Von Ralf Keuper
Nicht nur die Banken sehen in den Kundendaten einen Schatz, den es mittels neuester Technologie, die gerne und häufig unter dem Schlagwort “Big Data” zusammenfasst werden, zu heben gilt. Die sog. Datenkraken verfügen hier bereits über einen deutlichen Vorsprung, nicht zuletzt auch deshalb, da sie die Datenschutzbestimmungen hin und wieder recht großzügig auslegen.
Nachdem die Kunden das Thema Datenschutz und Datenhoheit bisher eher beiläufig zur Kenntnis genommen haben, sind auch hier verstärkt Stimmen zu vernehmen, die vor einem zu freigiebigen Verhalten der eigenen Daten warnen, wie erst letzte Woche im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung.
Andere wiederum bescheinigen den Deutschen, bereits jetzt schon viel zu sensibel zu sein, was den Umgang Dritter mit ihren Daten anbetrifft. Es diene letztlich nur zu ihrem Besten, da so die Angebote viel besser auf ihre persönliche Bedürfnisse zugeschnitten werden können. In dieses Horn stösst auch Anne Kunz in In Polen findet das Banking der Zukunft statt. In Polen sorgt die mBank bereits seit Jahren für Furore, da sie regen Gebrauch von den Möglichkeiten des Internet, insbesondere der Sozialen Medien macht. Dafür wurde und wird die mBank immer wieder gelobt – nicht ganz zu Unrecht. Im Vergleich zu ihrer polnischen Tochter wirkt die Commerzbank noch recht altbacken, wenngleich der Mainincubator und Commerz Ventures hier andere, neue Akzente setzen.
Den Erfolg der mBank bei den Kunden führt die Autorin auch darauf zurück, dass das Thema Datenschutz in Polen deutlich entspannter gehandhabt wird, als in Deutschland, weshalb hierzulande auf absehbare Zeit nicht damit zu rechnen sei, dass das Konzept der mBank realisiert wird. Die polnischen Kunden wären sogar dankbar dafür, wenn die Bank sie automatisch auf verdächtige Kontobewegungen hinweist oder weitere Angebot unterbreitet, die in dem jeweiligen Kontext, etwa bei der Reisebuchung, zu passen scheinen.
Ganz abgesehen davon, dass viele PFM-Lösungen diese Möglichkeit schon heute bieten, und auch der Kontext beispielsweise bei Amazon rege genutzt wird, zumindest jedoch noch nicht für Deutschland abgeschaltet wurde und auch sonst das Empfehlungsmarketing in unserem Land frohe Urständ feiert, bringt die Autorin einiges durcheinander.
Das Thema Datenschutz ist hierzulande recht klar geregelt, erwähnt sei nur das sog. Online Urteil von 2008 oder das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Hierbei handelt es sich keineswegs um das Ergebnis paranoider Bürger, sondern um verfassungsrechtliche Bestimmungen, die aufs Engste mit den Grundrechten in Deutschland verbunden sind. Man sollte annehmen, dass eine Redakteurin der Welt davon schon einmal Kenntnis genommen hat. Übrigens: Auch in Polen wird die Weitergabe sensitiver Daten restriktiv gehandhabt, wenn auch nicht so sehr, wie in Deutschland.
Damit erst gar nicht der Eindruck entsteht, hierbei handele es sich um eine typisch deutsche Diskussion, sei auf eine aktuelle Umfrage in Großbritannien verwiesen, wonach 72% der Briten besorgt um den Schutz ihrer Daten sind, und 32% Prozent bereit sind, dafür zu zahlen.
Im kanadischen Bundesstaat Ontario hat Ann Cavoukian den Ansatz des Privacy by Design aus der Taufe gehoben. Dessen Prinzipien sehen die Berücksichtigung datenschutzrelevanter Aspekte bereits während der Konzeption, des Designs der IT-Systeme und Applikationen vor. Und auch in den USA ist man längst nicht sorglos den eigenen Daten gegenüber, wie man uns hierzulande gerne glauben machen will. In der Schweiz ließ der Datenschützer zum Schluss seiner 14jährigen Amtszeit verlauten, Big Data müsse künftig mit hoher Aufmerksamkeit begleitet werden.
Eine Bank, die von den Daten der Kunden intensiven Gebrauch machen will, kann dies nur, wenn die Kunden bereit sind, ihre Datenhoheit für bestimmte Szenarien abzugeben. Als Bank zu glauben, in Puncto Big Data mit den Internetkonzernen gleich ziehen zu können, ist blauäugig. Diesen Wettlauf können die Banken nicht gewinnen, sofern sie ihre Vertrauenswürdigkeit dabei nicht aufs Spiel setzen und damit den letzten Kredit bei den Kunden verbrauchen wollen.
Gelten muss daher:
Die Anwendung kommt zu den Daten; und nicht umgekehrt.
Das Internet lebt von dem Vertrauen der Nutzer. Wenn dieses zerstört oder schwer beschädigt ist, werden das alle, insbesondere die Wirtschaft, zu spüren bekommen. Es liegt daher im Interesse aller, dass die Privatheit und Diskretion im Netz gewahrt bleibt – das sollte für Banken selbstverständlich sein. Anderenfalls ist es um die Innovationen schlecht bestellt.
Privatheit, Diskretion und Datensouveränität stehen Innovationen nicht im Weg; jedoch ziehen sie Grenzen, die zu überschreiten auch die schönste Innovation kein Recht hat, da die Kosten die Erträge, sowohl materieller wie immaterieller Art, übersteigen.
Ganz sicher.