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Die Kri­se des Agrar­kon­zerns Bay­wa ent­larvt struk­tu­rel­le Schwä­chen im deut­schen Genos­sen­schafts­ban­ken­sek­tor. Obwohl eine Insol­venz for­mal abge­wen­det wur­de, ver­schärft die schwa­che Kon­junk­tur in Deutsch­land die Pro­ble­me dra­ma­tisch. Wäh­rend Ver­bands­funk­tio­nä­re Sta­bi­li­tät beschwö­ren, zei­gen Mil­li­ar­den-Abschrei­bun­gen und eine Serie von Ban­ken­ret­tun­gen: Das dezen­tra­le Sys­tem steht unter enor­mem Druck.


Eine Sanie­rung auf wacke­li­gen Füßen

Die Kri­se der Bay­wa AG ist mehr als nur ein Ein­zel­fall eines ange­schla­ge­nen Agrar­kon­zerns – sie ist ein Seis­mo­graph für die Erschüt­te­run­gen im deut­schen Genos­sen­schafts­ban­ken­sek­tor. Zwar wur­de durch das Restruk­tu­rie­rungs­ver­fah­ren nach dem Sta­RUG im Juni 2025 eine unge­ord­ne­te Insol­venz abge­wen­det und ein Sanie­rungs­plan mit Gläu­bi­gern ver­ein­bart, doch die wirt­schaft­li­che Rea­li­tät bleibt düs­ter. Mit einem Umsatz­rück­gang von 8,3 auf 6,9 Mil­li­ar­den Euro im ers­ten Halb­jahr 2025 und Ver­lus­ten von über 500 Mil­lio­nen Euro ist das prak­tisch auf­ge­brauch­te Eigen­ka­pi­tal ein deut­li­ches Signal: Die Bay­wa steht trotz aller Ret­tungs­maß­nah­men wei­ter­hin am Abgrund.

Das per­fek­te Timing einer Krise

Beson­ders fatal ist das Timing der Bay­wa-Kri­se: Sie trifft auf eine schwä­cheln­de deut­sche Wirt­schaft, die den ohne­hin ange­schla­ge­nen Kon­zern zusätz­lich unter Druck setzt. Die wich­tigs­ten Geschäfts­fel­der der Bay­wa – Agrar­han­del, Bau­stof­fe und Ener­gie­han­del – lei­den unter den makro­öko­no­mi­schen Ver­wer­fun­gen. Der Bau­sek­tor, der bereits im ers­ten Halb­jahr 2025 einen Umsatz­rück­gang von 21 Pro­zent bei Bay­wa ver­zeich­ne­te, steckt in einer rezes­si­ons­ähn­li­chen Pha­se. Land­wir­te kämp­fen mit Mar­gen­druck und unsi­che­ren Finan­zie­rungs­be­din­gun­gen, wäh­rend hohe Zin­sen die Refi­nan­zie­rung des hoch­ver­schul­de­ten Unter­neh­mens mas­siv erschweren.

Die­se ungüns­ti­ge Kon­stel­la­ti­on ver­wan­delt die eigent­lich auf Sta­bi­li­sie­rung ange­leg­te Sanie­rungs­stra­te­gie in ein Vaban­que­spiel: Soll­te sich die Kon­junk­tur 2026 wei­ter ver­schlech­tern, könn­te das fra­gi­le Gerüst der Restruk­tu­rie­rung zusam­men­bre­chen und eine erneu­te Exis­tenz­kri­se auslösen.

Das Dilem­ma der dop­pel­ten Betroffenheit

Die Zah­len spre­chen eine ein­deu­ti­ge Spra­che: Rund 220 Mil­lio­nen Euro haben die baye­ri­schen Volks- und Raiff­ei­sen­ban­ken in Bay­wa-Schuld­schei­ne inves­tiert. Dar­auf muss­ten bereits 60 Pro­zent Wert­be­rich­ti­gun­gen gebil­det wer­den – ein dras­ti­scher Abschlag, der die tie­fen Zwei­fel an der Rück­zah­lungs­fä­hig­keit des Kon­zerns wider­spie­gelt. Die­se Wert­be­rich­ti­gun­gen sind nicht nur buch­hal­te­ri­sche Vor­sichts­maß­nah­men, son­dern kon­kre­te Ver­lus­ter­war­tun­gen, die die Ertrags­aus­sich­ten der betrof­fe­nen Insti­tu­te belasten.

Beson­ders bri­sant wird die Situa­ti­on durch die BRB-Betei­li­gungs­ge­sell­schaft, über die die baye­ri­schen Volks­ban­ken ein Drit­tel der Bay­wa-Antei­le hal­ten. Die­se Kon­struk­ti­on schafft eine gefähr­li­che Dop­pel­be­las­tung: Die Ban­ken sind sowohl als Gläu­bi­ger durch Kre­di­te und Schuld­schei­ne expo­niert als auch als Aktio­nä­re vom Wert­ver­lust der Betei­li­gung betrof­fen. Die­se Ver­flech­tung ver­stärkt das Risi­ko erheb­lich und macht eine Diver­si­fi­ka­ti­on der Ver­lus­te nahe­zu unmöglich.

Die Dimen­si­on des Pro­blems wird auf Ver­bands­ebe­ne sicht­bar: Die DZ Bank, das Spit­zen­in­sti­tut der Genos­sen­schafts­ban­ken, muss­te ihre Risi­ko­vor­sor­ge 2024 um mas­si­ve 456 Mil­lio­nen Euro erhö­hen – ein Groß­teil davon auf­grund der Bay­wa-Belas­tun­gen. Die­se Zah­len bele­gen, dass die Kri­se längst nicht mehr nur ein regio­na­les baye­ri­sches Pro­blem ist, son­dern die gesam­te genos­sen­schaft­li­che Ban­ken­grup­pe in Deutsch­land erfasst hat.

Sym­ptom einer struk­tu­rel­len Krise

Die Bay­wa-Pro­ble­ma­tik ist jedoch nur die Spit­ze des Eis­bergs. Par­al­lel dazu muss­ten meh­re­re klei­ne Genos­sen­schafts­ban­ken mit bei­spiel­lo­ser Inten­si­tät gestützt wer­den. Die RSA-Bank und drei wei­te­re Insti­tu­te benö­tig­ten inner­halb von nur andert­halb Jah­ren Hil­fen in Höhe von 1,3 Mil­li­ar­den Euro aus der gemein­schaft­li­chen Siche­rungs­ein­rich­tung. Bei Bilanz­sum­men von zusam­men weni­ger als sie­ben Mil­li­ar­den Euro ent­steht ein extre­mes Miss­ver­hält­nis, das struk­tu­rel­le Schwä­chen im Sys­tem offenlegt.

Die­se Häu­fung von Pro­ble­men deu­tet auf tie­fer­lie­gen­de Ursa­chen hin: Mög­li­cher­wei­se sind die tra­di­tio­nel­len Geschäfts­mo­del­le der Genos­sen­schafts­ban­ken in einer sich wan­deln­den Finanz­welt nicht mehr hin­rei­chend resi­li­ent. Die enge Ver­bin­dung zur loka­len Wirt­schaft, einst eine Stär­ke des genos­sen­schaft­li­chen Ansat­zes, kann in Kri­sen­zei­ten zur Belas­tung wer­den, wenn regio­na­le Konzentrations­risiken schla­gend werden.

Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Rea­li­tät und Beruhigung

Die Reak­tio­nen der Ver­bands­funk­tio­nä­re auf die­se Ent­wick­lun­gen sind sym­pto­ma­tisch für das Dilem­ma, in dem sich der Sek­tor befin­det. Wäh­rend sie beto­nen, dass höhe­re Wert­be­rich­ti­gun­gen “nicht sach­ge­recht” sei­en und auf die nied­ri­gen Buch­wer­te der Betei­li­gun­gen ver­wei­sen, ver­su­chen sie eine fra­gi­le Balan­ce zu wah­ren. Einer­seits wol­len sie Ver­trau­en erhal­ten und eine Panik unter Mit­glie­dern und Kun­den ver­hin­dern. Ande­rer­seits müs­sen sie die bilan­zi­el­le Rea­li­tät aner­ken­nen und regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen genügen.

Die Argu­men­ta­ti­on, eine voll­stän­di­ge Abschrei­bung sei nur bei einer Insol­venz mit Null­quo­te gerecht­fer­tigt, ist for­mal kor­rekt, wirkt aber vor dem Hin­ter­grund der bereits erfolg­ten 60-pro­zen­ti­gen Wert­be­rich­ti­gun­gen wenig über­zeu­gend. Die­se hohe Quo­te signa­li­siert bereits jetzt erheb­li­che Zwei­fel an einer voll­stän­di­gen Rück­zah­lung. Dass trotz der mas­si­ven Ver­lus­te von über 500 Mil­lio­nen Euro im ers­ten Halb­jahr 2025 kei­ne wei­te­ren Wert­be­rich­ti­gun­gen erfolgt sind, kann als Ver­such ver­stan­den wer­den, Ruhe in den Sek­tor zu brin­gen – solan­ge kei­ne neu­en nega­ti­ven Infor­ma­tio­nen vorliegen.

Land­wir­te im Zen­trum des Sturms

Beson­ders pre­kär ist die Situa­ti­on für die Land­wir­te, die sowohl Bay­wa-Kun­den als auch Kun­den der Genos­sen­schafts­ban­ken sind. Sie fin­den sich in einer Zwick­müh­le wie­der: Ihr wich­tigs­ter Han­dels­part­ner kämpft ums Über­le­ben, wäh­rend ihre Haus­ban­ken bereits Mil­li­ar­den in Ret­tungs­maß­nah­men inves­tiert haben. Die­se dop­pel­te Abhän­gig­keit ver­stärkt die Unsi­cher­heit in einem bereits unter Kos­ten­druck ste­hen­den Agrarsektor.

Ein Sys­tem unter Bewährungsprobe

Die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen stel­len das deut­sche Genos­sen­schafts­ban­ken­sys­tem vor eine Bewäh­rungs­pro­be. Die dezen­tra­le Struk­tur und die gemein­schaft­li­chen Siche­rungs­me­cha­nis­men haben bis­her Sta­bi­li­tät gewähr­leis­tet, aber die Häu­fung von Kri­sen zeigt ihre Gren­zen auf. Soll­te sich die deut­sche Wirt­schaft wei­ter abschwä­chen, droht der Bay­wa trotz des Sta­RUG-Ver­fah­rens und der ver­ein­bar­ten Kre­dit­ver­län­ge­run­gen bis 2028 eine erneu­te Liqui­di­täts­kri­se. Das prak­tisch auf­ge­brauch­te Eigen­ka­pi­tal bie­tet kei­nen Puf­fer mehr für wei­te­re Verluste.

Die Fra­ge ist nicht mehr, ob das Sys­tem die aktu­el­len Belas­tun­gen ver­kraf­tet, son­dern ob es struk­tu­rell robust genug ist, um auch eine mög­li­che Ver­schär­fung der Bay­wa-Kri­se zu über­ste­hen. Ein erneu­ter Kol­laps des Agrar­kon­zerns wür­de nicht nur die bereits gebil­de­ten Wert­be­rich­ti­gun­gen zunich­te machen, son­dern könn­te Domi­no­ef­fek­te in der Agrar- und Genos­sen­schafts­bran­che auslösen.

Die Bay­wa-Kri­se ist somit mehr als ein Ein­zel­fall – sie ist ein Weck­ruf für ein Ban­ken­sys­tem, das sei­ne Geschäfts­mo­del­le und Risi­ko­struk­tu­ren grund­le­gend über­den­ken muss. Die nächs­ten Mona­te wer­den zei­gen, ob die genos­sen­schaft­li­che Idee stark genug ist, um die­se exis­ten­zi­el­le Her­aus­for­de­rung zu bestehen, oder ob struk­tu­rel­le Refor­men unum­gäng­lich wer­den. Dabei hängt das Schick­sal nicht nur von den inter­nen Sanie­rungs­be­mü­hun­gen ab, son­dern maß­geb­lich von der Ent­wick­lung der deut­schen Gesamt­wirt­schaft – ein Fak­tor, den weder Bay­wa noch ihre Gläu­bi­ger­ban­ken kon­trol­lie­ren können.


Quel­len;

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Ent­wick­lung der Risi­ko­vor­sor­ge deut­scher Banken