Getting your Trinity Audio player ready...

Der Bei­trag Neue Per­spek­ti­ven auf die Spar­kas­sen der DDR – Ein Über­blick über Quel­len­be­stän­de und For­schungs­fel­der von Dr. Gun­nar Take stellt eine umfas­sen­de Ana­ly­se des Spar­kas­sen­we­sens in der SBZ/​DDR dar. Dar­in iden­ti­fi­ziert er signi­fi­kan­te For­schungs­lü­cken sowie reich­hal­ti­ge, bis­her kaum genutz­te Quel­len­be­stän­de. Take argu­men­tiert, dass die Spar­kas­sen der DDR, weit über ihre rein finan­zi­el­le Funk­ti­on hin­aus, als inter­es­san­te Zwi­schen­or­ga­ni­sa­tio­nen im sozia­lis­ti­schen Sys­tem fun­gier­ten und bis­her von der For­schung zu wenig beach­tet wurden.

Der Arti­kel glie­dert sich in drei Haupt­tei­le: Ein­lei­tung, For­schungs­per­spek­ti­ven und Quellenlage.

I. Ein­lei­tung: Take kon­sta­tiert eine For­schungs­lü­cke der letz­ten 25 Jah­re bezüg­lich des sozia­lis­ti­schen Bank­we­sens und der Spar­kas­sen der DDR. Bis­he­ri­ge Dar­stel­lun­gen kon­zen­trier­ten sich meist auf den Devi­sen­man­gel und den Kauf­kraft­über­hang. Der Arti­kel zielt dar­auf ab, das bis­he­ri­ge, oft defi­zi­tä­re Nar­ra­tiv des Schei­terns der DDR-Wirt­schaft zu kor­ri­gie­ren und die Spar­kas­sen in ihrem his­to­ri­schen Kon­text dif­fe­ren­zier­ter zu betrach­ten. Die ver­bes­ser­te Zugäng­lich­keit von Archiv­ma­te­ri­al und die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Spar­kas­sen­ar­chi­ve ermög­li­chen nun eine neue Per­spek­ti­ve. Die Stu­die selbst glie­dert sich in drei Tei­le: Ein­lei­tung, For­schungs­per­spek­ti­ven und Quel­len- und Literaturverzeichnis.

II. For­schungs­per­spek­ti­ven: Die­ser Teil bil­det den Kern des Arti­kels und prä­sen­tiert sechs zen­tra­le Forschungsfelder:

  1. Per­so­nal und Orga­ni­sa­ti­on: Take unter­sucht die Per­so­nal­po­li­tik der Spar­kas­sen, begin­nend mit der Ent­na­zi­fi­zie­rung, der fol­gen­den Gegen- und Ent­po­li­ti­sie­rung. Er ana­ly­siert die Aus- und Wei­ter­bil­dung, den hohen Frau­en­an­teil in der Beleg­schaft und die Rol­le der Spar­kas­sen als Arbeit­ge­ber im sozia­lis­ti­schen Kon­text. Die “Gegen­po­li­ti­sie­rung” in den frü­hen 1950er Jah­ren und der spä­te­re Rück­gang der SED-Mit­glied­schaft wer­den dis­ku­tiert, eben­so wie die Rol­le der Spar­kas­sen bei der Sys­tem­sta­bi­li­sie­rung und im Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess 198990. Die hohe Fluk­tua­ti­on der Mit­ar­bei­ter wird als wei­te­rer wich­ti­ger Aspekt beleuchtet.
  2. Spar­kas­sen und Unrechts­re­gime: Die­ser Abschnitt kon­zen­triert sich auf die Rol­le der Spar­kas­sen im Kon­text des Unrechts­re­gimes der DDR. Die sys­te­ma­ti­sche Ent­eig­nung von “Repu­blik­flücht­lin­gen”, der Raub im Rah­men der “Akti­on Licht” und die gehei­me MfS-Spar­kas­se wer­den als Bei­spie­le für die Ver­flech­tung von Spar­kas­sen und staat­li­cher Repres­si­on ana­ly­siert. Die Ver­let­zung des Bank­ge­heim­nis­ses und die Zusam­men­ar­beit mit der Sta­si wer­den kri­tisch beleuchtet.
  3. Spa­ren und Hor­ten: Der Arti­kel ana­ly­siert die Bedeu­tung des Spa­rens in der DDR, die Spar­wer­bung der Spar­kas­sen und die damit ver­bun­de­ne Still­le­gung von Kauf­kraft. Die sozi­al-öko­no­mi­sche Struk­tur der Spa­rer wird unter­sucht, eben­so wie die Mög­lich­kei­ten des anony­men Spa­rens (Inha­ber­spar­bü­cher) und deren poli­ti­sche Implikationen.
  4. Kre­dit­ge­schäf­te: Take unter­sucht die Kre­dit­ver­ga­be­pra­xis der Spar­kas­sen, dif­fe­ren­ziert nach ver­schie­de­nen Pha­sen der DDR-Wirt­schafts­ge­schich­te und Kre­dit­ar­ten (Woh­nungs­bau, Kon­sum­kre­di­te, Intel­li­genz­kre­di­te, Kre­di­te an NS-Ver­folg­te, Ehe­kre­di­te, Son­der­kre­di­te). Er ana­ly­siert die Rol­le der Spar­kas­sen bei der Finan­zie­rung des Woh­nungs­baus und die staat­li­che Steue­rung der Kre­dit­ver­ga­be. Der Arti­kel beleuch­tet auch die Hand­lungs­räu­me der Spar­kas­sen und die Kon­flik­te mit den staat­li­chen Kontrollinstanzen.
  5. Inter­na­tio­na­le Kon­takt­zo­nen und Ver­glei­che: Die­ser Abschnitt wid­met sich den inter­na­tio­na­len Kon­tak­ten der DDR-Spar­kas­sen mit ande­ren sozia­lis­ti­schen Län­dern und dem “Nicht­so­zia­lis­ti­schen Wirt­schafts­ge­biet”. Der Aus­tausch mit ande­ren RGW-Län­dern und die Zusam­men­ar­beit mit west­deut­schen Spar­kas­sen nach der Wen­de wer­den analysiert.
  6. Selbst­dar­stel­lung und Devi­anz: Der Arti­kel unter­sucht die Selbst­dar­stel­lung der Spar­kas­sen in Fest­schrif­ten und ande­ren Publi­ka­tio­nen, und ana­ly­siert abwei­chen­des Ver­hal­ten von Ange­stell­ten und Kun­den (Unter­schla­gun­gen, Betrug, etc.). Die “pro­duk­ti­ve Devi­anz” als Mit­tel zur Bewäl­ti­gung von Plan­vor­ga­ben wird diskutiert.

III. Quel­len und Lite­ra­tur: Der letz­te Teil bie­tet eine detail­lier­te Über­sicht über die rele­van­ten Archiv­be­stän­de (Spar­kas­sen­ver­bän­de, Spar­kas­sen selbst, Bun­des­ar­chiv, Lan­des­ar­chi­ve, Kom­mu­nal­ar­chi­ve, Wirt­schafts­ar­chi­ve), Hand­bü­cher und Peri­odi­ka sowie eine umfang­rei­che Biblio­gra­phie. Die Quel­len­la­ge wird als ins­ge­samt sehr gut ein­ge­schätzt, wenn­gleich die Erschlie­ßung der Bestän­de in vie­len Archi­ven noch ver­bes­sert wer­den kann.

Zusam­men­fas­send lässt sich sagen, dass Takes Arti­kel eine wich­ti­ge Grund­la­ge für zukünf­ti­ge For­schun­gen zum Spar­kas­sen­we­sen in der DDR lie­fert. Er iden­ti­fi­ziert zahl­rei­che For­schungs­lü­cken und zeigt auf, wie die bis­her kaum genutz­ten Archiv­be­stän­de ein dif­fe­ren­zier­te­res und nuan­cier­te­res Bild der DDR-Wirt­schaft und ‑Gesell­schaft ermög­li­chen kön­nen. Die Arbeit betont die Not­wen­dig­keit einer inter­dis­zi­pli­nä­ren Her­an­ge­hens­wei­se, die öko­no­mi­sche, sozia­le und poli­ti­sche Aspek­te in den Blick nimmt.