Von Ralf Keuper
Das Beratungshaus Celent veröffentlichte gestern einen interessanten Beitrag mit dem Titel Avoiding Banking Myopia. Darin nimmt der Autor Bob Meara Bezug auf den Artikel Marketing Myopia (Myopia = Kurzsichtigkeit), den Ted Levitt im Jahr 1960 im Harvard Business Review veröffentlicht hat und der bis heute für Diskussionsstoff sorgt – zu Recht.
Der Hauptfehler des Managements ehemaliger Wachstumschampions war laut Levitt, dass sie vergaßen, die alles entscheidende Frage zu stellen: In welchem Geschäft sind wir eigentlich?
So trivial diese Frage auf den ersten Blick auch erscheinen mag, um so schwieriger ist es, eine eindeutige und den aktuellen Umständen entsprechende Antwort darauf zu finden. Häufig wird auf die überlegene Qualität der eigenen Dienstleistungen und Produkte verwiesen, ohne die die Kunden eigentlich nicht existieren können und für die auch weit und breit kein Ersatz in Sicht ist – von ernsthafter Konkurrenz ganz zu schweigen. Das führt das Management dann nicht selten zu der Überzeugung, dass die eigene Wachstumsstory noch lange nicht zu Ende ist – ein Irrglaube wie Levitt meint. Seiner Ansicht nach gibt es so etwas wie eine Wachstumsbranche überhaupt nicht – zumindest nicht auf lange Sicht. Sie mag einige Zeit wachsen, doch irgendwann gelangt sie an den Punkt, den strategischen Wendepunkt (Andy Grove). Von diesem Zeitpunkt an verschieben sich, wenn auch zunächst nur unmerklich die Gewichte im Markt. Damit verändert sich auch das Geschäft.
Im Banking macht sich diese Gewichtsverschiebung u.a. in einer wachsenden Emanzipation der Kunden bemerkbar, unterstützt durch die neuen technologischen Möglichkeiten, die das Internet zur Verfügung stellt. Mit den herkömmlichen Methoden des Verkaufens gerät man schnell in eine Sackgasse, wie Levitt schon 1960 feststellte:
Heute mehr denn je, sind Unternehmen, insbesondere Banken, als Problemlöser für spezielle Fragen gefordert, weniger als Produzenten standardisierter Produkte und Lösungen. Ein Punkt, auf den Levitt in seinem Buch Marketing Imagination nachdrücklich hinwies:
A product is, to the potential buyer, a complex cluster of value satisfactions.
Vor allem der Hinweis auf den “complex cluster of value satisfactions” stellt für die Banken eine Herausforderung dar, wollen sie künftig überhaupt im Geschäft bleiben. Abhilfe können z.B. personalisierte Dienstleistungen und Services wie Mobile Banking und PFM schaffen.
Das Banking hat gute Chancen, auch in Zukunft eine Wachstumsbranche zu sein bzw. wieder zu werden. Allerdings nicht mit dem alten Geschäftsverständnis. Hierbei kann ein Blick über die althergebrachten Branchengrenzen, wie Celent richtig feststellt, nicht schaden. Erinnert sei an Crowdfunding, Mobile Payments und FinTech Start Ups wie überhaupt die neuen Anbieter, die (derzeit noch) als Non-Banks bezeichnet werden.