Von Ralf Keuper

Ein Event, das zu besu­chen sich gelohnt hat. Am 20.04.17 eröff­ne­te Cap­co in Frank­furt in direk­ter Nach­bar­schaft zur Alten Oper offi­zi­ell sei­ne neue Kol­la­bo­ra­ti­ons­platt­form namens iLab.

Vor ca. 60 gela­de­nen Gäs­ten prä­sen­tier­te zunächst Dirk Lin­nen­brüg­ger, Seni­or Part­ner bei Cap­co, die neue Kol­la­bo­ra­ti­ons­um­ge­bung, die es den Mit­ar­bei­tern ermög­licht, inter­ak­tiv und mul­ti­me­di­al auf die Exper­ti­se ihrer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen welt­weit, z.B. mit­tels Video/​Chat, zugrei­fen zu kön­nen. Wie das in der Pra­xis abläuft, wur­de am Bei­spiel eines Kol­le­gen vor­ge­führt, der, live aus der Nie­der­las­sung in New York zuge­schal­tet, eine Ein­schät­zung des Poten­zi­als der Block­chain-Tech­no­lo­gie im Ban­king abgab. Die neue Arbeits­um­ge­bung hat Ähn­lich­keit mit einem Apple Store, ist also vor­wie­gend weiß gehal­ten. Zusam­men mit moderns­ter Dis­play­tech­no­lo­gie an den Wän­den und offe­nen Sitz­grup­pen unter­streicht das den Cap­co-Leit­spruch „Forming the Future of Finance“.

In sei­nem Vor­trag Die digi­ta­le Rei­se der Alli­anz SE, gab Dr. Ralf Schnei­der, Group CIO Alli­anz SE, einen Ein­blick in den Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess, in dem sich die Alli­anz befin­det. Dabei geht es, wie soll­te es auch anders sein, im Wesent­li­chen um die Digi­ta­li­sie­rung. Schnei­der macht den Wan­del der letz­ten Jahr­zehn­te, der unter dem Schlag­wort Digi­ta­li­sie­rung die Run­de macht, vor allem an zwei Per­so­nen fest: An John von Neu­mann und Tim Ber­ners-Lee.

John von Neu­mann war ver­ant­wort­lich für den Bau des ers­ten Uni­ver­sal­rech­ners, auch bekannt als Von-Neu­mann-Rech­ner, und gilt über­dies als „Vater des digi­ta­len Zeit­al­ters“ (Vgl. dazu: Turings Kathe­dra­le: Die Ursprün­ge des digi­ta­len Zeit­al­ters). Noch immer basie­ren die meis­ten der heu­ti­gen Com­pu­ter auf der Von Neu­mann – Archi­tek­tur. Von Neu­mann und sein Team am Insti­tu­te for Advan­ced Stu­dy in Prince­ton mach­ten die moder­ne Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung, zu deren ers­ten Anwen­dern Ban­ken und Ver­si­che­rer zähl­ten, möglich.

Der nächs­te Schub setz­te mit der Erfin­dung des Inter­net durch Tim Ber­ners-Lee ein. Durch die Ver­net­zung ist seit­dem die Kom­mu­ni­ka­ti­on bzw. Kol­la­bo­ra­ti­on über räum­li­che und zeit­li­che Gren­zen hin­weg mög­lich. Der Erfin­der­stolz hält sich bei Ber­ners-Lee mitt­ler­wei­le in Gren­zen, wie aus Er erfand vor 28 Jah­ren das Inter­net – die­se drei Din­ge stö­ren ihn heu­te gewal­tig hervorgeht.

Das Ende der Ent­wick­lung ist nicht abzu­se­hen. Längst sind neue Tech­no­lo­gien, wie die Block­chain oder Künst­li­che Intel­li­genz (Deep Lear­ning) dabei, eine neue Pha­se der Digi­ta­li­sie­rung ein­zu­läu­ten. Alles, was sich digi­ta­li­sie­ren lässt, wird digi­ta­li­siert wer­den – bis hin zu Gefüh­len bzw. zur Empa­thie. (Hier habe ich per­sön­lich Zwei­fel, da Gefüh­le an den mensch­li­che Kör­per gebun­den sind. Vgl. dazu: Des­car­tes‘ Irr­tum. Füh­len, Den­ken und das mensch­li­che Gehirn).

Das eigent­li­che Pro­blem der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on besteht nach Schnei­der dar­in, den rich­ti­gen Zeit­punkt für die Ver­la­ge­rung der inter­nen Res­sour­cen in neue, viel­ver­spre­chen­de Geschäfts­fel­der zu tref­fen, ohne dabei den lau­fen­den Betrieb und damit den Groß­teil der Ein­nah­men zu gefähr­den. Künf­tig ist jedes Unter­neh­men auf star­ke Part­ner ange­wie­sen, um den Wan­del erfolg­reich bewäl­ti­gen zu kön­nen. Allein auf sich gestellt, ist das auch einer Alli­anz kaum mehr mög­lich. Von gro­ßer Bedeu­tung bleibt auch im Zeit­al­ter der Cloud die zen­tra­le Daten­hal­tung. Bei der Alli­anz sind bereits 40 Pro­zent der Arbeits­plät­ze vir­tua­li­siert, d.h. die Mit­ar­bei­ter kön­nen auf die Arbeits­vor­gän­ge von allen Devices aus, ob zuhau­se oder im Büro, zugrei­fen – und das ohne Bruch – man steigt immer wie­der beim letz­ten Stand ein.

Erfolgs­kri­tisch in Zukunft ist das The­ma Cyber­si­cher­heit und damit letzt­lich der Risk Appe­ti­te des Unter­neh­mens. Eine ent­spre­chen­de IT-Gover­nan­ce ist daher unab­ding­bar. Trotz zuneh­men­der Digitalisierung/​Computerisierung bleibt der mensch­li­che Fak­tor; ent­schei­dend sind weni­ger das Wis­sen bzw. des­sen Aneig­nung, son­dern die Fertigkeiten/​Skills der Mit­ar­bei­ter, das Wis­sen anzu­wen­den und im Team zu erar­bei­ten und zu ver­brei­ten. Das heu­ti­ge Top-Manage­ment ist dar­auf noch nicht eingestellt.

Ein wei­te­res High­light des Abends war der Vor­trag Nächs­te Aus­fahrt Zukunft – wie die digi­ta­le Revo­lu­ti­on unse­re Zukunft ver­än­dert des bekann­ten Fern­seh­mo­de­ra­tors und Wis­sen­schafts­jour­na­lis­ten Ran­ga Yogeshwar.

Das Pro­blem ist noch, dass wir mit über­kom­me­nen Denk­ka­te­go­rien ver­su­chen, die Gegen­wart zu deu­ten und die Zukunft zu ent­wer­fen. Dabei sind wir mit einer Situa­ti­on kon­fron­tiert, die es bis­her in der Geschich­te der Mensch­heit so nicht gege­ben hat: Wir kön­nen die Zukunft sel­ber gestal­ten und ent­schei­den, wie sie aus­se­hen soll und was wir bes­ser sein las­sen, wie bei­spiels­wei­se beim Umgang mit dem The­ma Algo­rith­men. Wol­len wir wirk­lich High-Fre­quent-Tra­ding? Wie sieht es mit der mora­li­schen Bewer­tung des Han­delns von Algo­rith­men aus? Ist alles erlaubt, was tech­nisch mög­lich ist? Der Fort­schritt betrifft nicht mehr nur die alten Indus­trie­län­der, son­dern bezieht den gan­zen Glo­bus ein, wie die Bei­spie­le Chi­na und Indi­en zei­gen. Dage­gen blei­ben Afri­ka und Süd­ame­ri­ka zurück. Eigent­lich kön­nen wir es uns nicht erlau­ben, dass gan­ze Kon­ti­nen­te zurück­fal­len, wie u.a. die Migra­ti­ons­be­we­gun­gen der letz­ten Zeit ver­deut­li­chen. Die Gesell­schaf­ten benö­ti­gen mehr Sta­bi­li­tät und müs­sen daher bestrebt sein, die Grä­ben zwi­schen Pri­vi­le­gier­ten und Nicht-Pri­vi­le­gier­ten zu über­win­den; jeden­falls nicht noch wei­ter zu ver­tie­fen. Ziel sei bzw. ist die Wir-Gesell­schaft, in der das Tei­len von Besitz im Vor­der­grund steht, wie beim Car-Sha­ring. Die größ­te Her­aus­for­de­rung für die Auto­mo­bil­her­stel­ler bestehe sei­ner Ansicht nach nicht im auto­no­men Fah­ren, son­dern dar­in, dass die nach­wach­sen­de Gene­ra­ti­on kein aus­ge­präg­tes Inter­es­se an dem Besitz bzw. Eigen­tum eines Autos mehr hat.

In Anleh­nung an ein Zitat von Picas­so sag­te Yogeshwar: Wir müs­sen die Zukunft nicht suchen, son­dern (nur) finden.

Wie in kaum einer ande­ren Bran­che, wird im Ban­king der Begriff „Dis­rup­ti­on“ ver­wen­det. Dabei ent­steht häu­fig der Ein­druck, als han­de­le es sich dabei um ein rela­tiv neu­es Phä­no­men. Dem ist nicht so, wie Yogeshwar am Bei­spiel des größ­ten Export­schla­gers der USA im 19. Jahr­hun­dert ver­an­schau­lich­te: Dem Eis, was mich über­rasch­te, da ich, wie eini­ge ande­re Gäs­te auch, davon aus­ge­gan­gen war, dass es die Baum­wol­le war (Vgl. dazu: Fre­de­ric Tudor: Wie der Export von Eis zum glo­ba­len Geschäft wur­de). Als der Kühl­schrank sich durch­setz­te, war es mit dem Eis­ge­schäft schlag­ar­tig vorbei.

Gro­ßes Ver­än­de­rungs­po­ten­zi­al beschei­nigt Yogeshwar der Block­chain-Tech­no­lo­gie. Das vor allem wegen ihres dezen­tra­len Cha­rak­ters. Die Bestre­bun­gen der Ban­ken, nun ihrer­seits die Block­chain in Koope­ra­ti­on für sich zu nut­zen, obwohl es ihrem eige­nen Geschäfts­mo­dell als Finanz­in­ter­me­di­är wider­spricht, ist, wohl nicht für Yogeshwar, nicht ohne Iro­nie; zei­ge aber, wie ernst die­se Tech­no­lo­gie zu neh­men ist. Eben­so gro­ßes Poten­zi­al beschei­nigt Yogeshwar der Künst­li­chen Intel­li­genz, wie in Form von Sprach­as­sis­ten­ten. Mitt­ler­wei­le hät­ten wir hier eine neue Stu­fe erreicht, wie er am Bei­spiel des Goog­le-Assis­ten­ten ver­deut­lich­te – Auf die Fra­ge, wie alt er sei, gab der Assis­tent die kor­rek­te Ant­wort: 57. Die anschlie­ßen­de Fra­ge: Wo ist er gebo­ren: In Luxem­burg, mache deut­lich, dass die Sys­te­me mitt­ler­wei­le selbst ler­nen kön­nen. Frü­her sei es nötig gewe­sen zu fra­gen: Wo ist Ragan Yogeshwar gebo­ren? Heu­te reicht: Wo ist er gebo­ren? d.h. das Sys­tem ist in der Lage zu mer­ken. Ein wei­te­res Bei­spiel war die Ein­spie­lung eines Kla­vier­stü­ckes, das ein­mal von Algo­rith­men, das ande­re Mal von den Töch­tern Yogeshwars gespielt wur­de. Ich gehör­te zu denen, die dane­ben lagen, d.h. ich hat­te das Algo­rith­men-Stück für das der Töch­ter gehal­ten. Die Mehr­heit der Anwe­sen­den war da jedoch treff­si­che­rer als ich 😉

Das Buch wird, so Yogeshwar, künf­tig nur noch in digi­ta­ler Form exis­tie­ren (Da bin ich etwas ande­rer Ansicht). Dem­nächst wer­den unse­re Lese­ge­wohn­hei­ten eben­so erfasst, wie die Bewe­gung unse­rer Augen. Die Daten wer­den per­ma­nent aus­ge­tauscht, wie z.B. mit Kran­ken­kas­sen. Künf­tig könn­te es also vor­kom­men, dass man wäh­rend der Lek­tü­re auf ein­mal einen Hin­weis sei­ner Kran­ken­kas­se bekommt, die Bewe­gung der Augen deu­te dar­auf hin, dass man Par­kin­son-gefähr­det sei. Kei­ne wirk­lich ver­lo­cken­de Aussicht.

So sehr die Tech­no­lo­gie unser Leben beein­flus­se, viel­leicht sogar in mehr Fäl­len als uns lieb ist bestim­men wird, blei­ben der Schutz der Umwelt und die Erhal­tung der Sta­bi­li­tät der mensch­li­chen Gesell­schaft über­ge­ord­ne­te Ziele.

Kurz­um: Ein aus­ge­spro­chen gelun­ge­nes Event mit vie­len Anre­gun­gen. Vie­len Dank an das Team von Capco.

Hin­weis: Auch wenn der Ein­druck ent­ste­hen mag,  han­delt es sich hier, wie übri­gens bei allen Arti­keln auf die­sem Blog, um kei­nen bezahl­ten Bei­trag. Der Gewinn für die Lese­rin­nen und Leser sowie für mich besteht, so hof­fe ich jeden­falls, in den gewon­nen Erkennt­nis­sen und Anre­gun­gen zum Weiterdenken.

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