Von Ralf Keuper

Das Geld ist als Tausch- und Zah­lungs­mit­tel in moder­nen Gesell­schaf­ten nicht mehr weg­zu­den­ken. In gewis­ser Hin­sicht ist es der Kitt, der die Gesell­schaft zusam­men­hält. Tal­cott Par­sons bringt die­se Sym­bio­se auf den Punkt, wenn er schreibt:

Die Dif­fe­ren­zie­rung auto­no­mer Struk­tu­ren erfor­dert die Ent­wick­lung eines ver­all­ge­mei­ner­ten Zah­lungs­mit­tels in Ver­bin­dung mit einem Markt­sys­tem. Geld und Märk­te funk­tio­nie­ren dort, wo Arbeits­tei­lung genü­gend kom­plex aus­ge­prägt ist und die Hand­lungs­be­rei­che in aus­rei­chen­dem Maße von poli­ti­schen, gemein­schaft­li­chen oder mora­li­schen Gebo­ten dif­fe­ren­ziert sind. (in: Das Sys­tem moder­ner Gesellschaften)

Noch immer herrscht Unklar­heit über die genau­en Ursprün­ge des Gel­des, wie Wolf­ram Wei­mer in sei­nen Buch Geschich­te des Gel­des schreibt:

So alt wie das Geld ist der Streit um sei­ne Anfän­ge. .. In Wahr­heit weiss man weder war­um, noch wann, wo und wie Geld auf die Erde kam. Man weiss nur, dass Geld in vor­his­to­ri­scher Zeit schon sehr vie­le Gesich­ter hat­te: Kühe und Käse, Per­len und Pel­ze, Muscheln und Metal­le, Waf­fen und Wei­ber, Salz und Sklaven.

Der Wech­sel von den pri­mi­ti­ven Sach-Geld­for­men zum Metall­geld war ein Pro­zess von Jahr­tau­sen­den. Lang­sam aber sicher ver­dräng­ten die Metal­le Gold, Sil­ber, Kup­fer und die Legie­run­gen alle ande­ren Geldformen.

Inzwi­schen hat das Buch­geld dem Münz­geld den Rang abge­lau­fen. Ins­ge­samt wird das Geld in sei­ner Form immer abs­trak­ter, unstoff­li­cher. Eine Ent­wick­lung, die Volk­mar Muthe­si­us zu der Ein­schät­zung veranlasste:

Dem­nächst wer­den wir es viel­leicht erle­ben, dass das Buch­geld in sei­ner heu­ti­gen Form sei­ner­seits gewis­ser­ma­ßen abstirbt und ersetzt wird durch Daten­spei­cher, durch elek­tro­ni­sche Vor­gän­ge in Spei­cher­ge­rä­ten, womit ein wei­te­res Sta­di­um der Ent­stoff­li­chung, also einer spe­zi­el­len Art von Abs­trak­ti­on sich voll­zie­hen wird – wer ver­möch­te zu sagen, ob es das letz­te sein wird? (in: 100 Jah­re Com­merz­bank – Festschrift)

An die­sem Über­gangs­punkt befin­den wir uns heu­te – Stich­wort: Digi­ta­le Wäh­run­gen, oder wie sie auch häu­fig gen­n­ant wer­den: Cryp­to- und/​oder Vir­tu­el­le Wäh­run­gen. Wenn­gleich Bit­co­in der pro­mi­nen­tes­te Ver­tre­ter die­ser neu­en Geld‑, Wäh­rungs- oder Anla­ge­form ist, sind in den letz­ten Jah­ren neue Able­ger hin­zu­ge­kom­men. Die­se Ent­wick­lung, die­ser Trend hält unver­min­dert an. Lang­sam wird es unübersichtlich.

In sei­ner Bespre­chung des Buches Wild­cat Cur­ren­cy, das gera­de erschie­nen ist, bringt John Naug­thon wei­te­re Bei­spie­le neu­ar­ti­ger Tausch- und Zahlungsmittel.

Die Anthro­po­lo­gie berich­tet davon, dass die meis­ten öko­no­mi­schen Trans­ak­ti­on auch von For­men des sozia­len Aus­tauschs beglei­tet wer­den. Ein Klas­si­ker aus die­ser For­schungs­rich­tung ist Die Gabe von Mar­cel Mauss. Spä­ter hat dann Pierre Bour­dieu auf die Bedeu­tung des Sym­bo­li­schen Kapi­tals als Kre­dit­form hingewiesen.

Par­al­lel zu den genann­ten Ent­wick­lun­gen wer­ben Anhän­ger alter­na­ti­ver Wäh­run­gen, wie Regio­nal­geld, um Zuspruch. Ein Vor­rei­ter auf die­sem Gebiet ist die WIR Bank aus der Schweiz. Einen Ein­blick in die­se Strö­mun­gen gibt das Buch von Chris­ti­ne Kol­ler und Mar­kus Sei­del mit dem bezeich­nen­den Titel Geld war ges­tern.

Als wäre es damit noch nicht genug, wird neu­er­dings der Wert der (pri­va­ten) Daten im Zeit­al­ter des Infor­ma­ti­ons­ka­pi­ta­lis­mus eif­rig dis­ku­tiert. Nach Ansicht von Innotribe/​Swift schlum­mert hier für die Ban­ken hohes Geschäfts­po­ten­ti­al, wie der Bei­trag Digi­tal Asset Grid – On The Edge Of A Par­digm Shift erläutert.

Alles in allem deu­tet der­zeit viel dar­auf hin, dass das Geld, wie schon so oft in der Ver­gan­gen­heit, dabei ist sich zu wan­deln. Davon betrof­fen sind in beson­de­rer Wei­se die Ban­ken, deren Geschäfts­mo­dell auf den “tra­dier­ten” For­men des Gel­des basiert. Die neu­en Her­aus­for­de­rer wit­tern hier, nicht zu Unrecht, eine wei­te­re Mög­lich­keit, in das Kern­ge­schäft der Ban­ken vor­zu­drin­gen, es, im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes, zu unter­mi­nie­ren. Jeden­falls eine wei­te­re Angriffs­flä­che. So viel steht fest: Die Her­aus­for­de­rer wer­den hier nicht mehr locker las­sen – dafür ist der Markt zu lukra­tiv und die Mög­lich­kei­ten mit­tels neu­er Tech­no­lo­gien und Geschäfts­mo­del­len dar­an zu par­ti­zi­pie­ren so güns­tig wie wohl nie zuvor.

Ein wei­te­res Indiz für einen Stil­wan­del im Banking.

Wel­che Rol­le wol­len bzw. kön­nen die (klas­si­schen) Ban­ken in Zukunft noch spielen?

Wei­te­re Informationen:

Prepa­re For The Rebran­ding Of Money

Digi­tal vs. Vir­tu­al Currencies

Paper Know­ledge. Toward a Media Histo­ry of Documents

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