Die deut­sche Fin­tech-Sze­ne fei­ert sich mit Prei­sen und Uni­corn-Geschich­ten. Doch wäh­rend der Fin­tech Ger­ma­ny Award als Erfolgs­ba­ro­me­ter gilt, zeigt die Rea­li­tät ein ande­res Bild: BaFin-Auf­la­gen, frag­wür­di­ge Bewer­tun­gen und eine Bran­che, die mehr Sto­rytel­ling als Sub­stanz pro­du­ziert. Ein kri­ti­scher Blick auf Ber­lins domi­nan­te Start-up-Kul­tur und die Fra­ge, was die Ein­horn-Bewer­tun­gen wirk­lich wert sind.


Die zehn­te Ver­lei­hung des Fin­tech Ger­ma­ny Award (FTGA) lie­fert ein bezeich­nen­des Stim­mungs­bild einer Bran­che, die sich ger­ne selbst als Inno­va­ti­ons­trei­ber insze­niert[1]Gefei­er­te Finanz-Start­ups geben sich die Ehre. Ber­lin domi­niert mit einem Drit­tel aller deut­schen Fintechs, und die übli­chen Ver­däch­ti­gen – Reg­pit, Upvest, Rai­sin – sam­meln erneut Aus­zeich­nun­gen ein. Der Award, so die offi­zi­el­le Les­art, fun­gie­re als „Früh­in­di­ka­tor” für kom­men­de Erfolgs­ge­schich­ten. Drei­zehn Ein­hör­ner sei­en aus dem Pool frü­he­rer Preis­trä­ger her­vor­ge­gan­gen, dar­un­ter N26, Trade Repu­blic, Sola­ris und Wise. Sieb­zig Pro­zent der Gewin­ner hät­ten ihre Bewer­tung nach der Aus­zeich­nung min­des­tens ver­dop­pelt. Die Insol­venz­quo­te lie­ge bei nied­ri­gen 6,1 Pro­zent. Eine beein­dru­cken­de Bilanz – zumin­dest auf den ers­ten Blick.

Bei nähe­rer Betrach­tung offen­bart sich jedoch eine Kluft zwi­schen media­lem Glanz und ope­ra­ti­ver Rea­li­tät. Der FTGA misst pri­mär Sicht­bar­keit, Finan­zie­rungs­vo­lu­mi­na und Jury-Prä­fe­ren­zen. Was er nicht misst, sind nach­hal­ti­ge Geschäfts­mo­del­le, belast­ba­re Erträ­ge oder tat­säch­li­che Markt­durch­drin­gung. Die gefei­er­ten Ein­horn-Bewer­tun­gen spie­geln Inves­to­re­ner­war­tun­gen wider, nicht wirt­schaft­li­che Sub­stanz. Sie sind Buch­wer­te, kei­ne Bilanzkennzahlen.

Die Per­for­mance der pro­mi­nen­tes­ten FTGA-Alum­ni illus­triert die­se Dis­kre­panz ein­drucks­voll. N26 kämpft seit Jah­ren mit wie­der­keh­ren­den Com­pli­ance-Pro­ble­men und BaFin-Auf­la­gen zur Geld­wä­sche­prä­ven­ti­on. Sola­ris muss­te eben­falls regu­la­to­ri­sche Stra­fen hin­neh­men und öffent­li­che Kri­tik an man­gel­haf­ter inter­ner Kon­trol­le ein­ste­cken. Trade Repu­blic ver­zeich­net zwar hohe Nut­zer­zah­len, doch die Pro­fi­ta­bi­li­tät bleibt frag­lich, und das Geschäfts­mo­dell steht unter zuneh­men­dem regu­la­to­ri­schem und Wett­be­werbs­druck. Selbst Rai­sin, erfolg­reich bei Expan­si­on und Pro­dukt­di­ver­si­fi­ka­ti­on, weist eine nur gerin­ge Pro­fi­ta­bi­li­tät aus.

Die BaFin ist zum stän­di­gen Beglei­ter der deut­schen Fin­tech-Sze­ne gewor­den – ein Warn­si­gnal, dass Gover­nan­ce- und Com­pli­ance-Kom­pe­tenz sys­te­ma­tisch zu kurz kom­men. Wäh­rend auf Award-Büh­nen Inno­va­ti­ons­rhe­to­rik zele­briert wird, müs­sen Auf­sichts­be­hör­den grund­le­gen­de Stan­dards durch­set­zen. Das ist kein Kol­la­te­ral­scha­den schnel­len Wachs­tums, son­dern ein Strukturproblem.

Hin­zu kommt die man­geln­de Diver­si­tät. Ber­lin domi­niert nicht nur geo­gra­fisch, son­dern auch the­ma­tisch. Die­sel­ben Unter­neh­men wer­den wie­der­holt aus­ge­zeich­net, fri­sche Ideen kom­men kaum durch. Das deu­tet auf Kon­so­li­die­rung und eta­blier­te Netz­werk­struk­tu­ren hin – Merk­ma­le rei­fer Märk­te, nicht dis­rup­ti­ver Öko­sys­te­me. Für einen Inno­va­ti­ons­stand­ort, der sich mit Sili­con-Val­ley-Ambi­tio­nen schmückt, ist das ein ernüch­tern­der Befund.

Der FTGA ist weni­ger Früh­in­di­ka­tor als viel­mehr Ver­stär­ker bestehen­der Macht­ver­hält­nis­se. Er bestä­tigt, wer ohne­hin bereits Kapi­tal, Auf­merk­sam­keit und Zugang zu Ent­schei­dungs­trä­gern hat. Das macht ihn zu einem inter­es­san­ten Markt­si­gnal für kon­so­li­dier­te Geschäfts­mo­del­le – aber nicht für ech­te Inno­va­ti­on oder bran­chen­ver­än­dern­de Disruption.

Die deut­sche Fin­tech-Sze­ne pro­du­ziert vor allem eines beson­ders gut: Sto­rytel­ling. Sie fei­ert sich mit Aus­zeich­nun­gen, Uni­corn-Nar­ra­ti­ven und Bewer­tungs­mil­li­ar­den. Die wirt­schaft­li­che Sub­stanz dahin­ter bleibt oft dünn, die regu­la­to­ri­schen Pro­ble­me hart­nä­ckig, die Inno­va­ti­ons­viel­falt begrenzt.