Von Ralf Keuper
Der ökonomische Wert, die Bedeutung der Daten für den Informationskapitalismus (Frank Schirrmacher) wird von der Öffentlichkeit erstaunlicherweise noch immer unterschätzt. Daran hat auch die Diskussion um Snowden nach meinem Eindruck wenig geändert.
Der durch die Digitalisierung und Medialisierung ausgelöste Strukturwandel der Öffentlichkeit (Habermas) verläuft noch weitgehend unterhalb der Oberfläche.
Die Themen Data/Digital Assets, Datenschutz, Informationelle Selbstbestimmung werden m.E. zu den großen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen der Zukunft gehören.
Big Data ist meiner Ansicht nach nur der vorläufige Höhepunkt eines Prozesses, den Daniel Bell in seinem Klassiker Die nachindustrielle Gesellschaft beschrieben hat. Vor einiger Zeit habe ich mich auf diesem Blog in dem Beitrag Banking in der nachindustriellen Gesellschaft – Daniel Bell reloaded näher damit beschäftigt. Bell sprach darin auch von den “Intellektuellen Technologien”, die verstärkt Einzug in Wirtschaft und Gesellschaft haben werden. Watson, das Human Brain Projekt oder Future ICT geben davon einen Vorgeschmack. Da bleibt nur noch wenig Raum für die menschliche Intuition oder für das, was Gerd Gigerenzer und sein Forschungsteam, als “Smart Heuristics” bezeichnen. Ähnlich argumentiert Andreas Zeuch.
Wie weit der Glaube an die Berechenbarkeit der Welt gehen kann, zeigte Chris Anderson mit seinem Plädoyer The End of Theory. Das wäre Positivismus in Echtzeit – ein Rückschritt.
Bei der Begeisterung für die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Algorithmen gehen deren Grenzen und Defizite unter. Manchmal entsteht der Eindruck, dass an Algorithmen gewisse Heilserwartungen geknüpft sind. Das hat fast schon eine metaphysische Dimension. Hier wird allzu oft Korrelation mit Kausalität verwechselt, weshalb der Einsatz von Big Data im Risikomanagement mit Vorsicht zu bewerten ist. Dazu: Big Data im Risikomanagement nur von begrenztem Nutzen.
Das wirft die Frage nach der Kontrolle der Algorithmen auf. Wer könnte diese Rolle übernehmen? Eine Art TÜV oder eine Treuhandanstalt wie von Yvonne Hofstetter angeregt? Oder können diese Rolle nicht auch Banken als Trusted Service Anbieter ausfüllen?
Fügt man zur Liste der Bedrohungen dann noch Themen wie das Internet of Things und Robotik hinzu, treten neben den unbestreitbaren Chancen, auch die Risiken deutlicher hervor. Nicht ganz zu Unrecht fällt in dem Zusammenhang das Wort vom “Überwachungskapitalismus”.
Das führt m.E. zu der Frage: Wie kommunizieren wir künftig mit Technischen Objekten? Welche Rolle, welche Macht wollen wir technischen Objekten einräumen, gewähren? Welche Rolle spielen Technische Objekte wie Softwareagenten im Banking der Zukunft? Dazu: Die zentrale Rolle technischer Objekte im Medienwandel
Von Bedeutung in dem Zusammenhang ist auch die Frage, wie die Digitalen Währungen und die sie unterstützenden Technologien, wie die Blockchain, zu einem Wandel beitragen können. Können digitalen Währungen bewirken, dass die Menschen wieder an (Daten-) Souveränität zurückgewinnen? Das hätte weitreichende Konsequenzen für das Banking und die Rolle der Banken. Wie kann der Datenschutz daran angepasst werden, wie lassen sich die unterschiedlichen Datenschutz-Kulturen damit vereinbaren? Könnten Digitale Währungen vielleicht sogar der Transformationsmechanismus sein?
Zu den Feldern, auf denen der gezielte Einsatz von Big Data große Möglichkeiten bietet, zählen Compliance und die Entscheidungsunterstützung bei Kredit- und Anlageentscheidungen. Wichtige Impulse sind m.E. von der Verbreitung semantischer Methoden und Technologien zu erwarten. Aber auch hier gilt es, sich des systemischen Risikos bewusst zu sein: Wenn alle auf Basis derselben bzw. ähnlicher Algorithmen entscheiden, dann begehen auch alle irgendwann dieselben Fehler und verwechseln Ursache mit Wirkung. Auf Big Data – Technologien basierende Applikationen liefern letztlich nur ein Abbild der Wirklichkeit, eine Repräsentation, die zwangsläufig selektiv ist, ganz gleich, wieviele Datenpunkte bei der Entscheidung herangezogen werden. Es hat sich sogar mehr als einmal gezeigt, dass die Entscheidungsqualität mit zunehmender Information abnimmt.
Den größten Erfolg wird m.E. daher derjenige haben, der es versteht, Intuition, Erfahrung und regelbasiertes Vorgehen in eine Balance zu bringen. Ohne ein gewisses Maß an Unschärfe (Fuzzy) wird es auch künftig nicht gehen.
Eine andere Frage ist: Muss das Kartellrecht angesichts der wachsenden Macht der digitalen Ökosysteme angepasst werden oder liegt Peter Thiel richtig mit seiner Behauptung, dass Monopole in gewisser Hinsicht nützlich für die Gesellschaft sind?
Das alles sind Themen, die weit über das Banking hinaus gehen. Trotzdem wird sich gerade am Beispiel des Banking zeigen, wie eine Gesellschaft auf die Herausforderung von Big Data reagiert. Welche Denkmuster (Alfred Herrhausen) müssen wie an die neuen Realitäten angepasst werden?
Welche Chancen und Verantwortlichkeiten ergeben sich daraus für die Banken?