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Die Euro­pean Digi­tal Iden­ti­ty Wal­let soll Euro­pa digi­ta­le Unab­hän­gig­keit brin­gen – doch aus­ge­rech­net bei der Inte­gra­ti­on von Zah­lungs­funk­tio­nen ist die EU auf ame­ri­ka­ni­sche Kon­zer­ne wie Mas­ter­card ange­wie­sen. Ein Wider­spruch, der die Glaub­wür­dig­keit des gesam­ten Sou­ve­rä­ni­täts­pro­jekts infra­ge stellt.


Der Wolf im Schafs­pelz der digi­ta­len Souveränität

Die Euro­päi­sche Uni­on ver­kauft die EUDI Wal­let als Mei­len­stein der digi­ta­len Sou­ve­rä­ni­tät. Bis 2026 sol­len alle EU-Bür­ger eine siche­re, euro­pä­isch kon­trol­lier­te digi­ta­le Iden­ti­täts­lö­sung erhal­ten, die sie von den Daten­sam­mel­wün­schen ame­ri­ka­ni­scher Tech-Gigan­ten befreit. Doch ein Blick auf die Imple­men­tie­rung offen­bart einen fun­da­men­ta­len Wider­spruch: Aus­ge­rech­net bei der kri­ti­schen Inte­gra­ti­on von Zah­lungs­funk­tio­nen setzt die EU auf die­sel­ben inter­na­tio­na­len Kon­zer­ne, von denen sie sich eigent­lich eman­zi­pie­ren will.

Es ist eine Geschich­te, die sich wie­der­holt – nur mit umge­kehr­ten Vor­zei­chen. Vor 50 Jah­ren schu­fen euro­päi­sche Ban­ken mit dem euro­che­que ohne staat­li­che Hil­fe eine “kon­ti­nen­ta­le Kar­ten­wäh­rung”, die von Mos­kau bis Lis­sa­bon gül­tig war. Heu­te hin­ge­gen sind es ame­ri­ka­ni­sche Kon­zer­ne wie Mas­ter­card, die euro­päi­sche Digi­tal­pro­jek­te prä­gen, wäh­rend die einst so inno­va­ti­ven euro­päi­schen Ban­ken pas­siv um poli­ti­sche Unter­stüt­zung für einen digi­ta­len Euro bitten.

Die Iro­nie ist schwer zu über­se­hen: Euro­pa baut sei­ne digi­ta­le Zukunft auf dem Fun­da­ment jener Unter­neh­men auf, die bereits heu­te wei­te Tei­le der glo­ba­len Zah­lungs­in­fra­struk­tur kon­trol­lie­ren – und gibt dabei jene Inno­va­ti­ons­kraft preis, die es einst zur füh­ren­den Finanz­re­gi­on der Welt gemacht hatte.

Toke­ni­sie­rung als neue Form der Abhängigkeit

Die Zusam­men­ar­beit mit Mas­ter­card bei der EUDI Wal­let kon­zen­triert sich auf die Toke­ni­sie­rung von Zah­lungs­da­ten und deren Inte­gra­ti­on in die digi­ta­le Brief­ta­sche. Was tech­nisch als Fort­schritt ver­kauft wird – mehr Sicher­heit durch ver­schlüs­sel­te Token statt Kre­dit­kar­ten­num­mern – ent­puppt sich bei genaue­rer Betrach­tung als raf­fi­nier­te Form der Marktdurchdringung.

Denn wer die Token-Tech­no­lo­gie kon­trol­liert, bestimmt auch die Stan­dards und Abhän­gig­kei­ten der Zukunft. Mas­ter­card posi­tio­niert sich nicht als exter­ner Dienst­leis­ter, son­dern wird zum unver­zicht­ba­ren Infra­struk­tur­bau­stein der euro­päi­schen Digi­tal­stra­te­gie. Die EUDI Wal­let ris­kiert damit, zu einem tro­ja­ni­schen Pferd zu wer­den: euro­pä­isch in der Hül­le, ame­ri­ka­nisch im digi­ta­len Kern.

Die Pilot­pro­jek­te für Alters­ve­ri­fi­zie­rung und Zah­lungs­in­te­gra­ti­on mögen heu­te harm­los erschei­nen. Doch sie schaf­fen Prä­ze­denz­fäl­le und tech­ni­sche Abhän­gig­kei­ten, die sich spä­ter nur schwer wieder …