Getting your Trinity Audio player ready...

Nach dem Schei­tern von Pay­di­rekt und Giro­pay setzt die euro­päi­sche Finanz­bran­che ihre Hoff­nun­gen auf Wero – das neue grenz­über­schrei­ten­de Bezahl­sys­tem. Doch kann die euro­päi­sche Ant­wort auf Pay­Pal und Apple Pay wirk­lich gelin­gen, wo natio­na­le Lösun­gen kläg­lich geschei­tert sind? Ein kri­ti­scher Blick auf Chan­cen und Risi­ken einer ambi­tio­nier­ten Vision.


Die Geschich­te des digi­ta­len Zah­lungs­ver­kehrs in Deutsch­land und Euro­pa ist eine Geschich­te ver­pass­ter Chan­cen. Wäh­rend ame­ri­ka­ni­sche Tech-Gigan­ten wie Pay­Pal, Apple und Goog­le längst die Kun­den­schnitt­stel­le im Zah­lungs­ver­kehr erobert haben, kämp­fen euro­päi­sche Ban­ken noch immer um ihre Rele­vanz in einer zuneh­mend digi­ta­li­sier­ten Finanz­welt. Mit Wero unter­neh­men sie nun einen letz­ten gro­ßen, eigent­lich schon ver­zwei­fel­ten Ver­such, das Ruder herumzureißen.

Das Erbe des Scheiterns

Die Aus­gangs­la­ge könn­te ernüch­tern­der kaum sein. Pay­di­rekt, einst als deut­sche Ant­wort auf Pay­Pal gefei­ert, ver­schwand nach Jah­ren der Erfolg­lo­sig­keit in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit. Sein Nach­fol­ger Giro­pay teil­te das­sel­be Schick­sal und wur­de 2024 end­gül­tig ein­ge­stellt. Die Grün­de für die­se Nie­der­la­gen sind viel­fäl­tig und struk­tu­rell tief ver­wur­zelt: Ein frag­men­tier­ter Ban­ken­markt erschwer­te ein­heit­li­che Stra­te­gien, ver­al­te­te IT-Struk­tu­ren brems­ten Inno­va­tio­nen, und die Ban­ken unter­schätz­ten sowohl den Kun­den­nut­zen als auch die Dyna­mik des digi­ta­len Wandels.

Beson­ders bit­ter: Als Pay­di­rekt 2015 star­te­te, hat­te sich Pay­Pal bereits fest eta­bliert. Die deut­schen Ban­ken reagier­ten nicht nur zu spät, son­dern auch mit der fal­schen Stra­te­gie. Statt ech­ten Mehr­wert zu schaf­fen, ver­such­ten sie, bestehen­de Bank­lo­gik in digi­ta­le Kanä­le zu pres­sen – ein Ansatz, der in der Platt­form­öko­no­mie zum Schei­tern ver­ur­teilt war.

Wero: Neu­er Anlauf mit alten Problemen?

Wero tritt mit dem Anspruch an, aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit gelernt zu haben. Das Sys­tem, das von 14 euro­päi­schen Ban­ken getra­gen wird, ermög­licht Echt­zeit­über­wei­sun­gen zwi­schen Bank­kon­ten in Deutsch­land, Bel­gi­en und Frank­reich. Nut­zer benö­ti­gen nur die Han­dy­num­mer oder E‑Mail-Adres­se des Emp­fän­gers – eine durch­aus prak­ti­sche Lösung für den Alltag.

Die Zah­len klin­gen zunächst viel­ver­spre­chend: 140 von 182 getes­te­ten deut­schen Ban­ken bie­ten Wero bereits an, was etwa 77 Pro­zent ent­spricht. Die ING Bank schal­te­te das Sys­tem im August 2025 für alle deut­schen Kun­den frei, und wei­te­re Län­der sol­len fol­gen. Ab Herbst 2025 sind ers­te Inte­gra­tio­nen im Online-Han­del geplant, der sta­tio­nä­re Han­del folgt 2026.

Doch bei genaue­rer Betrach­tung offen­ba­ren sich bekann­te Schwä­chen. Wero ist der­zeit eine “limi­tier­te Insel­lö­sung”, wie Kri­ti­ker monie­ren – ver­füg­bar nur für Kun­den bestimm­ter Ban­ken in drei Län­dern. Die Funk­tio­na­li­tät bleibt zunächst auf simp­le Peer-to-Peer-Über­wei­sun­gen beschränkt, wäh­rend die Kon­kur­renz längst umfas­sen­de Öko­sys­te­me auf­ge­baut hat. Umfra­gen zei­gen ernüch­ternd: Nur 2–4 Pro­zent der Deut­schen haben Wero bis­her tat­säch­lich genutzt.

Die Macht der Plattformen

Das eigent­li­che Pro­blem liegt tie­fer. Goog­le Pay und Apple Pay sind längst mehr als nur Zah­lungs­diens­te – sie sind zu zen­tra­len Platt­for­men gewor­den, die Zah­lungs­pro­zes­se, Kun­den­bin­dung und Daten­aus­wer­tung intel­li­gent ver­knüp­fen. Das Smart­phone wur­de zum uni­ver­sel­len Finanz­werk­zeug, und die­se Platt­for­men fun­gie­ren als Zugangs­punkt für ver­schie­dens­te Finanzdienstleistungen.

Tra­di­tio­nel­le Ban­ken kämp­fen hin­ge­gen mit struk­tu­rel­len Nach­tei­len: Ihre mono­li­thi­schen IT-Struk­tu­ren erschwe­ren die Inte­gra­ti­on ver­schie­de­ner Diens­te, ihre Inno­va­ti­ons­zy­klen sind zu lang­sam für den dyna­mi­schen Markt, und ihre Denk­wei­se ist noch immer pro­dukt­zen­triert statt platt­form­ori­en­tiert. Wäh­rend Tech-Unter­neh­men Mehr­wert durch Inte­gra­ti­on und Ska­lier­bar­keit schaf­fen, set­zen Ban­ken noch immer auf Abgrenzung.

Die Finanz­kul­tur hat sich grund­le­gend gewan­delt. Kun­den erwar­ten intui­ti­ve mobi­le Anwen­dun­gen, Echt­zeit­be­nach­rich­ti­gun­gen, per­so­na­li­sier­te Ange­bo­te und naht­lo­se Inte­gra­ti­on in ihre…