Von Ralf Keuper
Die Technik, die Technik – schon viele Philosophen haben sich darüber den Kopf zerbrochen und deutlich voneinander abweichende Haltungen eingenommen. Die kulturpessimistische Abteilung wurde und wird gelegentlich auch noch von Martin Heidegger und seinen Adepten, die zukunftsoptimistische dagegen von Ernst Cassirer, der vor allem durch seine Philosophie der Symbolischen Formen bekannt wurde, angeführt. Betont optimistisch angesichts der Möglichkeiten der Technik gab sich zeitlebens Karl R. Popper.
Seitdem hält die Diskussion an, wobei der Verlauf je nach Land verschieden ist. In den USA, wie überhaupt in den angelsächsisch geprägten Ländern, ist man der Technik bzw. Neuen Technologien gegenüber deutlich aufgeschlossener, als in Frankreich und zum Teil auch in Deutschland. Fast unvoreingenommen begegnen die asiatischen Länder dem technologischen Fortschritt, allen voran Japan und Korea sowie mittlerweile auch verstärkt in China, Vietnam, Malaysia und Indonesien.
Es würde den Rahmen eines Blogbeitrags deutlich sprengen, den Versuch zu unternehmen, auf die näheren Gründe hierfür einzugehen. Eine erste Annäherung ist jedoch über das Modell des Wirtschaftsstils, auf dem auch der Bankstil aufsetzt, möglich. Demnach hängt die Verbreitung neuer Technologien in einer Gesellschaft vom Zeitgeist, dem Rechts- und Bildungssystem, dem technologischen Stand der Volkswirtschaft, dem Konjunkturverlauf und der Offenheit der Gesellschaftsgruppen Neuerungen gegenüber (was keinesfalls nur auf technologische Innovationen zurückzuführen ist) ab. Jedes Land, jeder Kulturraum hat seinen eigenen Stil – so auch das Bankwesen.
Das Bankwesen ist eigentlich über alle Regionen hinweg konservativ geprägt, wenngleich es auch hier Abstufungen gibt. Das angelsächsische Bankmodell mit der herausragenden Stellung der Investmentbanken neigt mehr zum Risiko, als die kontinentaleuropäische Variante, was nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass das Risikomanagement auf dem europäischen Kontinent besser funktioniert als in den USA. Gleiches lässt sich auch von dem Verhältnis zu neuen Technologien feststellen. Auch hier sind die Unterschiede zwar vorhanden – so sind die Banken in Australien und Skandinavien technologisch innovativer ausgerichtet, als in einigen Ländern Europas – signifikant sind sie dennoch nicht. Fast alle sind von den FinTech-Startups und den Bestrebungen der großen Internetkonzerne, Teile des Bankgeschäfts zu übernehmen, auf dem falschen Fuss erwischt worden.
Die Technik und die ihr zugrunde liegende Philosophie haben sich so grundlegend gewandelt, dass die vertrauten Geschäftsmodelle der Banken nicht mehr (lange) funktionieren. Merkmal dafür ist die veränderte Mediennutzung der heranwachsenden Generationen. Banken sind in Anlehnung an die Medienphilosophie von Friedrich Kittler, inzwischen integraler Bestandteil im totalen Medienverbund auf Digitalbasis.
Die fortschreitende Digitalisierung, die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, die digitale Selbstvermessung (“Quantified Self”), “Big Data”, Digitale Währungen/Blockchain, Fragen des Datenschutzes und der Datenhoheit – das alles sind Entwicklungen, die mit dem herkömmlichen Verständnis dessen, was eine Bank ist, kaum noch kompatibel sind. Zwar existieren schon diverse Ansätze, um die beschriebene Transformation, vielleicht auch Revolution, philosophisch einzuordnen, wie in Die technologische Bedingung – Beiträge zur Beschreibung der technischen Welt – eine überzeugende Antwort, die nicht gleich wieder in einem Rückfall in Heideggerische “Denk-und Irrwege” münden oder Utopien à la Kurzweil folgen, fehlt nach wie vor.
Klar ist aber, dass die Banken, wie andere Institutionen der Wirtschaft und Gesellschaft auch, sich diesem tiefgreifenden Stilwandel evtl. auch Stilbruch, in Anlehnung an Kittler, nicht werden entziehen können. Davor schützen weder Regulierung noch Systemrelevanz.