Von Ralf Keuper
Es ist für Übergangsperioden nicht ungewöhnlich, dass zwei Welten für einige Zeit nebeneinander existieren, bevor eine von ihnen in die Annalen eingeht. Die Seite, die bemüht ist, die Welt von Gestern zu transformieren, bringt eine Reihe von Argumenten, die belegen sollen, dass es eigentlich nur weniger Anpassungen bedarf, um im gewohnten Modus fortfahren zu können. Im Banking etwa bekommt man immer wieder zu hören und zu lesen, es müssten nur die “Customer Experience” verbessert, die Prozesse digitalisiert, wie überhaupt das Geschäftsmodell einer digitalen Transformation unterzogen werden – und schon würden sich die Kunden vor den virtuellen Schaltern drängeln. Falls das noch nicht reicht, dann empfiehlt sich eine Frischzellenkur in Form von Kooperationen mit oder Übernahmen von FinTech-Startups.
Demgegenüber lassen sich Vertreter der anderen Welt nur so wenig wie möglich mit den überkommenen Begriffen und Denkmustern der “alten” Welt ein und kreieren stattdessen ihre eigene. Im Banking können wir seit einiger Zeit die Entstehung digitaler Ökosysteme wie Apple, Amazon, Google, Alibaba, Samsung & Co. beobachten, die immer größere Teile des Bankgeschäfts auf ihre Plattformen lenken. Dort ist das Banking jedoch nur ein Mosaikstein eines großen Ganzen, das sich aus E‑Commerce, Entertainment, Connceted Cars und Internet of Things (IoT) zusammensetzt.
Die Vertreter der alten Welt gehen implizit noch immer von der Annahme aus, dass sie es auch künftig nur mit anderen Banken, nur eben digitalisiert, zu tun haben werden. Das ist ein gefährlicher Irrglaube.
Der entscheidende Unterschied zur guten alten Zeit ist, dass die Infrastruktur, die für die Abwicklung von Bankgeschäften benötigt wird, von den großen Internet- und Technologiekonzernen dominiert wird. Hinzu kommt, dass die Hardware für das Banking, wie Smartphones und Tablet-PCs aus den Fabriken derer stammen, die selber im Bankgeschäft aktiv sind, wie Alibaba, Apple, Samsung und Google – und demnächst LG, Sony, Microsoft und weiteren, die noch kommen werden. Sie sind es, die die digitale Kundenschnittstellen dominieren.
Angesichts dessen sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, der Tag werde wieder kommen, an dem die Kunden feststellen, dass sie ohne die außergewöhnliche Beratungsqualität und das unvergleichliche Ambiente ihrer Bank oder Sparkasse nicht leben können oder wollen, ist, mit Verlaub, wirklichkeitsfremd.