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Soll­te eine fun­da­men­ta­le Kri­se der Euro­zo­ne die Sta­bi­li­tät des gemein­sa­men Wäh­rungs­raums gefähr­den, stün­de nicht nur der Euro selbst auf dem Spiel – auch das ambi­tio­nier­te Pro­jekt eines digi­ta­len Euro wür­de vor dem Aus ste­hen. Eine Ana­ly­se der sys­te­mi­schen Risi­ken für Euro­pas digi­ta­le Währungszukunft.


Die Euro­päi­sche Zen­tral­bank arbei­tet inten­siv an der Ent­wick­lung eines digi­ta­len Euro, der als Ergän­zung zum Bar­geld das euro­päi­sche Zah­lungs­sys­tem moder­ni­sie­ren soll. Doch was geschieht mit die­sem Vor­ha­ben, wenn die Grund­fes­ten der Euro­zo­ne selbst ins Wan­ken gera­ten? Die­se Fra­ge erhält durch jüngs­te Ent­wick­lun­gen in Frank­reich eine beun­ru­hi­gen­de Aktua­li­tät: Finanz­mi­nis­ter Eric Lom­bard räum­te in die­ser Woche ein, dass eine IWF-Inter­ven­ti­on “ein Risi­ko ist, das vor uns liegt”, soll­te die Min­der­heits­re­gie­rung von Pre­mier­mi­nis­ter Fran­çois Bay­rou stür­zen. Ein Sze­na­rio, in dem gro­ße Mit­glieds­staa­ten wie Frank­reich tat­säch­lich auf IWF-Unter­stüt­zung ange­wie­sen wären und Deutsch­land in eine wirt­schaft­li­che Schief­la­ge gerie­te, wür­de die gesam­te Archi­tek­tur des digi­ta­len Euro-Pro­jekts fun­da­men­tal in Fra­ge stellen.

Pro­jekt­ent­wick­lung unter Unsicherheit

Der digi­ta­le Euro durch­läuft gegen­wär­tig sei­ne kri­ti­sche Vor­be­rei­tungs­pha­se. Nach den bis­he­ri­gen Plä­nen der EZB soll eine end­gül­ti­ge Ent­schei­dung über die Ein­füh­rung nach Okto­ber 2025 fal­len. Die­se Zeit­pla­nung basiert jedoch auf der Annah­me eines sta­bi­len insti­tu­tio­nel­len Rah­mens und einer gefes­tig­ten Wäh­rungs­uni­on. Eine exis­ten­zi­el­le Kri­se der Euro­zo­ne wür­de die­se Grund­vor­aus­set­zun­gen eliminieren.

In einem sol­chen Kri­sen­sze­na­rio müss­te die EZB sämt­li­che Ent­wick­lungs­schrit­te pau­sie­ren oder grund­le­gend über­den­ken. Die tech­ni­sche Infra­struk­tur, recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen und insti­tu­tio­nel­len Mecha­nis­men, die für den digi­ta­len Euro kon­zi­piert wer­den, set­zen einen funk­ti­ons­fä­hi­gen und sta­bi­len Euro­raum vor­aus. Ohne die­se Basis wür­de das gesam­te Pro­jekt sei­nen kon­zep­tio­nel­len Unter­bau verlieren.

Finanz­sta­bi­li­tät als Achillesferse

Die Dis­kus­si­on um den digi­ta­len Euro ist bereits heu­te von Sor­gen um die Finanz­sta­bi­li­tät geprägt. Exper­ten war­nen vor dem Risi­ko mas­si­ver Kapi­tal­um­schich­tun­gen, bei denen Bür­ger ihre Bank­ein­la­gen in gro­ßem Umfang in digi­ta­le Euro umwan­deln könn­ten – ein Phä­no­men, das die Sta­bi­li­tät des tra­di­tio­nel­len Ban­ken­sys­tems bedro­hen würde.

In einer aku­ten Euro­zo­nen­kri­se wür­den sich die­se Risi­ken poten­zie­ren. Die Aus­sicht auf einen mög­li­chen Wäh­rungs­zer­fall könn­te Panik­ver­hal­ten aus­lö­sen, bei dem digi­ta­le Euro als ver­meint­lich siche­rer Hafen ange­se­hen wür­den. Para­do­xer­wei­se könn­te dies die Kri­se wei­ter ver­schär­fen und das Ban­ken­sys­tem zusätz­lich desta­bi­li­sie­ren. Die bereits geplan­ten Ober­gren­ze für digi­ta­le Euro-Gut­ha­ben und Kon­troll­me­cha­nis­men wären in einem sol­chen Extrem­sze­na­rio mög­li­cher­wei­se unzureichend.

Insti­tu­tio­nel­le und recht­li­che Fundamentalkrise

Der digi­ta­le Euro ist eng mit dem euro­päi­schen Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren und dem Ver­trau­en in die euro­päi­schen Insti­tu­tio­nen ver­knüpft. Sei­ne Ent­wick­lung und Imple­men­tie­rung erfor­dern koor­di­nier­te Anstren­gun­gen aller Euro­zo­ne-Mit­glie­der sowie eine funk­tio­nie­ren­de Rechts­ord­nung auf supra­na­tio­na­ler Ebene.

Ein dro­hen­der Zer­fall der Euro­zo­ne wür­de die­sen insti­tu­tio­nel­len Rah­men zer­bre­chen. Die recht­li­chen Grund­la­gen, auf denen der digi­ta­le Euro auf­baut, wür­den ihre Gül­tig­keit ver­lie­ren oder zumin­dest stark in Zwei­fel gezo­gen. Unter sol­chen Umstän­den wäre ent­we­der ein kom­plet­ter Pro­jekt­stopp oder ein grund­le­gen­der Neu­start unter völ­lig ver­än­der­ten poli­ti­schen Vor­zei­chen erforderlich.

Tech­no­lo­gi­sche Inves­ti­tio­nen im Risiko

Die Ent­wick­lung des digi­ta­len Euro erfor­dert erheb­li­che Inves­ti­tio­nen in tech­no­lo­gi­sche Infra­struk­tur, Cyber­si­cher­heit und Zah­lungs­sys­te­me. Die­se Aus­ga­ben sind nur dann gerecht­fer­tigt, wenn eine lang­fris­ti­ge Nut­zung der ent­wi­ckel­ten Sys­te­me gewähr­leis­tet ist.

Eine Euro­zo­nen­kri­se wür­de die­se Inves­ti­tio­nen gefähr­den. Bereits getä­tig­te Aus­ga­ben für For­schung, Ent­wick­lung und Pilot­pro­jek­te könn­ten sich als Fehl­in­ves­ti­ti­on erwei­sen. Zukünf­ti­ge Finan­zie­run­gen wür­den ein­ge­fro­ren oder umge­lei­tet, um aku­te­re Kri­sen­be­kämp­fung zu finanzieren.

Stra­te­gi­sche Neu­aus­rich­tung erforderlich

Die gegen­wär­ti­ge Kon­zep­ti­on des digi­ta­len Euro basiert auf der Visi­on eines inte­grier­ten euro­päi­schen Zah­lungs­raums, der die Sou­ve­rä­ni­tät der Euro­zo­ne gegen­über außer­eu­ro­päi­schen Zah­lungs­dienst­leis­tern stär­ken soll. Die­se stra­te­gi­sche Ziel­set­zung wür­de in einer fun­da­men­ta­len Wäh­rungs­kri­se ihre Rele­vanz verlieren.

Statt­des­sen müss­ten die euro­päi­schen Insti­tu­tio­nen ihre Prio­ri­tä­ten radi­kal neu ord­nen. Die Ret­tung der bestehen­den Wäh­rung hät­te zwangs­läu­fig Vor­rang vor der Ent­wick­lung ihrer digi­ta­len Vari­an­te. Res­sour­cen, die für den digi­ta­len Euro vor­ge­se­hen waren, wür­den für Kri­sen­maß­nah­men benötigt.

Fazit: Digi­ta­le Inno­va­ti­on erfor­dert Stabilität

Der digi­ta­le Euro steht und fällt mit der Sta­bi­li­tät der Euro­zo­ne. Sei­ne erfolg­rei­che Ein­füh­rung setzt ein Min­dest­maß an poli­ti­schem Ver­trau­en, wirt­schaft­li­cher Sta­bi­li­tät und insti­tu­tio­nel­ler Kon­ti­nui­tät vor­aus. Eine exis­ten­zi­el­le Kri­se der gemein­sa­men Wäh­rung wür­de die­se Vor­aus­set­zun­gen besei­ti­gen und das Pro­jekt ent­we­der auf unbe­stimm­te Zeit ver­ta­gen oder gänz­lich zum Erlie­gen bringen.

Die Iro­nie liegt dar­in, dass aus­ge­rech­net in einer Zeit, in der digi­ta­le Zah­lungs­mit­tel als Kri­sen­re­sis­tenz ange­prie­sen wer­den, eine fun­da­men­ta­le Wäh­rungs­kri­se die Ent­wick­lung einer digi­ta­len Wäh­rung ver­hin­dern könn­te. Dies unter­streicht, dass auch inno­va­ti­ve Finanz­in­stru­men­te letzt­lich auf sta­bi­len insti­tu­tio­nel­len und wirt­schaft­li­chen Fun­da­men­ten auf­bau­en müssen.

Für die wei­te­re Ent­wick­lung des digi­ta­len Euro bedeu­tet dies, dass die Wäh­rungs­sta­bi­li­tät der Euro­zo­ne nicht nur wün­schens­wert, son­dern exis­ten­zi­ell not­wen­dig ist. Ohne die­se Grund­la­ge bleibt die digi­ta­le Wäh­rung ein theo­re­ti­sches Kon­strukt ohne prak­ti­sche Umsetzungschance.