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Von Ralf Keuper

Der lang­jäh­ri­ge Vor­stands­spre­cher und Ehren­vor­sit­zen­de des Auf­sichts­rats der Deut­schen Bank, Her­mann-Josef Abs, eine Art Über­va­ter der ehe­ma­li­gen Deutsch­land AG, galt noch bis zu Beginn der 2000er Jah­re hin­ein als Mit­läu­fer bzw. wenig belas­tet wäh­rend der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Abs und eini­ge His­to­ri­ker betä­tig­ten sich dabei als, wie der His­to­ri­ker Magnus Brecht­ken am Bei­spiel von Albert Speer zeig­te, Erin­ne­rungs­kon­struk­teu­re[1]“Albert Speer als Natio­nal­so­zia­list und Erin­ne­rungs­kon­struk­teur”. So wand­te Speer bei der Kon­struk­ti­on sei­ner Rol­le wäh­rend der NS-Zeit mit gro­ßem Geschick ver­schie­de­ne Tak­ti­ken und Stra­te­gien an. Mit der Rea­li­tät und den Fak­ten hat­te die­se Kon­struk­ti­on indes so gut wie gar nichts zu tun. Eine unrühm­li­che Rol­le spiel­te dabei der ehe­ma­li­ge Her­aus­ge­ber der FAZ, Joa­chim C. Fest. Ähn­lich ver­hielt es sich bei Her­mann-Josef Abs und dem Nar­ra­tiv des mehr oder weni­ger unbe­tei­lig­ten Mitläufers.

Mit die­ser Legen­de räum­te der bri­ti­sche His­to­ri­ker Harold James im Jahr 2001 in dem Buch Die Deut­sche Bank und die ‘Ari­sie­rung’ auf[2]Her­mann Josef Abs und die Nazis: Mythos des sau­be­ren Ehren­vor­sit­zen­den[3]H. James: Die Deut­sche Bank und die “Ari­sie­rung”. Die Deut­sche Bank und Abs, so James, hät­ten sich “bru­tal und aggres­siv” an den Ent­eig­nun­gen von Juden betei­ligt,  “Abs, der sich mit­un­ter als Wider­stands­kämp­fer rühm­te, tref­fe dabei “eine per­sön­li­che und direk­te Mit­schuld an began­ge­nen Bru­ta­li­tä­ten”. In sei­nem Buch Ban­kiers unterm Haken­kreuz ging Chris­to­pher Kop­per, Sohn des ehe­ma­li­gen Vor­stands­spre­chers der Deut­schen Bank, Hil­mar Kop­per, auch auf die Rol­le von Abs ein. Zwar sei Abs ein ideo­lo­gi­scher Geg­ner der Nazis gewe­sen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, an äußerst frag­wür­di­gen Gold­ge­schäf­ten maß­geb­lich mit­zu­wir­ken. Obwohl Auf­sichts­rat der IG Far­ben, “woll­te er von Ausch­witz nichts gewusst haben. Er hat­te Kon­tak­te zu Wider­stands­kämp­fern und betei­lig­te sich den­noch an „Ari­sie­run­gen“, wobei er sich jedoch an „gesell­schaft­li­che Anstands­re­geln“ hielt[4]„Gute Geschäf­te“ wäh­rend der Nazi-Zeit.

Von Gün­ter Gaus auf sei­ne Ver­bin­dun­gen zum Krei­sau­er Kreis ange­spro­chen, ant­wor­te­te Abs durch­aus selbst­kri­tisch: “Jemand, der nicht von den Nazis gehängt oder erschos­sen wor­den ist, hat nach mei­nem Gefühl nicht das Recht, sich auf den Wider­stand gegen Hit­ler zu beru­fen. Das sag­te ich, weil ich zu vie­le rechts und links sah, die sich in der Nach­kriegs­pe­ri­ode, nur weil sie mal einen Röhm-Witz erzählt hat­ten und des­halb von der Gesta­po ver­nom­men wor­den waren, als Wider­stands­kämp­fer bezeich­ne­ten. In jene Grup­pe woll­te ich nicht ein­ge­reiht wer­den”[5]Gün­ter Gaus im Gespräch mit Her­mann Josef Abs.

Einer der weni­gen Wirt­schafts­füh­rer, die es wag­ten, sich Abs zu wider­set­zen und damit Erfolg hat­ten, war Bert­hold Beitz in sei­ner Eigen­schaft als Chef der Krupp-Stif­tung. Als Abs den AR-Vor­sitz bei Krupp über­nahm und Beitz ent­mach­ten woll­te, gelang es Beitz mit­hil­fe des dama­li­gen IG-Metall-Chefs Otto Bren­ner, Abs zum Rück­tritt zu zwin­gen[6]Der läs­si­ge Patri­arch. Eine der weni­gen, schmerz­haf­ten Nie­der­la­gen, die Abs ein­ste­cken muss­te. Im Gegen­satz zu Abs war Beitz wäh­rend der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus kein Mit­läu­fer bzw. Mit­tä­ter – im Gegen­teil: Zusam­men mit sei­ner Frau Else gelang es ihm in sei­ner Funk­ti­on als Kauf­män­ni­scher Lei­ter einer Ölge­sell­schaft in den Kar­par­ten, 250 jüdi­sche Män­ner und Frau­en vor dem Abtrans­port in das Ver­nich­tungs­la­ger Bel­zec zu bewah­ren, indem er sie als „Fach­ar­bei­ter” ein­stuf­te[7]Bert­hold und Else Beitz.

Abs’ Ver­stri­ckung in den Natio­nal­so­zia­lis­mus behan­delt das poli­ti­sche Thea­ter­stück “ABS”.

Im Rah­men der Ermitt­lun­gen gegen die Deut­sche Bank (O.M.G.U.S) in den Jah­ren 194647 gab die Mili­tär­re­gie­rung der Ver­ei­nig­ten Staa­ten für Deutsch­land Finanz­ab­tei­lung – Sek­ti­on für finan­zi­el­le Nach­for­schun­gen – im Kapi­tel 1 den Rat[8]Die Deut­sche Bank in der NS-Zeit und die Fol­gen:

Es wird emp­foh­len, dass.

  1. die Deut­sche Bank liqui­diert wird,
  2. die ver­ant­wort­li­chen Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Bank ange­klagt und als Kriegs­ver­bre­cher vor Gericht gestellt werden,
  3. die lei­ten­den Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Bank von der Über­nah­me wich­ti­ger oder ver­ant­wort­li­cher Posi­tio­nen im wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Leben Deutsch­lands aus­ge­schlos­sen werden.