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Eine neue Stu­die der Bank für Inter­na­tio­na­len Zah­lungs­aus­gleich zeigt erst­mals sys­te­ma­tisch auf, wie der Hoch­fre­quenz­han­del nicht nur die Markt­struk­tur ver­än­dert, son­dern auch direk­ten Ein­fluss auf die Finan­zie­rungs­kos­ten von Unter­neh­men nimmt. Die Ergeb­nis­se stel­len gän­gi­ge Annah­men über die Vor­tei­le algo­rith­mi­scher Han­dels­stra­te­gien in Frage.


Die unsicht­ba­re Hand des Algorithmus

In den Mil­li­se­kun­den zwi­schen dem Drü­cken der Enter-Tas­te und der Aus­füh­rung einer Akti­en­or­der voll­zieht sich heu­te eine tech­no­lo­gi­sche Schlacht, die weit über die Bör­sen­parks hin­aus­reicht. Das BIS Working Paper Nr. 1290 “The speed pre­mi­um: high-fre­quen­cy tra­ding and the cost of capi­tal” lie­fert erst­mals empi­ri­sche Bele­ge dafür, dass Hoch­fre­quenz­han­del (HFT) nicht nur ein Phä­no­men der Han­dels­ebe­ne ist, son­dern fun­da­men­ta­le Aus­wir­kun­gen auf die rea­le Wirt­schaft hat – kon­kret auf die Kos­ten, mit denen sich Unter­neh­men am Kapi­tal­markt finan­zie­ren können.

Metho­di­sche Prä­zi­si­on in einem kom­ple­xen Umfeld

Die Her­aus­for­de­rung bei der Unter­su­chung von HFT-Effek­ten liegt in der Tren­nung von Ursa­che und Wir­kung. Die Autoren lösen die­ses Pro­blem ele­gant durch die Nut­zung von “natür­li­chen Expe­ri­men­ten”: Sie ana­ly­sie­ren tech­no­lo­gi­sche Upgrades an der NASDAQ, ins­be­son­de­re die Ein­füh­rung von Co-Loca­ti­on-Ser­vices und Latenz­ver­bes­se­run­gen, als exo­ge­ne Schocks. Ergänzt wird die­se Ana­ly­se durch Daten der unfrag­men­tier­ten Bör­se Hong­kong, wodurch die Robust­heit der Ergeb­nis­se über ver­schie­de­ne Markt­struk­tu­ren hin­weg getes­tet wird.

Die­se metho­di­sche Her­an­ge­hens­wei­se ist des­halb beson­ders wert­voll, weil sie es ermög­licht, kau­sa­le Zusam­men­hän­ge zu iden­ti­fi­zie­ren – ein Stan­dard, den vie­le Stu­di­en im Bereich der Markt­mi­kro­struk­tur nicht erreichen.

Die para­do­xe Wir­kung der Geschwindigkeit

Das zen­tra­le Ergeb­nis der Stu­die ist auf den ers­ten Blick über­ra­schend: Hoch­fre­quenz­han­del führt im Durch­schnitt zu höhe­ren Kapi­tal­kos­ten für Unter­neh­men. Die­ser Befund steht im Kon­trast zu vie­len theo­re­ti­schen Model­len, die HFT pri­mär als liqui­di­täts­för­dernd und damit kos­ten­sen­kend betrachten.

Die Rea­li­tät erweist sich jedoch als nuan­cier­ter. Die Stu­die iden­ti­fi­ziert zwei gegen­läu­fi­ge Kanäle:

  • Der Risi­ko­ka­nal: Für Akti­en mit nied­ri­gem Beta ver­stärkt HFT das sys­te­ma­ti­sche Risi­ko. Algo­rith­men nut­zen kor­re­lier­te Han­dels­stra­te­gien und machen die­se Wert­pa­pie­re emp­fäng­li­cher für markt­wei­te Infor­ma­tio­nen. Para­do­xer­wei­se wer­den also gera­de die als “sicher” gel­ten­den Akti­en durch HFT risi­ko­rei­cher – mit ent­spre­chend höhe­ren Kapi­tal­kos­ten als Folge.
  • Der Liqui­di­täts­ka­nal: Bei den liqui­des­ten Akti­en domi­niert hin­ge­gen der klas­si­sche HFT-Effekt. Hier redu­ziert der algo­rith­mi­sche Han­del tat­säch­lich die von Anle­gern gefor­der­te Liqui­di­täts­prä­mie und senkt somit die Kapitalkosten.

Sys­te­mi­sche Implikationen

Ent­schei­dend ist, dass der risi­ko­stei­gern­de Kanal im Durch­schnitt über­wiegt. Dies bedeu­tet, dass die Gesamt­wir­kung von HFT auf die Kapi­tal­kos­ten nega­tiv ist – ein Befund mit weit­rei­chen­den Impli­ka­tio­nen für Unter­neh­men, Inves­to­ren und Regulatoren.

Für die Unter­neh­mens­fi­nan­zie­rung bedeu­tet dies kon­kret: Die tech­no­lo­gi­sche “Auf­rüs­tung” der Finanz­märk­te kommt nicht allen Markt­teil­neh­mern glei­cher­ma­ßen zugu­te. Wäh­rend gro­ße, hoch­li­qui­de Unter­neh­men von redu­zier­ten Finan­zie­rungs­kos­ten pro­fi­tie­ren kön­nen, zah­len klei­ne­re oder weni­ger gehan­del­te Unter­neh­men einen “Speed-Auf­schlag”.

Regu­la­to­ri­sche Herausforderungen

Die Ergeb­nis­se wer­fen grund­sätz­li­che Fra­gen zur Regu­lie­rung von HFT auf. Die tra­di­tio­nel­le “One-size-fits-all”-Betrachtung wird der Rea­li­tät nicht gerecht. Statt­des­sen deu­tet die Stu­die auf die Not­wen­dig­keit einer dif­fe­ren­zier­ten Regu­lie­rung hin, die Akti­en­cha­rak­te­ris­ti­ka berücksichtigt.

Beson­ders bemer­kens­wert ist, dass sich die Befun­de sowohl in frag­men­tier­ten Märk­ten wie den USA als auch in unfrag­men­tier­ten Märk­ten wie Hong­kong zei­gen. Dies unter­streicht, dass die iden­ti­fi­zier­ten Effek­te nicht spe­zi­fisch für bestimm­te Markt­struk­tu­ren sind, son­dern eine grund­le­gen­de Eigen­schaft des Hoch­fre­quenz­han­dels darstellen.

Ein neu­er Blick auf Marktinnovationen

Das BIS Working Paper leis­tet einen wich­ti­gen Bei­trag zur Lite­ra­tur, indem es erst­mals sys­te­ma­tisch die Ver­bin­dung zwi­schen HFT und Kapi­tal­kos­ten her­stellt. Damit erwei­tert es den Fokus der HFT-For­schung über tra­di­tio­nel­le Kenn­zah­len wie Spreads oder Vola­ti­li­tät hin­aus und zeigt auf, wie Markt­struk­tu­r­in­no­va­tio­nen rea­le wirt­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen haben.

Die Stu­die ver­deut­licht, dass die Bewer­tung von Finanz­markt­in­no­va­tio­nen nicht allein anhand von Effi­zi­enz­kri­te­ri­en erfol­gen soll­te. Viel­mehr müs­sen die Ver­tei­lungs­ef­fek­te – wer pro­fi­tiert und wer die Kos­ten trägt – sys­te­ma­tisch berück­sich­tigt werden.

Aus­blick: Die Zukunft des algo­rith­mi­schen Handels

In einer Zeit, in der algo­rith­mi­sche Han­dels­stra­te­gien zuneh­mend sophisti­ca­ted wer­den und neue Tech­no­lo­gien wie Machi­ne Lear­ning und Künst­li­che Intel­li­genz Ein­zug in den Han­del hal­ten, gewin­nen die Erkennt­nis­se die­ser Stu­die zusätz­li­che Rele­vanz. Sie mah­nen zur Vor­sicht vor zu pau­scha­len Bewer­tun­gen tech­no­lo­gi­scher Fort­schrit­te in den Finanzmärkten.

Die Bot­schaft ist klar: Geschwin­dig­keit hat ihren Preis – und die­sen zah­len nicht alle Markt­teil­neh­mer in glei­chem Maße. Für eine aus­ge­wo­ge­ne Finanz­markt­re­gu­lie­rung bedeu­tet dies, dass zukünf­ti­ge Refor­men die­se dif­fe­ren­zier­ten Effek­te berück­sich­ti­gen müs­sen, um sowohl Inno­va­ti­on zu för­dern als auch fai­re Markt­be­din­gun­gen zu gewährleisten.