Von Ralf Keuper
In einem Interview mit der Börsen Zeitung mit den beiden Stresstest-Verantwortlichen der EBA, Kamil Liberadzki und Angel Monzon, kommen diese zu dem Ergebnis, dass die “starke Leistung der Banken im jüngsten Stresstest” beruhigend sei[1]„Die starke Leistung der Banken im Stresstest ist beruhigend“.
Welche “Leistung” und was ist daran beruhigend?
Unter Leistung wird im Rahmen der Annahmen des Stresstests verstanden, dass die Banken sich widerstandsfähig, kapitalstark, rentabel und kreditvergabe-fähig gezeigt haben – und das trotz hypothetisch starker wirtschaftlicher und geopolitischer Turbulenzen. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Resultate auf den Modellen und Szenarien der Aufsicht beruhen und tatsächliche Krisen anders verlaufen können. Eine Top-Leistung in einer simulierten Umgebung zu erbringen, ist jetzt nicht wirklich ein Grund zur Freude und zur Beruhigung, um es vorsichtig auszudrücken. Es handelt sich hierbei lediglich um konstruierte, gestaltete Umwelten[2]Von pluralistischer Ignoranz und Gestaltungshemmung (Karl Weick)[3]Man könnte im Sinne von Ludwik Fleck bei der Erstellung der Testszenarien von Denkkollektiven sprechen, die hier am Werke sind[4]Hans Albert prägte einmal den Begriff des Modell-Platonismus, der das Dilemma gut beschreibt. Die Realität ist stets anders und wirft die schönsten Modellannahmen über den Haufen.
Oder, wie Helmuth von Moltke (der Ältere) einmal über die Grenzen der Strategie sagte, dass Pläne oder Strategien nur bis zum ersten Kontakt mit dem Gegner belastbar sind, danach ist Flexibilität und Improvisation gefragt.
Die Erfahrungen der Vergangenheit sollten hier zu mehr Demut Anlass geben, ebenso wie die Wirtschaftsredakteure vielleicht mal auf die generellen Defizite und Gefahren von Modellannahmen hinweisen bzw. nachfragen sollten. Das setzt allerdings das entsprechende Wissen und einige Erfahrung voraus.
Wie dem auch sei.
- Stresstests sind keine Versicherung gegen Krisen: In der Vergangenheit – etwa vor der Finanzkrise 2008 oder auch vor der Eurokrise – galten viele Banken als gut kapitalisiert und aufsichtsrechtlich stabil, bis plötzlich unerwartete Schocks (z.B. US-Hypothekenkrise, Staatsschuldenkrise) zu massiven Problemen führten. Die damaligen Modelle und Annahmen konnten die tatsächlichen Risiken nicht erfassen.
- Stresstest-Ergebnisse sind modellbasiert: Sie basieren auf Annahmen, Szenarien und historischen Daten. Unvorhergesehene Faktoren, wie komplexe Wechselwirkungen in der Weltwirtschaft, plötzliche politische Entscheidungen, Marktpanik oder technologische Risiken (z.B. Cyberangriffe), können die Belastbarkeit dieser Modelle schnell überschreiten.
- Gefahr der Selbstzufriedenheit: Wenn gute Stresstest-Ergebnisse zu Selbstgefälligkeit, weniger kritischer Selbstprüfung oder einer Entspannung bei der Risikovorsorge führen, ist die scheinbare „Beruhigung“ sogar kontraproduktiv. Die Vergangenheit zeigt, dass Stabilität auf dem Papier nicht vor realen Krisen schützt.
- Dynamische Risiken: Die Finanz- und Bankenwelt ist hochdynamisch. Was heute als robust gilt, kann morgen durch neue Risiken (wie geopolitische Schocks, technologische Veränderungen, Klimarisiken) herausgefordert werden. Die Stresstest-Szenarien passen sich zwar an, bleiben aber immer nur eine Auswahl unter vielen Möglichkeiten.
Mit anderen Worten: Die Aussagekraft von Stresstests ist sehr begrenzt – keinesfalls sollten sie zu Selbstzufriedenheit verleiten.
References
↑1 | „Die starke Leistung der Banken im Stresstest ist beruhigend“ |
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↑2 | Von pluralistischer Ignoranz und Gestaltungshemmung (Karl Weick) |
↑3 | Man könnte im Sinne von Ludwik Fleck bei der Erstellung der Testszenarien von Denkkollektiven sprechen, die hier am Werke sind |
↑4 | Hans Albert prägte einmal den Begriff des Modell-Platonismus, der das Dilemma gut beschreibt |