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Die Deutsche Bundesbank predigt seit Jahrzehnten Haushaltsdisziplin und warnt vor Verschwendung öffentlicher Gelder. Doch bei der Sanierung ihrer eigenen Zentrale in Frankfurt droht ein finanzielles Desaster: Was einst als Prestigeprojekt begann, könnte zum teuersten Verwaltungssitz der deutschen Geschichte werden – eine Million Euro pro Arbeitsplatz.
Es ist eine Ironie der deutschen Finanzgeschichte: Ausgerechnet die Institution, die als Hüterin der Haushaltsdisziplin gilt, steht vor einem der spektakulärsten Kostenexplosionen im öffentlichen Bauwesen. Die Sanierung der Bundesbank-Zentrale in Frankfurt-Bockenheim entwickelt sich zu einem Milliardengrab, das all jene Tugenden vermissen lässt, die die Notenbank anderen so gerne predigt.
Das Erbe des Brutalismus wird zur Last
Die 1967 bis 1972 errichtete Zentrale in Frankfurt-Bockenheim ist ein Meisterwerk des Brutalismus – und zugleich ein Albtraum für jeden Sanierer. Der denkmalgeschützte Betonkoloss mit seinen charakteristischen Waschbetonfassaden war seinerzeit Ausdruck deutschen Wiederaufbauwillens und wirtschaftlicher Stärke. Heute erweist er sich als architektonisches Erbe, das seine Besitzer finanziell überfordert.
Was in den 2010er Jahren als notwendige Modernisierung begann, wuchs sich unter Bundesbankpräsident Jens Weidmann zu einem Prestigeprojekt von geradezu pharaonischen Dimensionen aus. Die Vision war verlockend: ein moderner Campus mit mehreren Hochhäusern, Kindertagesstätte, Sportzentrum und Gastronomie – eine Art Silicon Valley für Zentralbanker im Herzen Deutschlands.
Wenn Zahlen sprechen – und der Rechnungshof aufrechnet
Die Realität holte das Projekt brutal ein. Der Bundesrechnungshof rechnete vor, was viele bereits ahnten: Die ursprünglichen Campus-Pläne hätten 4,6 Milliarden Euro verschlungen. Das entspricht einer Million Euro pro Arbeitsplatz – eine Summe, die selbst großzügigste Maßstäbe sprengt. Zum Vergleich: Der Neubau der Europäischen Zentralbank kostete etwa 1,3 Milliarden Euro und gilt bereits als kostspielig.
Doch die schiere Kostenhöhe ist nur die Spitze des Eisbergs. In einem bislang unveröffentlichten Gutachten vom April 2024 seziert der Bundesrechnungshof die Planungsfehler mit chirurgischer Präzision. Die Diagnose ist vernichtend: Es handelt sich um eine „fehlerhafte, überteuerte und überdimensionierte Planung” – ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie öffentliche Gelder verschwendet werden.
Besonders absurd: Die Bundesbank plante großzügig mit Einzelbüros, während längst Desksharing und Homeoffice zum Standard geworden waren. Bereits 2016 hätte eine bedarfsgerechte Planung Einsparungen von mehr als 1,3 Milliarden Euro ermöglicht. Stattdessen hielt die Notenbank an überkommenen Arbeitsplatzkonzepten fest, als wäre die digitale Revolution an ihr vorbeigegangen.
Noch grotesker wird es bei den geplanten „Extras”: Eine Kindertagesstätte für ursprünglich 418.000 Euro pro Platz, ein Sportzentrum mit Tribüne für 350 Zuschauer und Wettkampftauglichkeit, Gäste-Appartements und ein unterirdisches Erschließungssystem. Der Rechnungshof urteilt hart: Solche Ausstattung sei „unter keinem denkbaren Gesichtspunkt notwendig” für eine Bundesbehörde.
Die Zahlen sind nicht nur astronomisch, sie sind auch ein Schlag ins Gesicht jener Politiker und Bürger, die sich täglich anhören müssen, warum für Schulen, Krankenhäuser oder Infrastruktur angeblich kein Geld da ist. Während die Schuldenbremse eisern verteidigt wird, sollte die Bundesbank offenbar in einem goldenen Käfig residieren.
Der Kurswechsel kommt spät – und die Lehren bleiben ungehört
Joachim Nagel, der 2022 das Amt des Bundesbankpräsidenten übernahm, erkannte die Brisanz der Situation. Seine Entscheidung, das Campus-Projekt 2024 endgültig zu beerdigen, war überfällig, aber richtig. Dennoch bleiben fundamentale Fragen offen: Ist eine Rückkehr an den Stammsitz überhaupt noch sinnvoll? Wäre ein kompletter Neubau an anderer Stelle nicht kostengünstiger?
Der Rechnungshof kritisiert scharf, dass die Bundesbank niemals eine „wirklich offene und unabhängige Wirtschaftlichkeitsprüfung aller Varianten” vorgenommen habe. Stattdessen wurde die „symbolische Bedeutung” des Altbaus zum wichtigsten Argument – für den Rechnungshof muss aber Wirtschaftlichkeit maßgeblich sein. Diese Verwechslung von Sentiment und Sachverstand zieht sich durch das gesamte Projekt.
Besonders bitter: Die Lehren aus Pandemie und Remote Work wurden jahrelang ignoriert. Die Planungen für überflüssige Neubauten liefen weiter, obwohl längst klar war, dass sie gestrichen werden sollten. Es ist, als hätte die Bundesbank in einer Parallelwelt gelebt, in der sich Arbeitswelt und gesellschaftliche Realitäten nicht verändert haben.
Die Bundesbank betont zwar, die Rechnungshof-Zahlen seien veraltet und die Kosten inzwischen drastisch reduziert worden. Doch solche Beteuerungen kennt man zur Genüge aus anderen deutschen Großbauprojekten. BER, Elbphilharmonie, Stuttgart 21 – sie alle begannen mit optimistischen Kostenprognosen und endeten als Synonyme für Verschwendung und Planungschaos.
Symbol einer verlorenen Glaubwürdigkeit
Das Bundesbank-Debakel ist mehr als nur ein weiterer Fall von Baukosten-Explosion. Es ist ein Symbol für die Glaubwürdigkeitskrise deutscher Institutionen. Eine Zentralbank, die anderen Sparsamkeit predigt, während sie selbst Milliarden für Repräsentationsbauten ausgibt, verliert ihre moralische Autorität. In Zeiten, in denen Bürger unter Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten leiden, wirkt solche Verschwendung zynisch.
Besonders problematisch ist der Zeitpunkt: Während die Politik über jeden Euro bei der Schuldenbremse diskutiert und soziale Leistungen kürzt, sollte die Bundesbank in einem Milliarden-Palast residieren. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit untergräbt das Vertrauen in die Institution fundamental.
Ein teures Lehrstück
Die Sanierung der Bundesbank-Zentrale wird zum Lehrstück über die Gefahren von Prestigeprojekten im öffentlichen Sektor. Sie zeigt, wie sich gut gemeinte Modernisierungspläne zu unkontrollierbaren Kostenmonstern entwickeln können, besonders wenn denkmalgeschützte Bausubstanz, Schadstoffsanierung und höchste Sicherheitsanforderungen – Stichwort Goldlager – zusammentreffen.
Gleichzeitig offenbart das Projekt die institutionellen Schwächen im deutschen Bauwesen: unzureichende Kostenkontrolle, zu optimistische Planungen und mangelnde Bereitschaft, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen. Was bei privaten Bauherren längst zu Insolvenz geführt hätte, wird bei öffentlichen Projekten mit Steuergeld aufgefangen.
Offene Fragen an die Zukunft
Der Ausgang des Bundesbank-Dramas bleibt offen. Wird die Kostensenkung gelingen, oder verschieben sich die Milliarden nur in die Zukunft? Ist eine Rückkehr nach Bockenheim überhaupt noch realistisch, oder wäre ein Neuanfang anderswo der ehrlichere Weg?
Eines steht fest: Die Deutsche Bundesbank wird aus dieser Affäre nicht unbeschädigt hervorgehen. Das Vertrauen in ihre Fähigkeit zur Kostenkontrolle ist erschüttert, ihre Glaubwürdigkeit als Mahnerin für Haushaltsdisziplin beschädigt. Es ist ein teurer Preis für ein Prestigeprojekt, das niemals hätte begonnen werden dürfen.
In einer Zeit, in der jeder öffentliche Euro gerechtfertigt werden muss, ist die Bundesbank-Sanierung zu einem Monument deutscher Verschwendungssucht geworden. Ein Milliardengrab, das mahnt: Auch Hüter der Haushaltsdisziplin sind nicht vor den Versuchungen des Größenwahns gefeit.
Quellen:
Bundesbank-Zentrale verschlingt Milliarden: Das Milliardengrab in Frankfurt
Bundesbank verschlankt Bauprojekt ihrer Zentrale
Umbaupläne der Bundesbank-Zentrale stehen zur Disposition
Bundesrechnungshof zerpflückt zentrales Bundesbank-Bauprojekt