Von Ralf Keuper
Bei der Einschätzung der disruptiven Wirkung von Fintech gehen die Meinungen auseinander; weitgehende Einigkeit herrscht indes, wenn es um die Frage geht, ob es sich hierbei um ein vorübergehendes Phänomen handelt oder um etwas Dauerhaftes: Nach Stand der Dinge ist Fintech mehr als nur ein Symptom. Daraus folgt jedoch (noch) nicht, dass Fintech eine Revolution repräsentiert oder eine werde könnte. Eine neue Kategorie hat Fintech, abgesehen von der Bezeichnung, bisher nicht begründen können, d.h. Fintech ist für sich alleine nicht überlebensfähig, ist auf Strukturen angewiesen, die es (in ihrer Mehrzahl) eigentlich überflüssig machen will, wie die Banken-Infrastruktur. Dazu zählt aber auch die Regulierung, die dafür sorgt, dass die Fintech-Startups ihre Experimente, ihre Gehversuche in einem halbwegs geordneten Umfeld unternehmen können. Fintech ist eine Mischung aus Prozessinnovationen und Produktinnovationen. Ein durchschlagender Erfolg, die ultimative “Killer App”, ist bisher noch nicht auf der Bühne erschienen.
Wo lässt sich Fintech aus Sicht der Technik- und Wirtschaftsgeschichte einordnen? Welche Parallelen, Erklärungsmuster lassen sich finden?
Beginnen wir mit einer Erfindung, die unser aller Leben prägt, wie kaum eine andere: Gemeint ist der Verbrennungsmotor, der von dem Kaufmann (!) Nicolaus August Otto erfunden wurde. Ottos Viertakt-Verbrennungsmotor steht für den Beginn der Motorisierung und für Ablösung des Dampfmaschinenzeitalters. Der Motor erschloss völlig neue Einsatzfelder:
Die Ausbreitung des Motors und damit der Aufbau der Motorenindustrie beruhte einerseits auf der technischen Reife des Motors, andererseits auf seiner besonderen Eignung für bestimmte Zweige der Industrie und des Verkehrs. Es war kein Ersatz der Dampfmaschine, sondern eine Kraftmaschine eigener Art, die der Mechanisierung neue Gebiete erschloss. (in: Kraft für die Welt)
Das Zeitalter der Mechanisierung war angebrochen. Jahrzehnte später legten…