|
Getting your Trinity Audio player ready...
|
Vierzehn europäische Großbanken laufen Sturm gegen den digitalen Euro – mit Argumenten, die auf den ersten Blick plausibel klingen. Doch ein genauerer Blick offenbart: Hinter der Rhetorik von Souveränität und Verbraucherschutz verbirgt sich vor allem der Versuch, eigene Geschäftsmodelle politisch abzusichern. Besonders dreist: Die Forderung nach gesetzlichem Zwang für Händler, bankeigene Zahlungssysteme zu akzeptieren.
Digitaler Euro: Wenn Banken nach staatlicher Intervention rufen
Der Ton ist ungewöhnlich scharf, die Fronten verhärtet: In einem vertraulichen Schreiben attackiert die European Payments Initiative (EPI), ein Zusammenschluss von 14 Großbanken, das Projekt des digitalen Euro mit bemerkenswerter Aggressivität[1]Exklusiv: Europäische Banken attackieren digitalen Euro scharf. Die geplante Digitalwährung der Europäischen Zentralbank sei übermäßig komplex, regulatorisch verzerrt und komme viel zu spät – erst 2029, während die Souveränitätsprobleme längst akut seien. Schlimmer noch: Der digitale Euro könnte ausgerechnet US-Giganten wie PayPal, Apple Pay oder Alipay helfen, ihre Marktdominanz weiter auszubauen.
Manche dieser Kritikpunkte mögen auf den ersten Blick berechtigt erscheinen. Doch bei näherer Betrachtung offenbart das Bankenschreiben eine bemerkenswerte Sammlung von Widersprüchen.
Widerspruch Eins: Marktverzerrung – aber bitte für uns
Der vielleicht eklatanteste Widerspruch liegt in der Haltung zu staatlichen Eingriffen. Die Banken geißeln den digitalen Euro als regulatorische Bevorzugung: gesetzliches Zahlungsmittel, subventionierte Gebührenstrukturen, unfairer Wettbewerbsvorteil. Die EZB würde den Markt verzerren und private Anbieter benachteiligen.
Im selben Atemzug fordern die Banken aber genau das für ihre eigenen Produkte: eine gesetzliche Pflicht für Händler, mindestens eine EU-basierte Instant-Payment-Lösung wie ihr eigenes Wero zu akzeptieren. Was sie der Zentralbank als unzulässige Marktintervention vorwerfen, verlangen sie selbst als regulatorische Absicherung. Der Unterschied? Beim digitalen Euro würde der Staat eingreifen, bei Wero soll er es gefälligst auch tun – nur eben zugunsten privater Banken.
Das ist keine Verteidigung des freien Marktes. Das ist die Forderung nach staatlichem Schutz der eigenen Geschäftsmodelle, verpackt in die Rhetorik von Wettbewerbsfairness.
Widerspruch Zwei: Innovation predigen, gesetzliche Pflicht fordern
Die Banken präsentieren ihr eigenes Produkt Wero als die bessere, agilere, innovativere Alternative zum schwerfälligen staatlichen Projekt. Doch wenn Wero wirklich so überlegen wäre – warum braucht es dann eine gesetzlichen Pflicht zur Akzeptanz?
Die Realität sieht ernüchternd aus: Wero hinkt seinem eigenen Rollout-Plan deutlich hinterher, wichtige Funktionen fehlen, große Online-Händler sind noch nicht angebunden. Statt durch echten Mehrwert am Markt zu überzeugen, greifen die Banken nach regulatorischen Krücken. Das ist kein Zeichen von Innovationskraft, sondern das Eingeständnis, im freien Wettbewerb nicht bestehen zu können.
Wer wirklich Innovation anbietet, braucht keine staatliche Akzeptanzpflicht. Wer danach ruft, offenbart, dass sein Produkt allein nicht überzeugt.
Widerspruch Drei: Souveränität beschwören, Kosten abwälzen
Die Banken stilisieren sich als Hüter europäischer Souveränität gegen US-amerikanische Dominanz. Ein nobles Anliegen – könnte man meinen. Doch gleichzeitig zeigen sie keine Bereitschaft, die eigentlichen Innovations- und Infrastrukturkosten selbst zu tragen.
Statt massiv in Technologie, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit zu investieren, fordern sie gesetzliche Verpflichtungen, die Händler und letztlich Verbraucher zur Finanzierung ihrer Systeme zwingen würden. Das ist eine perfide Form der Kostenverlagerung: Die Banken schmücken sich mit dem Narrativ europäischer Unabhängigkeit, möchten aber, dass andere dafür bezahlen.
Echte Souveränität erfordert eigene Investitionen und unternehmerisches Risiko. Was die Banken fordern, ist hingegen eine indirekte Subvention durch die Hintertür – der Staat schafft per Gesetz die Nachfrage, die der Markt nicht freiwillig generiert.
Widerspruch Vier: Komplexität kritisieren, selbst scheitern
Ein zentraler Vorwurf der Banken lautet, der digitale Euro sei übermäßig komplex und nutze bestehende Infrastruktur wie Instant Payment nicht ausreichend. Das Design schaffe Doppelstrukturen und Ineffizienzen.
Diese Kritik wirkt reichlich gewagt aus dem Mund einer Bankengruppe, die mit ihrem eigenen System massive Probleme hat. Wero sollte längst weiter sein, die Integration stockt, der Nutzen für Verbraucher bleibt nebulös. Wer selbst keine funktionierende, überzeugende Lösung vorweisen kann, sollte zurückhaltender sein mit Vorwürfen bezüglich Komplexität und verzögerter Implementierung.
Zudem: Wenn die bestehende Instant-Payment-Infrastruktur bereits so leistungsfähig ist – wozu braucht es dann überhaupt ein neues bankeigenes System? Und wozu eine gesetzliche Akzeptanzpflicht dafür?
Widerspruch Fünf: Vor US-Dominanz warnen, keine Alternative bieten
Die Banken warnen eindringlich davor, dass der digitale Euro US-Anbietern wie PayPal oder Apple Pay sogar helfen könnte, ihre Dominanz auszubauen. Das Souveränitätsproblem sei akut, die Zeit dränge.
Doch was legen die Banken als Alternative vor? Ein Produkt, das seinem eigenen Zeitplan hinterherhinkt, bei wichtigen Händlern fehlt und bisher keinen durchschlagenden Erfolg vorweisen kann. Gleichzeitig kommt der digitale Euro – wenn überhaupt – frühestens 2029. Das heißt: Beide Lösungen, die staatliche wie die private, werden das aktuelle Souveränitätsproblem nicht zeitnah lösen.
Der Unterschied: Der digitale Euro wird zumindest noch als Zukunftsoption entwickelt. Die Banken hingegen fordern sofortige regulatorische Unterstützung für ein unvollständiges Produkt – und präsentieren das als Lösung für ein drängendes Problem, das sie selbst nicht lösen können.
Ein Streit, der das eigentliche Problem offenlegt
Die Widersprüche im Bankenschreiben sind so offensichtlich, dass sie nur einen Schluss zulassen: Hier geht es nicht um europäische Souveränität, Verbraucherschutz oder Innovation. Hier geht es um die Verteidigung von Marktpositionen und Profitinteressen gegen eine mögliche Verschiebung durch staatliche Konkurrenz.
Die Ironie ist bitter: Weder die Banken mit ihrem stockenden Wero noch die EZB mit ihrem verzögerten digitalen Euro bieten aktuell eine überzeugende Lösung für eine europäisch souveräne Zahlungsarchitektur. Statt gemeinsam an echten Innovationen zu arbeiten, liefern sich beide Seiten einen Stellungskampf – und die Verbraucher bleiben außen vor.
Der aggressive Ton des Bankenbriefs und die Forderung nach einer gesetzlichen Pflicht sind dabei nicht Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche. Wer im Wettbewerb überzeugen kann, braucht keine regulatorischen Krücken. Wer nach ihnen ruft, gibt zu, dass seine Lösung allein nicht trägt.
Wirkliche europäische Souveränität im Zahlungsverkehr erfordert mutige Investitionen, echte Innovation und die Bereitschaft, im Wettbewerb zu bestehen. Sie lässt sich nicht durch gesetzliche Akzeptanzpflichten verordnen und nicht durch das Abwälzen von Kosten auf andere erreichen. Bis dahin bleibt der Kampf um den digitalen Euro ein Lehrstück darüber, wie sich Eigeninteressen hinter großen Worten verbergen – und wie wenig Souveränität Europa im digitalen Zahlungsverkehr tatsächlich besitzt.
References

