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Die moder­ne Geld­po­li­tik steht vor kom­ple­xen Her­aus­for­de­run­gen, die eine Balan­ce zwi­schen Sta­bi­li­tät und Wachs­tums­för­de­rung erfor­dern. Doch ein Blick in die Geschich­te zeigt, dass vie­le der heu­ti­gen Dilem­ma­ta bereits vor Jahr­hun­der­ten gelöst wur­den – wenn auch in ande­rem Gewand. Die Arbeit Cen­tral Bank Liqui­di­ty Trans­for­ma­ti­on and Col­la­te­ral Frame­works – Les­sons from 1682 von Ulrich Bind­seil, Hen­drik Mäke­l­er und Chris­to­pher Pihl über zen­tral­bank­ge­stütz­te Liqui­di­täts­trans­for­ma­ti­on und Sicher­hei­ten­rah­men aus dem Jahr 1682 wirft ein fas­zi­nie­ren­des Licht auf die Kon­ti­nui­tä­ten und Wand­lun­gen der Zentralbankpolitik.

Ein Blick zurück: Die Riks­bank als Pionier

Im Jahr 1682 doku­men­tier­te die schwe­di­sche Rik­sens Stän­ders Låne­bank einen schein­bar all­täg­li­chen Vor­gang: die Kre­dit­ver­ga­be an den Bau­ern Olof Olofs­son gegen die Ver­pfän­dung sei­nes Lan­des. Was auf den ers­ten Blick wie eine simp­le Geschäfts­trans­ak­ti­on erscheint, offen­bart bei genaue­rer Betrach­tung die Grund­prin­zi­pi­en moder­ner Zen­tral­bank­po­li­tik. Die Betei­li­gung zwei­er Bür­gen – Johan Holm und Lou­is Fle­dorph – sowie die sorg­fäl­ti­ge Regis­trie­rung der Garan­tie im Jahr 1703 zeu­gen von einem bereits hoch­ent­wi­ckel­ten Risi­ko­ma­nage­ment, das auf recht­li­cher Sicher­heit und der Ver­mei­dung mehr­fa­cher Ver­pfän­dung basierte.

Die­se his­to­ri­sche Moment­auf­nah­me ist mehr als nur ein Kurio­sum der Ban­ken­ge­schich­te. Sie stellt einen weit­ver­brei­te­ten Mythos in Fra­ge: die Vor­stel­lung, dass frü­he Zen­tral­ban­ken pri­mär als Finan­zie­rungs­in­stru­men­te für Regie­run­gen dien­ten. Tat­säch­lich zei­gen die Daten der Riks­bank ein völ­lig ande­res Bild. In den ers­ten Jahr­zehn­ten ihres Bestehens stamm­ten weni­ger als fünf Pro­zent ihrer Ver­mö­gens­wer­te aus staat­li­cher Finan­zie­rung. Der über­wie­gen­de Teil bestand aus pri­va­ten Kre­di­ten, die durch Immo­bi­li­en besi­chert waren – eine Pra­xis, die der heu­ti­gen Real­wirt­schafts­fi­nan­zie­rung ver­blüf­fend ähnelt.

Kon­ti­nui­tät in der Diskontinuität

Die­se his­to­ri­sche Erkennt­nis wirft ein neu­es Licht auf die Ent­wick­lung der Zen­tral­bank­po­li­tik. Ent­ge­gen der linea­ren Erzäh­lung einer zuneh­men­den Fokus­sie­rung auf Staats­fi­nan­zie­rung zeigt sich eine bemer­kens­wer­te Kon­ti­nui­tät in der För­de­rung real­wirt­schaft­li­cher Akti­vi­tä­ten. Die Deut­sche Bun­des­bank prak­ti­zier­te bis in die 1990er Jah­re hin­ein eine ähn­li­che Poli­tik, und auch das heu­ti­ge Euro­sys­tem setzt mit sei­nen Kre­dit­rah­men seit 2006 und den geziel­ten län­ger­fris­ti­gen Refi­nan­zie­rungs­ge­schäf­ten (TLTROs) der Euro­päi­schen Zen­tral­bank die­se Tra­di­ti­on fort.

Die­se Kon­ti­nui­tät ist kein Zufall, son­dern spie­gelt eine fun­da­men­ta­le Erkennt­nis wider: Eine aus­ge­wo­ge­ne Mischung von pri­va­ten und öffent­li­chen Ver­mö­gens­wer­ten auf der Zen­tral­bank­bi­lanz wirkt sta­bi­li­täts­för­dernd. Die schwe­di­sche Erfah­rung von 1682 demons­triert bereits die Vor­tei­le einer diver­si­fi­zier­ten Anla­ge­stra­te­gie, die Risi­ken streut und gleich­zei­tig pro­duk­ti­ve Inves­ti­tio­nen in der Real­wirt­schaft ermöglicht.

Moder­ne Rele­vanz his­to­ri­scher Praktiken

Die Ana­ly­se des 340 Jah­re alten Doku­ments offen­bart erstaun­li­che Par­al­le­len zu heu­ti­gen geld­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen. Wie ihre his­to­ri­schen Vor­gän­ger ste­hen moder­ne Zen­tral­ban­ken vor der Auf­ga­be, Liqui­di­tät bereit­zu­stel­len, ohne dabei über­mä­ßi­ge Risi­ken ein­zu­ge­hen. Die sorg­fäl­ti­ge Doku­men­ta­ti­on und Regis­trie­rung der Sicher­hei­ten im Jahr 1682 ent­spricht den heu­ti­gen Anfor­de­run­gen an Trans­pa­renz und Risi­ko­kon­trol­le in der Geldpolitik.

Beson­ders bemer­kens­wert ist die Erkennt­nis, dass pri­va­te Sicher­hei­ten und aus­ge­klü­gel­tes Risi­ko­ma­nage­ment bereits seit Jahr­hun­der­ten zen­tra­le Ele­men­te der Zen­tral­bank­po­li­tik sind. Dies rela­ti­viert moder­ne Debat­ten über die “Gren­zen” der Geld­po­li­tik und zeigt auf, dass eine akti­ve­re Rol­le bei der Real­wirt­schafts­fi­nan­zie­rung durch­aus mit der tra­di­tio­nel­len Zen­tral­bank­funk­ti­on ver­ein­bar ist.

Leh­ren für die Gegenwart

Die his­to­ri­sche Per­spek­ti­ve bie­tet wert­vol­le Ein­sich­ten für die gegen­wär­ti­ge Geld­po­li­tik. Sie ver­deut­licht, dass die Balan­ce zwi­schen pri­va­ter und staat­li­cher Finan­zie­rung kein moder­nes Dilem­ma ist, son­dern eine jahr­hun­der­te­al­te Her­aus­for­de­rung, die erfolg­reich gemeis­tert wer­den kann. Die schwe­di­sche Riks­bank bewies bereits 1682, dass stren­ge Risi­ko­kon­trol­len und inno­va­ti­ve Sicher­hei­ten­rah­men eine soli­de Grund­la­ge für eine expan­si­ve, aber ver­ant­wor­tungs­vol­le Kre­dit­po­li­tik bil­den können.

Für heu­ti­ge Zen­tral­ban­ker mag die­se his­to­ri­sche Lek­ti­on beson­ders rele­vant sein, da sie sich mit den Aus­wir­kun­gen unkon­ven­tio­nel­ler Geld­po­li­tik aus­ein­an­der­set­zen. Die Erfah­rung zeigt, dass eine Rück­be­sin­nung auf bewähr­te Prin­zi­pi­en – diver­si­fi­zier­te Sicher­hei­ten­port­fo­li­os, stren­ge Risi­ko­be­wer­tung und trans­pa­ren­te Ver­fah­ren – auch in Zei­ten außer­ge­wöhn­li­cher geld­po­li­ti­scher Maß­nah­men Ori­en­tie­rung bie­ten kann.

Die Geschich­te der Zen­tral­bank­po­li­tik ist somit weni­ger eine Erzäh­lung des Bruchs als viel­mehr eine der Kon­ti­nui­tät grund­le­gen­der Prin­zi­pi­en. Das Doku­ment von 1682 erin­nert uns dar­an, dass effek­ti­ve Geld­po­li­tik schon immer auf der geschick­ten Balan­ce zwi­schen Inno­va­ti­on und bewähr­ten Prak­ti­ken, zwi­schen pri­vat­wirt­schaft­li­cher För­de­rung und makro­öko­no­mi­scher Sta­bi­li­tät beruhte.