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Die Deut­sche Bank kün­digt erneut an, Euro­pas füh­ren­des Insti­tut wer­den zu wol­len. Die Geschich­te ihrer Trans­for­ma­ti­ons­ver­su­che und die Fra­ge nach nach­hal­ti­gen Kul­tur­ver­än­de­run­gen las­sen Zwei­fel an der Rea­li­sier­bar­keit der neu­er­li­chen Cham­pi­on-Rhe­to­rik aufkommen.


Chris­ti­an Sewing hat ein ambi­tio­nier­tes Ziel for­mu­liert: Die Deut­sche Bank sol­le zum euro­päi­schen Cham­pi­on wer­den. Bis 2028 soll die Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te auf über 13 Pro­zent stei­gen, die Erträ­ge um fünf Mil­li­ar­den wach­sen, die Kos­ten um zwei Mil­li­ar­den sin­ken. Künst­li­che Intel­li­genz, so die beglei­ten­de Ankün­di­gung, wer­de dabei eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Es ist nicht das ers­te Mal, dass das Insti­tut umfas­sen­de Trans­for­ma­ti­ons­zie­le ver­kün­det. Die Fra­ge ist, ob die Umset­zung dies­mal gelin­gen kann – und wel­che struk­tu­rel­len Fak­to­ren einer sol­chen Trans­for­ma­ti­on mög­li­cher­wei­se im Weg stehen.

Die kri­ti­sche Bewer­tung die­ser Ambi­tio­nen ergibt sich nicht aus grund­sätz­li­cher Skep­sis gegen­über dem Manage­ment, son­dern aus einer nüch­ter­nen Ana­ly­se der insti­tu­tio­nel­len Geschich­te. Was Niklas Luh­mann das „Gedächt­nis der Orga­ni­sa­ti­on” nennt[1]vgl. dazu: „Funk­tio­nen und Fol­gen for­ma­ler Orga­ni­sa­ti­on“ von Niklas Luh­mann – jene über Jahr­zehn­te gewach­se­nen Struk­tu­ren, Rou­ti­nen und Selek­ti­ons­me­cha­nis­men – erweist sich häu­fig als resis­ten­ter als stra­te­gi­sche Neu­aus­rich­tun­gen. Die zen­tra­le Fra­ge lau­tet: Inwie­weit kön­nen Ankün­di­gun­gen und Kon­zep­te eine Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur ver­än­dern, die sich über lan­ge Zeit her­aus­ge­bil­det hat?

Das Mus­ter wie­der­hol­ter Neuanfänge

Die Deut­sche Bank hat seit dem Ende der Ära Josef Acker­mann meh­re­re Stra­te­gie­wech­sel voll­zo­gen. Ver­schie­de­ne Vor­stän­de kün­dig­ten jeweils grund­le­gen­de Neu­aus­rich­tun­gen an – mit unter­schied­li­chem Erfolg. Jür­gen Fit­schen und Ans­hu Jain ver­spra­chen Sta­bi­li­sie­rung, John Cryan soll­te Kon­so­li­die­rung brin­gen, Chris­ti­an Sewing setz­te auf Rück­zug aus ris­kan­ten Geschäfts­fel­dern und Fokus­sie­rung auf Euro­pa. Die wie­der­hol­ten Stra­te­gie­wech­sel wer­fen die Fra­ge auf, ob die ange­kün­dig­ten Ver­än­de­run­gen jeweils die gewünsch­te Wir­kung ent­fal­ten konnten.

Das Pro­blem scheint weni­ger in der grund­sätz­li­chen Qua­li­tät der Stra­te­gien zu lie­gen als viel­mehr in den Her­aus­for­de­run­gen der Imple­men­tie­rung. Die Umset­zung stra­te­gi­scher Neu­aus­rich­tun­gen setzt vor­aus, dass auch die infor­mel­len Struk­tu­ren – Anrei­ze, Kar­rie­re­mus­ter, geleb­te Nor­men – mit den for­ma­len Zie­len in Ein­klang gebracht wer­den kön­nen. Die Dif­fe­renz zwi­schen for­ma­len Com­pli­ance-Struk­tu­ren und geleb­ter Pra­xis ist in der Orga­ni­sa­ti­ons­for­schung ein bekann­tes Phänomen.

Die belas­te­te insti­tu­tio­nel­le Geschichte

Die Deut­sche Bank wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wie­der­holt mit erheb­li­chen Buß­gel­dern und regu­la­to­ri­schen Sank­tio­nen belegt. Auf­sichts­be­hör­den stell­ten Män­gel in den Kon­troll­sys­te­men fest und ver­häng­ten Stra­fen in Mil­li­ar­den­hö­he. Dazu zäh­len Fäl­le im Zusam­men­hang mit Zins­ma­ni­pu­la­tio­nen, Geld­wä­sche-Vor­wür­fen und Ver­stö­ßen gegen Com­pli­ance-Vor­ga­ben. Die Geschäfts­be­zie­hung zu Jef­frey Epstein, die trotz bekann­ter straf­recht­li­cher Vor­ge­schich­te fort­ge­führt wur­de, führ­te zu regu­la­to­ri­schen Unter­su­chun­gen und öffent­li­cher Kritik.

Die­se Vor­fäl­le kön­nen als Sym­pto­me ver­stan­den wer­den – als Hin­wei­se auf mög­li­che Dis­kre­pan­zen zwi­schen for­ma­len Com­pli­ance-Anfor­de­run­gen und deren Durch­set­zung im ope­ra­ti­ven Geschäft. Die zen­tra­le Her­aus­for­de­rung besteht dar­in, nicht nur struk­tu­rel­le Ver­bes­se­run­gen ein­zu­füh­ren, son­dern die­se auch in der geleb­ten Orga­ni­sa­ti­ons­pra­xis zu ver­an­kern. Das ist eine Auf­ga­be, die über tech­ni­sche oder pro­zes­sua­le Anpas­sun­gen h…