Eine alte Faust­re­gel besagt, dass Ban­kiers nur sel­ten von den Unter­neh­men genug ver­ste­hen, die sie beauf­sich­ti­gen und bera­ten sollen.

Das trifft genau­so auf den Bereich der Indus­trie im enge­ren Sin­ne wie auf Dienst­leis­tun­gen zu. Die Erklä­rung liegt dar­in, dass jede Unter­neh­mens­füh­rung zwei Dimen­sio­nen hat: das intel­lek­tu­el­le Durch­drin­gen des für ein erfolg­rei­ches Wir­ken benö­tig­ten Ein­sat­zes von Men­schen, Maschi­nen und Geld, zugleich aber, und das ist ganz und gar unver­zicht­bar, das nur aus unmit­tel­ba­rer Nähe ent­ste­hen­de Wis­sen um die Märk­te und die poten­ti­el­len Kun­den eines Unter­neh­mens wie auch um die Men­schen, die in aller Welt dafür arbei­ten. Das ers­te mag man mit gesun­dem Men­schen­ver­stand wenigs­tens eini­ger­ma­ßen beherr­schen; das zwei­te erfor­dert ein Ein­füh­lungs­ver­mö­gen, das nicht auf Hören­sa­gen, son­dern nur auf kon­kre­tem Wis­sen beru­hen kann.

Genau hier aber liegt das Pro­blem: Vie­le Ban­kiers ver­wech­seln jenes Hören­sa­gen, das ein unver­zicht­ba­rer Bestand­teil ihres eige­nen Metiers ist, mit den wohl­be­grün­de­ten Kennt­nis­sen, die erfor­der­lich sind, um dar­aus Beur­tei­lung und Rat abzu­lei­ten. Die Fol­ge ist oft genug jenes auch für man­che Unter­neh­mens­be­ra­ter cha­rak­te­ris­ti­sche Bestre­ben, sich selbst auf kei­nen Fall auf Ent­schei­dun­gen fest­le­gen zu las­sen, die Risi­ken beinhal­ten. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand alles bes­ser zu wis­sen, wiegt leicht, dafür womög­lich haft­bar gemacht zu wer­den, schon schwerer. …

Alfred Herr­hau­sen war eine der Aus­nah­men, die die Regel bestä­ti­gen. Inner­halb der Deut­schen Bank galt er nicht zuletzt des­we­gen als Außen­sei­ter, weil er ursprüng­lich aus einem Unter­neh­men der Ener­gie­ver­sor­gung kam. Weit mehr als die zwangs­läu­fig auch bei ihm nur begrenzt vor­han­de­nen spe­zi­fi­schen Erfah­run­gen in der ver­ar­bei­ten­den Indus­trie unter­schied ihn aller­dings der Mut, sich fest­zu­le­gen, von vie­len sei­ner Kol­le­gen – zumal er ver­stan­den hat­te, dass dafür die Bereit­schaft uner­läss­lich ist, sich inten­siv und in Ruhe mit den sach­li­chen wie per­so­nel­len Pro­ble­men ver­traut zu machen, anstatt sich auf sein Gefühl zu ver­las­sen, wes es man­ches Mal eher am Stamm­tisch behei­ma­tet sein mag.

Quel­le: Schein und Wirk­lich­keit. Erinnerungen