Von Ralf Keuper

Das ist schon irgend­wie bit­ter. Wäh­rend die Bit­co­in-Com­mu­ni­ty seit Jah­ren mit diver­sen Vor­ur­tei­len zu kämp­fen hat, die meis­ten Block­chain-Pro­jek­te über die PoC-Pha­se nicht hin­aus kom­men, die Ban­ken sich auf ihren Ver­trau­ens­vor­sprung in Sicher­heits- und Daten­schutz­fra­gen ver­las­sen konn­ten, die Fin­tech-Start­ups ihren Ruf als Bran­chen­schreck genos­sen und die Log­in-Alli­an­zen mit veri­fi­zier­ten Iden­ti­tä­ten und ein­fa­chen Anmel­de­pro­zes­sen punk­ten woll­ten, hat face­book ihre Plä­ne mit Libra und Cali­bra durch­kreuzt. Vor ihren Augen könn­te nun ein Öko­sys­tem aus Bezahl­ver­fah­ren, Iden­ti­fi­zie­rung, Finan­zie­rung und Kun­den­an­spra­che ent­ste­hen, das vie­len Geschäfts­mo­del­len und Pla­nun­gen der Ban­ken, Fin­tech-Start­ups und Block­chain-Initia­ti­ven die Grund­la­ge ent­zieht. Die Medi­en- und Wer­be­indus­trie muss sich dar­auf ein­stel­len, dass ihre als Gegen­maß­nah­men zur Über­macht von Goog­le und face­book gedach­ten Initia­ti­ven net­ID und AdAl­li­ance zu spät kom­men und auf ein­mal anti­quiert wirken.

Die face­book-Kri­ti­ker müs­sen nun mit anse­hen, wie der Daten­kon­zern in Sachen Daten- und Ver­brau­cher­schutz ihre For­de­run­gen nach mehr Daten­sou­ve­rä­ni­tät und Pri­vat­sphä­re wei­test­ge­hend umsetzt – jeden­falls gemes­sen an den Erwar­tun­gen von vor sechs Mona­ten. Die Ban­ken wer­den Zeu­gen, wie sich par­al­lel zu ihrer eige­nen Infra­struk­tur neue bil­den, die fast voll­stän­dig ohne Ban­ken aus­kom­men. Die Nut­zer kön­nen sich mit Libra pseu­do-anonym im Netz bewe­gen, so wie es Apple mit Sign with Apple mit­tels Weg­werf-Mail­adres­sen eben­falls anbie­tet. Unge­be­te­ne, ner­vi­ge Wer­bung und Track­ing sind damit aus­ge­schlos­sen. Die Teil­neh­mer an Libra bekom­men veri­fi­zier­te Digi­ta­le Iden­ti­tä­ten, wel­che die regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen, wie im Bereich Geld­wä­sche, erfül­len. ID-Lösun­gen von Ban­ken wer­den im facebook‑, Libra- und Cali­bra-Öko­sys­tem nicht benö­tigt. Alt sehen auch die Scha­ren von Bera­tern aus, die nun ihren Kun­den, den Ban­ken, erklä­ren müs­sen, wes­halb sie sel­ber, die Ban­ken, noch gebraucht wer­den und war­um sie wei­ter­hin ihr…