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Die größte Ironie der Digitalisierung? Während Banken in der Transformation verzweifeln, inszenieren sich IT-Berater als Architekten des Fortschritts. Die Realität: Beratungsindustrie und Outsourcing haben das Innovationsproblem der Banken nicht gelöst – sondern verschärft. Sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung.
Die Innovationsfalle
Seit Jahren machen Beratungsfirmen den Banken hehre Versprechen: Cloud, KI, agile Methoden – die Schlagwörter wechseln, das Ergebnis bleibt gleich. Nicht Innovation, sondern Illusion dominiert: Hätten die Beratungen geliefert, gäbe es weder das rasante Fintech-Wachstum noch die Dominanz von BigTechs. Was bleibt, sind Beraterpräsentationen, Buzzwords und das Gefühl, dass man irgendwie immer auf der Stelle tritt.
Bodyleasing und Status Quo
Die Schraube dreht sich weiter: Beratungen verkaufen Zeit, keine Lösungen. „Bodyleasing“ heißt das Zauberwort – für bis zu 1.800 Euro am Tag werden austauschbare Ressourcen versprochen, Expertise oder nachhaltige Wertschöpfung bleibt Mangelware. Berater kommen und gehen, kaum jemand kennt die Branche im Kern. Viele Firmen haben den deutschen Markt nie verlassen, international zählt ihre Stimme wenig. Das Ergebnis: hohe Kosten, keine Substanz.
Die Outsourcing-Falle – Abhängigkeit statt Fortschritt
Banken haben ihre eigenen IT-Fähigkeiten auf dem Altar der Effizienz geopfert – und sich in ewige Abhängigkeit verkauft. Verträge mit IBM, Accenture & Co. sind heute ebenso fest wie innovationshemmend. Kommen neue Herausforderungen, folgen weitere Beratungsrunden, PowerPoint-Schlachten und leere Versprechen.
Pluralistische Ignoranz: Beratungen als Euphemismus-Komplizen
„Pluralistische Ignoranz“ – Karl Weick beschreibt es treffend für eine Branche, die lieber wegsieht als zu hinterfragen. Beratungen bestärken Banken in alten Denkmustern, weil es bequem ist und den Auftrag sichert. Innovation wird nachgestellt, Status quo fortgeschrieben.
Großprojekte – Großes Scheitern
Wie problematisch die Rolle der IT-Dienstleister ist, zeigt die hohe Zahl gescheiterter IT-Großprojekte im Bankenwesen – allen voran beim Austausch von Kernbankensystemen. Diese Systeme sind das Herz jeder Bank, doch fast jedes Modernisierungsprojekt endet in massiven Budgetüberschreitungen, jahrelangen Verzögerungen oder vollständigen Abbrüchen.
Der gescheiterte Milliardenversuch der Commerzbank oder die Pannenserie bei der TSB Bank in Großbritannien sind prominente Beispiele. Bemerkenswert: IT-Beratungen waren in all diesen Projekten federführend beteiligt. Die Erfolgsbilanz spricht für sich – und entlarvt die Beratungsbranche als Teil des Problems, nicht der Lösung.
Fallbeispiel: Die apoBank
Ein besonders illustratives Beispiel ist die apoBank. Ende Mai 2020 stellte sie ihr Kernbanksystem auf die Avaloq Banking Suite um – nach jahrelanger Vorbereitung, aufwendigen Auswahlverfahren und zweistelligen Millionenbeträgen an Vorleistungen.
Doch der Umstieg geriet zum Desaster:
- Kunden konnten zeitweise nicht auf Online-Banking zugreifen.
- Funktionen liefen über Wochen nicht wie erwartet, Schnittstellen und zentrale Kundensicht waren gestört.
- Interne Warnungen wurden laut Berichten ignoriert, externe Beratungen waren intensiv eingebunden.
Die Folgen waren gravierend: finanzielle Zusatzkosten, massiver Reputationsschaden und ein Vertrauensverlust bei den Kunden. Dieser Fall zeigt, dass nicht technische Schwierigkeiten allein ausschlaggebend sind – sondern auch Beratungsstrukturen und die Abhängigkeit von externen Dienstleistern, die eher Prozesse durchziehen als Risiken wirklich adressieren.
KI als Brandbeschleuniger
Doch die Analyse wird noch schärfer durch die Verbreitung künstlicher Intelligenz: KI ist der Brandbeschleuniger für eine Branche, die sich zu lang auf das Surfen durch Buzzwords verlassen hat. Was IT-Berater heute noch als exklusive Kernkompetenz verkaufen – Routine, Reporting, Datenanalyse – erledigen KI-Systeme künftig im Handumdrehen, präziser und günstiger.
Die große Zeitenwende steht bevor: Oberflächliches Wissen und das schnelle Durchblättern von Handbüchern reichen nicht mehr aus, um als Experte zu gelten. Wer Technologie wirklich beherrschen will, braucht tiefes Praxis-Know-how – alles andere fällt als bloße Fassade schneller denn je auf. Unternehmen holen durch KI und interne Weiterbildung massiv auf; die alten Wissensmonopole der Beratungen brechen zusammen.
In einer Branche, die verzweifelt versucht, den „menschlichen Faktor“ zu inszenieren, schmilzt der reale Leistungsunterschied auf ein Minimum zusammen. Die Beratungen werden austauschbarer, preisgetriebener – und jeder Anbieter, der weiter nur Buzzwords recycelt, steht mit einem Bein bereits am Abgrund der Bedeutungslosigkeit.
Strukturelle Erschöpfung auf beiden Seiten
Das ist die Quittung: Banken verlieren jede Eigenständigkeit bei Innovation – und brauchen externe Hilfe für jeden Schritt. Berater stecken selbst in der Falle; ihr Geschäftsmodell ist abhängig von einem Takt, den sie nicht mehr selbst gestalten können. Kommt die Rezession, sind beide die Leidtragenden.
Dreikampf mit BigTech – Beratungen verlieren auf ganzer Linie
Während Amazon, Google und Apple Technologie als Selbstverständlichkeit leben, sind klassische Beratungen bloße Vermittler geblieben – ohne eigene Produkte, ohne Vision. Hacker und Produktentwickler bei BigTech sind Innovationstreiber, Berater nur Dienstleister am Rande der Wertschöpfung.
Der radikale Ausweg – Paradigmenwechsel statt PowerPoint
Wenn Banken aus der Sackgasse kommen wollen, müssen sie endlich aus der Beratungsfalle aussteigen:
- Technologie wieder zur eigenen Stärke machen
- Expertenpools statt Großverträge
- Weniger Schlagworte, mehr echte Tiefe und Spezialisierung
- Kollaboration mit echten Tech-Innovatoren statt reiner Ressourcenschieberei
- Ernsthafte Projektkultur, Prototypen statt Big Bang und PowerPoint
Nur so werden Banken wieder zu Gestaltern statt Getriebenen. Beratungen können Brückenbauer werden—falls sie den Mut aufbringen, ihre Rolle wirklich zu verändern. Sonst bleibt alles, wie es ist: teuer, austauschbar, innovationsarm.
Quellen:
New Banking: Auch die Beratungshäuser müssen sich wandeln
IT-Dienstleister und ‑Beratungshäuser im Banking: Allzu oft das Problem und nicht die Lösung
New Banking und die Rolle der Beratungshäuser
Die zahlreichen Tücken beim Austausch eines Kernbankensystems – Beispiel apoBank