Von Ralf Keuper 

Der kana­di­sche Medi­en­theo­re­ti­ker Mar­shall McLuhan unter­schied in sei­nem Buch Die Magi­schen Kanä­le zwi­schen “hei­ßen” und “kal­ten” Medi­en. Hei­ße Medi­en sind nach McLuhan dadurch gekenn­zeich­net, dass sie vom Rezi­pi­en­ten kaum eige­nes Enga­ge­ment erfor­dern; er lässt sich sozu­sa­gen berie­seln. Hei­ße Medi­en waren für McLuhan der Kino­film, die Foto­gra­fie und der Hörfunk.

Kal­te Medi­en hin­ge­gen, zwin­gen den Rezi­pi­en­ten gera­de­zu zur Mit­wir­kung, wie das Telefon.

Heu­te müss­te man auch E‑Mails und Blogs wie über­haupt alle Sei­ten und Platt­for­men im Inter­net hin­zu­zäh­len, die den User dazu anre­gen, sich zu enga­gie­ren. Letz­te­res trifft u.a. auf das Crowd­sour­cing und die Gami­fi­ca­ti­on zu.

Im Ban­king ver­lie­ren die hei­ßen Medi­en seit eini­ger Zeit die Auf­merk­sam­keit der Kun­den. Sta­ti­sche Web­sei­ten, aber auch die klas­si­schen Filia­len sind nicht dazu ange­tan, das Enga­ge­ment der Kun­den in irgend­ei­ner Form anzu­re­gen. Sie die­nen bes­ten­falls noch der Information.

Im Gegen­satz dazu wächst die Nach­fra­ge nach Appli­ka­tio­nen, die den Kun­den zur Mit­wir­kung bzw. zum Mit­den­ken anre­gen, wie das auf Siri basie­ren­de Assis­tenz­sys­tem Tina der USAA Bank – eher ein kal­tes Medium.

Haupt­trei­ber für den Bedeu­tungs­zu­wachs der Medi­en in den moder­nen Gesell­schaf­ten war für McLuhan die Elek­tri­zi­tät. Sie erst hat es ermög­licht, zen­tra­le Struk­tu­ren durch dezen­tra­le zu erset­zen. Er schreibt:

Die Elek­tri­zi­tät zen­tra­li­siert nicht, sie dezen­tra­li­siert. Es ist das wie der Unter­schied zwi­schen einem Eisen­bahn­netz und einem elek­tri­schen Git­ter­netz: Das eine macht Kopf­bahn­hö­fe und gro­ße Städ­te­zen­tren erfor­der­lich. Die elek­tri­sche Ener­gie, die dem Bau­ern­hof wie dem Ver­wal­tungs­bü­ros in glei­cher Wei­se zur Ver­fü­gung gestellt wird, macht es mög­lich, dass jeder Ort zum Zen­trum wird, und ver­langt kei­ne mas­si­ven Anhäufungen.

Der­zeit rich­ten sich gro­ße Erwar­tun­gen an die digi­ta­len Wäh­run­gen, die u.a. mit ihrer Dezen­tra­li­tät werben.

Wei­ter­hin schreibt McLuhan, dass die durch die Elek­tri­zi­tät her­vor­ge­brach­ten Medi­en die Auf­ga­be über­nom­men haben, das Zen­tral­ner­ven­sys­tem des Men­schen nach­zu­bil­den. McLuhan sprach in dem Zusam­men­hang auch von Selbst­am­pu­ta­ti­on bzw. Betäubung:

Wir müs­sen unser Zen­tral­ner­ven­sys­tem betäu­ben, wenn es erwei­tert oder expo­niert wird, oder wir gehen zugrun­de.  .. Mit unse­rem sys­te­ma­tisch betäub­ten Zen­tral­ner­ven­sys­tem wird die Auf­ga­be des bewuss­ten Erfas­sens und Ord­nens auf das phy­si­sche Leben des Men­schen über­tra­gen, so dass er zum ersten­mal die Tech­nik als Aus­wei­tung sei­nes natür­li­chen Kör­pers erlebt. .. Im Zeit­al­ter der Ele­kri­zi­tät wird die gan­ze Mensch­heit zu unse­rer Haut.

Die Bestre­bun­gen, Goog­le Glass oder Smart Wat­ches (Weara­bles) für das Ban­king frucht­bar zu machen, las­sen sich hier­un­ter einordnen.

McLuhan‘s revo­lu­tio­nä­re und in wei­ten Tei­le auch pro­phe­ti­sche Aus­sa­gen, waren und sind nicht unum­strit­ten. Der von ihm vor­her­ge­sag­te Nie­der­gang des Buches ist (noch) nicht ein­ge­tre­ten; auch wenn das E‑Book gro­ßen Zuspruch hat. Inso­fern hat sich – bis­her jeden­falls – das Rie­plsche Gesetz als zutref­fend erwie­sen, wonach ein neu­es Medi­um ein altes nie voll­stän­dig erset­zen, son­dern “nur” ergän­zen könne.

Über­tra­gen auf das Ban­king wür­de das u.a. bedeu­ten, dass die Filia­len nicht voll­stän­dig ver­schwin­den wer­den und auch das Bar­geld nicht völ­lig vom elek­tro­ni­schen Geld abge­löst wird.

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