Von Ralf Ohlhausen, Business Development Director, PPRO Group
Das Fazit eines vor kurzem veröffentlichten Berichts1 der britischen Open Banking Working Group (OBWG) bestätigt, dass Großbritannien seinen europäischen Nachbarn wieder einmal einen Schritt voraus ist. Während der Rest Europas noch über Kompromisse bei der Überarbeitung der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) diskutiert, die Drittanbietern nur sehr eingeschränkten Zugriff auf manche Bankkonten ermöglichen wird, zeigt der Ruf nach einem offenen Banking-Standard und einer offenen Banken-Schnittstelle, der in dem Bericht laut wird, dass der Kurs der britischen Regierung ganz klar in Richtung Innovation geht.
Die Schaffung einer offenen Banken-Schnittstelle, deren vollständige Implementierung für den Jahresbeginn 2019 avisiert ist, wird die Grundlage für eine Reihe von Änderungen bei Finanzdienstleistungen bilden. Geteilte Daten sowie der Zugriff auf diese Daten werden die Konsumenten in die Lage versetzten, informierte Entscheidungen zu treffen, während sogenannte Fintech-Firmen diese Informationen nutzen können werden, um ein breiteres Spektrum an Apps und Services von Drittanbietern zu schaffen.
Großbritannien war schon häufig wegweisend, wenn es darum ging, traditionelle Strukturen aufzubrechen: Beginnend mit den 1970er Jahren haben aufeinander folgende Regierungen begeistert die Privatisierung und Deregulierung vorangetrieben, um Investitionen und Wirtschaftswachstum anzukurbeln – viele Jahre vor dem Rest Europas! Versorgungsunternehmen wurden zerschlagen, um den Wettbewerb zu fördern: Telekommunikation in den frühen 80er Jahren, Elektrizität, Gas und Eisenbahn in den frühen 90er Jahren. Und der Antrieb, wertschöpfende Services von den ihnen zugrunde liegenden, alten Infrastrukturen zu lösen und sie zu liberalisieren, hat sich bis ins neue Jahrtausend hinein fortgesetzt.
Der historische Wille, den Wandel anzunehmen und den Wettbewerb zu fördern, spiegelt sich nun in der Einstellung der Regierung beim Thema Fintechs wider. Die Ernennung eines „Fintech-Sonderbeauftragten“ durch das Finanzministerium im Jahr 2015 und eine Reihe von Steueranreizen, die Innovationen vorantreiben sollen, zeugen von einem starken Interesse daran, einen Sektor auszubauen, dessen Jahresumsatz derzeit auf 20 Milliarden britische Pfund geschätzt wird.
Ein vom britischen Department of Trade & Investment in Auftrag gegebener Bericht2 von Ernst and Young nennt „die Unzufriedenheit der Kunden mit Banken und den Mangel an Innovation und Investitionen durch bestehende Dienstleister” als Antriebe für den Erfolg des britischen Fintech-Sektors. Der Bericht unterstreicht zudem die Rolle, die der regulatorische Ansatz Großbritanniens bei der Schaffung einer günstigen Umgebung für Fintechs spielt. Die Empfehlungen der OBWG zur Schaffung eines offenen Banking-Standards mit Zugriff auf Daten, die bisher von einzelnen Institutionen vehement verteidigt wurden, zeugen sowohl von der Notwendigkeit eines Wandels als auch von der Bereitschaft, sich diesem Wandel zu stellen.
Großbritanniens Kurs bezüglich Finanzdienstleistungen ist ganz klar zukunftsorientiert. Die Frage an die übrigen EU-Regierungen und Regulatoren lautet nun, ob sie sich mit der PSD2 zufrieden geben, oder ob sie der Führung Großbritanniens folgen wollen? Und die Frage an die Banken lautet, ob sie warten wollen, bis sie dazu gezwungen werden, oder ob sie bereit sind, Fintechs proaktiv eine weiter gefasste Schnittstelle bereit zu stellen, mit der diese arbeiten können, um ihren Kunden noch mehr wertschöpfende Dienste zu bieten?