Alfred Kie­ser. Foto: Insti­tut für Mit­tel­stands­for­schung Mannheim

Seit eini­gen Jah­ren sor­gen Fin­tech-Start­ups im Ban­king für Unru­he. Nicht sel­ten tre­ten sie mit dem Anspruch auf, die Ban­ken­bran­che von Grund auf zu ver­än­dern, zu “dis­rup­ten”. Das Ban­king soll demo­kra­ti­scher, trans­pa­ren­ter wer­den und end­lich die Kun­den­be­dürf­nis­se in den Vor­der­grund stel­len. Mitt­ler­wei­le sind die ers­ten Fin­tech-Start­ups vom Markt ver­schwun­den, die Pro­fi­ta­bi­li­tät lässt in den meis­ten Fäl­len (noch) zu wün­schen übrig. Im Gegen­satz zur media­len Wir­kung, sind die Ver­än­de­run­gen im Markt­ge­fü­ge durch die Fin­tech-Start­ups über­schau­bar. Neu­er­dings suchen vie­le Fin­tech-Start­ups die Koope­ra­ti­on statt Kon­fron­ta­ti­on mit den Ban­ken; die Ban­ken wie­der­um erhof­fen sich dadurch, inno­va­ti­ver zu wer­den. Ste­hen die Fin­tech-Start­ups, wie über­haupt Start­ups, tat­säch­lich für einen tief­grei­fen­den Stil­wan­del oder sind sie letzt­lich Zeit­er­schei­nun­gen, die nur ver­ein­zelt etwas zum Bes­se­ren bewir­ken? Wird der Unter­neh­mer-Begriff durch Start­ups über­dehnt? Die­se und wei­te­re Fra­gen stell­te Bank­stil dem renom­mier­ten Orga­ni­sa­ti­ons­for­scher Alfred Kie­ser (Bild). Kie­ser lehr­te bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung an der Uni­ver­si­tät Mann­heim. Zur Zeit ist Kie­ser Gast­pro­fes­sor für Orga­ni­sa­ti­ons­theo­rie am Rein­hard-Mohn-Insti­tut für Unter­neh­mens­füh­rung der Uni­ver­si­tät Witten/​Herdecke. Zu sei­nen wich­tigs­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen zäh­len Orga­ni­sa­ti­on (“Ein Klas­si­ker der Orga­ni­sa­ti­ons­li­te­ra­tur”) und Orga­ni­sa­ti­ons­theo­rien . 

Herr Prof. Dr. Kie­ser, seit eini­ger Zeit erle­ben wir einen wah­ren Grün­dungs­boom, in des­sen Zen­trum sog. Start­ups ste­hen. Han­delt es sich hier­bei – wirt­schafts­his­to­risch gese­hen – um ein neu­es Phä­no­men; ste­hen Start­ups für eine neue Organisationsform?

Frü­her oder spä­ter müs­sen sich Start­ups eine Form geben, die ihnen vol­le Legi­ti­mi­tät ver­leiht. Nicht weni­ge Start­ups wol­len nicht-kon­ven­tio­nel­le For­men der Kom­mu­ni­ka­ti­on und der Füh­rung rea­li­sie­ren, bei genaue­rem Hin­se­hen zeigt es sich aber, dass die Unter­schie­de im Bewusst­sein der Akteu­re grö­ßer sind als sie unvor­ein­ge­nom­me­ne Beob­ach­ter wahrnehmen.

Vie­le Start­ups tre­ten mit dem Anspruch auf, “dis­rup­tiv” zu sein, wobei sie gan­ze Bran­chen ins Visier neh­men. Wie rea­lis­tisch sind die­se Ambitionen?

Ob sie wirk­lich „dis­rup­tiv“ sind, muss sich zei­gen – sie müs­sen über­durch­schnitt­lich erfolg­reich sein und sie müs­sen For­men des Umgangs mit­ein­an­der ent­wi­ckeln, die signi­fi­kant von übli­chen orga­ni­sa­tio­na­len Umgangs­for­men abwei­chen. Vor allem ist „dis­rup­tiv“ ein belieb­tes Catchword.

Was unter­schei­det den Start­up-Unter­neh­mer von einem Unter­neh­mer nach Schum­pe­ter, der neue Kom­bi­na­tio­nen von Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren durch­set­zen wollte?

Die Defi­ni­ti­on nach Schum­pe­ter ist so fle­xi­bel, dass sie alle mög­li­chen Vari­an­ten von Start-up-Unter­neh­mern abdeckt.

Wel­chen Ein­fluss haben per­sön­li­che Eigen­schaf­ten des Unter­neh­mers für den Erfolg?

Per­sön­li­che Eigen­schaf­ten sind bestimmt wich­tig, es ist der Entre­pre­neur­shipfor­schung aber trotz umfang­rei­cher und hart­nä­cki­ger Ver­su­che nicht gelun­gen, die aus­schlag­ge­ben­den Eigen­schaf­ten zu identifizieren.

Wel­che Bedeu­tung für den Erfolg haben situa­ti­ve Fak­to­ren, die sich der Beein­flus­sung durch ein Unter­neh­men oder einen Unter­neh­mer wei­test­ge­hend entziehen?

Start­up-Unter­neh­mer müs­sen mit der Finan­zie­rung, die ihnen zur Ver­fü­gung steht, aus­kom­men. Ohne groß­zü­gi­ge Kapi­tal­ge­ber sind ihre Mög­lich­kei­ten, die Bedin­gun­gen durch Inves­ti­tio­nen zu ver­än­dern, begrenzt.

Gibt es so etwas wie all­ge­mein­gül­ti­ge Erfolgs­fak­to­ren für Unter­neh­men, die lang­fris­tig am Markt bestehen?

Wenn es sie gäbe, wären sie nicht lan­ge wirk­sam, weil vie­le sie adap­tie­ren wür­den. Die Erfol­ge von Unter­neh­men wie Apple oder Micro­soft las­sen sich nicht so ohne wei­te­res kopie­ren, denn sol­che Vor­bil­der-Unter­neh­men nut­zen ihre Macht auch aus, um Kopie­rer nicht groß­wer­den zu lassen.

In der kon­ser­va­ti­ven Ban­ken­bran­che gel­ten die Fin­tech-Start­ups mitt­ler­wei­le als Inno­va­ti­ons­trei­ber, wobei sie sich in den meis­ten Fäl­len auf bestimm­te, eng umgrenz­te Berei­che (Zah­lungs­ver­kehr, Geld­an­la­ge, Kre­dit­ver­mitt­lung) kon­zen­trie­ren. Kann man in dem Zusam­men­hang bereits von Inno­va­ti­on spre­chen bzw. was zeich­net eine Inno­va­ti­on, die von Dau­er ist, aus?

Fin­tech-Start­ups kon­zen­trie­ren sich auf bestimm­te Pro­zes­se oder Akti­vi­tä­ten, die sie mit­un­ter signi­fi­kant ratio­na­li­sie­ren, ihre Ver­bes­se­run­gen wer­den aber in den meis­ten Fäl­len von den Platz­hirsch-Ban­ken in abge­wan­del­ter Form über­nom­men. Die von ihnen in der Effi­zi­enz ver­bes­ser­ten Pro­zes­se gegen Kopie­ren wirk­sam zu schüt­zen, dürf­te den wenigs­ten gelin­gen. Sie zie­len auch nicht auf Dau­er, son­dern auf gewinn­brin­gen­de Über­nah­me durch ange­stamm­te Banken.

In der Ver­gan­gen­heit waren Ska­len­ef­fek­te und hohe Markt­an­tei­le für das lang­fris­ti­ge Über­le­ben eines Unter­neh­mens, einer Bank auf einem Mas­sen­markt ent­schei­dend. Hat sich das mit dem Inter­net wirk­lich geändert?

Ich mei­ne: Nein, aber ich bin kein Bankenexperte.

Vie­le Fin­tech-Start­pus bevor­zu­gen mitt­ler­wei­le die Koope­ra­ti­on statt Kon­fron­ta­ti­on mit den Ban­ken. Kön­nen klei­ne Unter­neh­men wie Fin­tech-Start­ups eher schwer­fäl­li­ge Tan­ker wie Ban­ken – qua­si von innen – grund­le­gend verändern?

Koope­ra­tio­nen set­zen grund­le­gen­de Ver­än­de­rung der Ban­ken nicht voraus.

Wenn wir fünf Jah­re nach vorn schau­en: Haben sich Wirt­schaft und Gesell­schaft durch Start­ups in posi­ti­ver Wei­se ver­än­dert oder waren wir ledig­lich Zeu­gen einer wei­te­ren durch Tech­no­lo­gie getrie­be­nen Spekulationsblase?

Die Aus­wir­kun­gen von Start­ups auf Wirt­schaft und Gesell­schaft wer­den stark über­schätzt. Die­se Über­schät­zung ist durch­aus gewollt, weil ja doch posi­ti­ve Ergeb­nis­se in weni­gen Fäl­len zustan­de kom­men kön­nen, auch wenn die meis­ten Start­ups nicht erfolg­reich sind.

Herr Prof. Dr. Kie­ser, vie­len Dank für das Gespräch!

Ich dan­ke auch und grü­ße Sie bestens

 

 

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