Von Ralf Keuper
Wie Michael E. Porter und Victor E. Millar bereits Mitte der 1980er Jahre in Wettbewerbsvorteile durch Information feststellten, werden die Wertschöpfungsketten von Branchen, deren Produkte sehr informationsintensiv sind, durch die Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie grundlegend verändert. Neben den Medienunternehmen sind Banken von dieser Entwicklung besonders betroffen. In seinem letzten Buch Management für das 21. Jahrhundert diagnostizierte bzw. prognostizierte Peter F. Drucker einen Wandel in der IT. Und zwar sprach einer von einer Akzentverschiebung vom “T” auf das “I”, d.h. der Umgang mit der Information gewinnt gegenüber der reinen Technologie die Oberhand. Eine Zwischenstellung nimmt Daniel Bell mit seinen Intellektuellen Technologien ein.
Unter dem Schlagwort “Big Data” steht das Thema Informationsmanagement inzwischen bei vielen Unternehmen und auch einigen Banken ganz oben auf der Agenda. Die zögerliche Haltung der Banken bei ihrem Kernthema, der Informationsverarbeitung, überrascht auf den ersten Blick.
Bisher gilt die Aufmerksamkeit in den Banken vorwiegend den strukturierten Informationen, die in den Datenbanken abgelegt sind. Nach Ansicht von Paul Königer und Walter Reithmayer (Management unstrukturierter Informationen) liegt das eigentliche Potential der Informationen jedoch in den unstrukturierten Daten. Ein Punkt, den auch die Verfechter von “Big Data” betonen. Externe Informationen, wie beispielsweise aus den sozialen Netzwerken, bekommen dadurch ein neues bzw. überhaupt erst Gewicht.
Allerdings besteht auch hier die Gefahr, Quantität mit Qualität zu verwechseln, sich im Meer der unstrukturierten Informationen zu verlieren.
Die Frage muss daher lauten: Wie kommen wir dahin, dass wir aus (strukturierten und unstrukturierten) Informationen einen “Mehrwert” ziehen, indem wir zu neuen Einsichten oder Fragestellungen kommen, die uns auf Gelegenheiten hinweisen, die unserem aufmerksamen Blick bisher entgangen sind? Kurzum: Wie gelingt es uns, die Informationen zu veredeln? Und wie gehen wir mit dem “Informationsmüll” um, wie verhindern wir ein zu großes Müllvolumen, das unsere Verarbeitungskapazitäten einschränkt?
Dazu sind zunächst grundsätzliche Überlegungen nötig:
Die Informationstheorie unterscheidet zwischen syntaktischen, semantischen und pragmatischen Dimensionen der Informationen. Während die syntaktische Dimension der Information lediglich die Beziehung der Zeichen zueinander umfasst, geht es bei der semantischen um die Bedeutung der Zeichen, d.h. die Frage, wofür sie stehen. Die pragmatische wiederum geht darüber hinaus, indem sie fragt, welche Handlungsaufforderung von der Information für den Sender und Empfänger ausgeht.
Letztlich läuft es darauf hinaus, dass der Wert der Informationen dann am größten ist, wenn es gelingt, verborgen gebliebene Zusammenhänge zu erkennen, wodurch neue Informationen entstehen; oder in den Worten von Manfred Eigen und Ruth Winkler:
Eine Nachricht, die man empfängt, soll verstanden werden. Dazu muss sie ihren Sinn >offenbarenneueSinnbewertung< – denn das ist Selektion schließlich – hervor. (in: Das Spiel – Naturgesetze steuern den Zufall)
Welche Möglichkeiten stehen uns heute bei der Gewinnung neuer Informationen und der Sinnbewertung zur Verfügung?
Eine Frage, die insbesondere für Banken und Finanzinstitute, von Belang ist, da das Zahlungsmittel Geld immer abstrakter wird, Stichwort: Digitale Währungen. Wie bekommen wir Sinn in die Daten/Informationen, wie schöpfen wir neue Informationen, welche Selektionsverfahren brauchen wir dafür?
Hinweis: Ich verwende hier Daten und Informationen häufig synonym. Die Theorie unterscheidet hier jedoch streng.
Informationsvisualisierung
Das wäre einmal das noch relativ neue bzw. unbekannte Gebiet der Informationsvisualisierung zu nennen, als deren Hauptvertreter Edward Tufte, der “Leonardo da Vinci of data” oder “The Gallilei of graphics” gilt.
In Deutschland ist das Fraunhofer IDG in Darmstadt eine führende Adresse auf dem Gebiet der Informationsvisualisierung / Visual Analytics / Semantik Visualisierung.
Klassifikation
Für Königer und Rheitmayer liegt in der Klassifikation der Schlüssel für die Wertschöpfung:
Klassifikation stellt inhaltliche Beziehungen zwischen Informationen her und ist damit Wertschöpfung. .. Je besser es gelingt, für die heutigen Informationsmassen Klassifikationen zu verbreiten, um so leichter wird uns der Umgang mit ihnen fallen. (in: Management unstrukturierter Informationen. Wie Unternehmen die Informationsflut beherrschen können)
Welche Klassifikationen werden derzeit im Banking verwendet? Sind sie noch zeitgemäß? Passen sie noch zur Umwelt, zum eigentlichen Geschäft? Erst, wenn wir die richtigen Klassifikationen, die richtigen Kategorien verwenden, kommen wir zu den richtigen Fragen und Antworten. Welche Rolle können Analogien dabei spielen? Welche Aufgaben muss/kann die Technik, welche der Mensch übernehmen?
Informationskultur
Um das Potential der Informationen ausschöpfen zu können, bedarf es neben der Klassifizierung und Visualisierung auch der entsprechenden Kultur. Königer und Rheitmayer sprechen von der “Informationskultur”. IBM betont die Notwendigkeit einer Information Agenda.
Entsprich die Kultur in den Banken der wachsenden strategischen Bedeutung, die das Informationsmanagement für das Banking bereits jetzt schon erreich hat?
Viele der neuen Herausforderer der Banken, genannt sei nur der Bereich Social Scoring, sind hier schon deutlich weiter.
Welche Herausforderungen ergeben sich noch aus den genannten Entwicklungen?
Dazu in einem weiteren Beitrag mehr.