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Mark Spitz­na­gel pro­phe­zeit einen 80-Pro­zent-Crash, Paul Tudor Jones sieht eine grö­ße­re Bla­se als 1999, selbst die Bank of Eng­land warnt vor schar­fen Kor­rek­tu­ren. Sel­ten waren sich so vie­le pro­mi­nen­te Stim­men einig: Die Märk­te ste­hen vor dem Abgrund. Doch was steckt wirk­lich hin­ter die­sem Chor der Unter­gangs­pro­phe­ten? Eine kri­ti­sche Betrach­tung zwi­schen berech­tig­ter Sor­ge und gefähr­li­cher Panikmache.


Der per­fek­te Sturm der Warnungen

Es sind Momen­te wie die­se, die Anle­ger nachts wach­hal­ten. Wenn Mark Spitz­na­gel, der Meis­ter der Crash-Absi­che­rung, von einem „80-Pro­zent-Ein­bruch” spricht, hor­chen selbst abge­brüh­te Pro­fis auf. Wenn Paul Tudor Jones, eine leben­de Legen­de des Tra­dings, die heu­ti­ge Situa­ti­on als explo­si­ver bezeich­net als die Dot­com-Bla­se von 1999, läuft es einem kalt den Rücken her­un­ter. Und wenn Jeff Bezos von einer „indus­tri­el­len Bla­se” warnt, Jero­me Powell Akti­en als „ziem­lich hoch bewer­tet” cha­rak­te­ri­siert und die Bank of Eng­land vor stei­gen­den Kor­rek­tur­ri­si­ken mahnt, scheint die Sache klar: Der Crash kommt.

Doch so ein­fach ist es nicht. Denn hin­ter die­ser orches­tra­len Sym­pho­nie der Skep­sis ver­ber­gen sich Nuan­cen, Inter­es­sen­kon­flik­te und his­to­ri­sche Lek­tio­nen, die eine dif­fe­ren­zier­te­re Betrach­tung erfordern.

Die Ana­to­mie der Angst

Zunächst: Die­se War­nun­gen sind nicht aus der Luft gegrif­fen. Die Bewer­tun­gen vie­ler Akti­en, ins­be­son­de­re im Tech­no­lo­gie­sek­tor, bewe­gen sich in Sphä­ren, die his­to­risch oft Vor­bo­ten schar­fer Kor­rek­tu­ren waren. Das Kurs-Gewinn-Ver­hält­nis des S&P 500 liegt deut­lich über dem lang­fris­ti­gen Durch­schnitt. Die Kon­zen­tra­ti­on auf weni­ge Mega-Caps erin­nert tat­säch­lich an struk­tu­rel­le Schwä­chen frü­he­rer Bla­sen. Und die geo­po­li­ti­schen Risi­ken von Tai­wan bis zum Nahen Osten bil­den ein Pul­ver­fass, das jeder­zeit explo­die­ren könnte.

Doch War­nun­gen haben ihre eige­ne Öko­no­mie. Mark Spitz­na­gel ist nicht irgend­ein besorg­ter Beob­ach­ter – er ist der Grün­der von Uni­ver­sa Invest­ments, einem Fonds, der expli­zit dar­auf aus­ge­legt ist, von Markt­crashs zu pro­fi­tie­ren. Sei­ne öffent­li­chen War­nun­gen sind zugleich sein Geschäfts­mo­dell. Das macht sie nicht falsch, aber es macht sie inter­es­sen­ge­lei­tet. Ähn­lich ver­hält es sich mit vie­len pro­mi­nen­ten Bären: Sie haben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Mil­li­ar­den an ent­gan­ge­nen Gewin­nen hin­neh­men müs­sen, weil sie zu früh, zu laut und zu lan­ge vor Cra­s­hes warn­ten, die nicht kamen.

Die ver­ges­se­nen Unterschiede

Was oft in der Crashr­he­to­rik unter­geht, sind die fun­da­men­ta­len Unter­schie­de zur Dot­com-Ära oder der Finanz­kri­se. Im Jahr 1999 hat­ten Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men astro­no­mi­sche Bewer­tun­gen bei mini­ma­len oder nicht exis­ten­ten Gewin­nen. Heu­te erwirt­schaf­ten die Tech-Gigan­ten mas­si­ve, rea­le Cash­flows. Apple, Micro­soft, Alpha­bet und Meta gehö­ren zu den pro­fi­ta­bels­ten Unter­neh­men der Mensch­heits­ge­schich­te. Die KI-Inves­ti­tio­nen mögen spe­ku­la­tiv erschei­nen, basie­ren aber auf rea­ler, mess­ba­rer Infra­struk­tur und Anwendungen.

Die Ver­schul­dungs­gra­de von Unter­neh­men und Haus­hal­ten sind heu­te nied­ri­ger als 2007. Die Regu­lie­rung des Finanz­sys­tems ist, trotz aller Schwä­chen, robus­ter. Und struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen wie der Auf­stieg pas­si­ver Invest­ments, sys­te­ma­ti­sche Unter­neh­mens­rück­käu­fe und die Diver­si­fi­ka­ti­on glo­ba­ler Port­fo­li­os schaf­fen Dämp­fungs­me­cha­nis­men, die frü­her nicht existierten.

Das bedeu­tet nicht, dass ein Crash unmög­lich ist. Es bedeu­tet, dass die Wahr­schein­lich­keit eines 80-Pro­zent-Ein­bruchs eine sys­te­mi­sche Kata­stro­phe vor­aus­set­zen wür­de – einen Zusam­men­bruch des Finanz­sys­tems, einen Welt­krieg oder eine ver­gleich­ba­re Zäsur. Mög­lich? Ja. Wahr­schein­lich? Das ist eine ande­re Frage.

Die Psy­cho­lo­gie des Timings

Hier offen­bart sich das zen­tra­le Dilem­ma jeder Crash-Pro­phe­zei­ung: das Timing. Märk­te kön­nen län­ger irra­tio­nal blei­ben, als man selbst sol­vent bleibt, wie Keynes tref­fend bemerk­te. Die japa­ni­sche Bla­se platz­te 1989 – aber sie hät­te auch schon 1986 plat­zen kön­nen, oder 1987. Wer damals aus Angst aus­stieg, ver­pass­te Jah­re spek­ta­ku­lä­rer Gewin­ne. Wer 2018 vor der „über­be­wer­te­ten” Tech-Bla­se warn­te, lag fak­tisch rich­tig – und ver­lor den­noch die fol­gen­den Jah­re gegen den Markt.

Die größ­ten Feh­ler pas­sie­ren nicht im Crash selbst, son­dern an sei­nen Rän­dern: beim Panik­ver­kauf am Tief­punkt, wenn die Angst am größ­ten ist. Beim Ver­pas­sen der Erho­lung, weil man glaubt, es müs­se noch tie­fer gehen. Beim voll­stän­di­gen Aus­stei­gen aus Angst, nur um zuzu­se­hen, wie der Markt weitersteigt.

Die ver­nünf­ti­ge Reaktion

Was also tun? Die Ant­wort liegt nicht in binä­ren Ent­schei­dun­gen – alles ver­kau­fen oder alles igno­rie­ren – son­dern in intel­li­gen­ter Risikoarchitektur.

Anle­ger könn­ten erwä­gen, Posi­ti­ons­grö­ßen zu über­den­ken, von spe­ku­la­ti­ven Titeln zu qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge­ren Unter­neh­men umzu­schich­ten oder geo­gra­fi­sche Diver­si­fi­ka­ti­on zu prü­fen. Man­che bau­en Cash-Reser­ven auf, ande­re nut­zen Absi­che­rungs­stra­te­gien. Die kon­kre­ten Maß­nah­men hän­gen von der indi­vi­du­el­len Situa­ti­on, dem Anla­ge­ho­ri­zont und der per­sön­li­chen Risi­ko­be­reit­schaft ab.

Zen­tral erscheint: einen durch­dach­ten Plan für ver­schie­de­ne Sze­na­ri­en zu ent­wi­ckeln, um nicht emo­tio­nal getrie­ben han­deln zu müs­sen, wenn die Vola­ti­li­tät zuschlägt. Pro­fes­sio­nel­le Bera­tung kann hel­fen, die eige­ne Situa­ti­on rea­lis­tisch einzuschätzen.

Über­le­ben statt Vermeiden

Die War­nun­gen von Spitz­na­gel, Tudor Jones und ande­ren sind ernst zu neh­men – als Erin­ne­rung dar­an, dass Risi­ken real sind, dass Bewer­tun­gen Gren­zen haben, dass Gra­vi­ta­ti­on auch an Bör­sen exis­tiert. Aber sie sind kein Grund zur Panik. Eine 20- bis 30-pro­zen­ti­ge Kor­rek­tur ist jeder­zeit mög­lich und wäre sogar gesund für die lang­fris­ti­ge Marktdynamik.

Eine sinn­vol­le Anla­ge­stra­te­gie zielt nicht dar­auf ab, den Crash zu ver­mei­den – das wäre eine Illu­si­on. Sie soll­te dar­auf aus­ge­rich­tet sein, ihn zu über­le­ben und lang­fris­tig hand­lungs­fä­hig zu blei­ben. Denn die Geschich­te zeigt: Märk­te erho­len sich. Immer. Die Fra­ge ist nicht, ob man den nächs­ten Crash erle­ben wird. Die Fra­ge ist, ob man ihn so durch­steht, dass man die dar­auf­fol­gen­de Erho­lung noch nut­zen kann.

Zwi­schen War­nung und Hys­te­rie liegt der schma­le Pfad der Ver­nunft. Ihn zu gehen erfor­dert Dis­zi­plin, Demut und die Erkennt­nis, dass nie­mand – auch nicht die pro­mi­nen­tes­ten Pro­phe­ten – die Zukunft kennt. Aber alle kön­nen sich auf sie vorbereiten.

Dis­clai­mer: Die­ser Arti­kel stellt kei­ne Anla­ge­be­ra­tung dar und dient aus­schließ­lich zu Infor­ma­ti­ons­zwe­cken. Anla­ge­ent­schei­dun­gen soll­ten nur nach ein­ge­hen­der per­sön­li­cher Prü­fung und gege­be­nen­falls unter Hin­zu­zie­hung pro­fes­sio­nel­ler Bera­tung getrof­fen werden.


Quel­len:

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