kundenzentrierung, Demokratisierung des Finanzwesens, Innovationen um der Kunden willen etc.) nach außen zu tragen und verbreiten zu lassen – PR also[3]Die Berichterstattung der einschlägigen Medien und Seiten ließe sich bestenfalls als kritische PR beschreiben.
Fintech-Startups wachsen laut Rush Amaratunga oft über ihre eigenen operativen Kapazitäten hinaus und schaffen es nicht, neue Betriebsverfahren zu standardisieren[4]Fintech’s main strengths drive the sector’s risk exposure. So neigen sie beispielsweise dazu, Compliance-Beauftragte erst sehr spät im Gründungsprozess einzustellen. Wenn ein Fintech-Unternehmen die Compliance-Anforderungen nicht erfüllt, kann es mit hohen Geldstrafen rechnen, was zu einem Reputationsverlust auf dem Markt sowie zu einem Verlust von Kunden und Einnahmen führt.
Ein Beispiel dafür ist N26. Da der Kundenakquisitionsprozess laut der BaFin jedoch keine ausreichenden Hintergrundprüfungen gegen das Risiko der Geldwäsche umfasste, hat die Behörde die Neukundenakquise gedeckelt und einen zweiten Sonderbeauftragten in die Neobank entsandt((N26 wird an die kurze Lein…
References
↑1 | Wider die Götter: Die Geschichte der modernen Risikogesellschaft |
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↑2 | Banken als Risikoverarbeiter |
↑3 | Die Berichterstattung der einschlägigen Medien und Seiten ließe sich bestenfalls als kritische PR beschreiben |
↑4 | Fintech’s main strengths drive the sector’s risk exposure |