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Vom Woll­händ­ler zum Grün­der der ers­ten deut­schen Uni­ver­sal­bank – David Han­se­mann revo­lu­tio­nier­te als Ban­kier das deut­sche Finanz­sys­tem und präg­te als libe­ra­ler Poli­ti­ker die Reform­be­we­gung des 19. Jahr­hun­derts. Sei­ne Lebens­ge­schich­te spie­gelt den Auf­bruch Deutsch­lands in die Moder­ne wider.


Ein Leben zwi­schen Kom­merz und Verfassung

Als David Han­se­mann am 12. Dezem­ber 1790 auf der Elb­in­sel Fin­ken­wer­der das Licht der Welt erblick­te, ahn­te noch nie­mand, dass die­ser Ham­bur­ger Kauf­manns­sohn ein­mal zu den ein­fluss­reichs­ten Gestal­ten des deut­schen Vor­märz wer­den wür­de. Sein Lebens­weg führ­te ihn von den nord­deut­schen Küs­ten ins rhei­ni­sche Aachen, wo er nicht nur zum erfolg­rei­chen Unter­neh­mer avan­cier­te, son­dern auch zum Archi­tek­ten einer neu­en, libe­ra­len Wirtschaftsordnung.

Han­se­manns Bio­gra­phie liest sich wie ein Kom­pen­di­um der deut­schen Indus­tria­li­sie­rung. 1817 eta­blier­te er in Aachen einen flo­rie­ren­den Woll­han­del – zu einer Zeit, als die Stadt noch unter den Nach­we­hen der napo­leo­ni­schen Ära litt. Mit kauf­män­ni­schem Geschick und visio­nä­rem Weit­blick erkann­te er früh die Poten­tia­le einer sich wan­deln­den Wirt­schafts­land­schaft. Sei­ne geschäft­li­chen Akti­vi­tä­ten beschränk­ten sich jedoch nicht auf den rei­nen Han­del. Als wah­rer Pio­nier des moder­nen Finanz­we­sens grün­de­te er Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men, dar­un­ter die spä­ter bedeut­sa­me Aachen-Mün­che­ner, und ent­wi­ckel­te inno­va­ti­ve Kre­dit­mo­del­le für Hand­wer­ker und sozia­le Einrichtungen.

Die Schie­nen des Fortschritts

Beson­ders weg­wei­send war Han­se­manns Enga­ge­ment beim Auf­bau der deut­schen Eisen­bahn­in­fra­struk­tur. Als Prä­si­dent der Rhei­ni­schen Eisen­bahn­ge­sell­schaft trieb er stra­te­gisch wich­ti­ge Ver­bin­dun­gen vor­an, etwa die Stre­cke von Köln nach Ant­wer­pen. Die­se Pro­jek­te waren mehr als nur kom­mer­zi­el­le Unter­neh­mun­gen – sie sym­bo­li­sier­ten den Auf­bruch in eine neue, ver­netz­te Welt. Die Eisen­bahn wur­de zum Motor der Indus­tria­li­sie­rung, und Han­se­mann erkann­te frü­her als vie­le sei­ner Zeit­ge­nos­sen deren trans­for­ma­ti­ve Kraft für Gesell­schaft und Wirtschaft.

Sei­ne 1851 gegrün­de­te Dis­con­to-Gesell­schaft ent­wi­ckel­te sich zu einer der wich­tigs­ten deut­schen Ban­ken des 19. Jahr­hun­derts und ver­kör­per­te einen völ­lig neu­en Bank­ty­pus. Han­se­mann erkann­te frü­her als ande­re, dass der explo­die­ren­de Kapi­tal­be­darf der wach­sen­den Indus­trie nicht mehr allein von den tra­di­tio­nel­len, inha­ber­ge­führ­ten Pri­vat­ban­ken gedeckt wer­den konn­te. Sei­ne Ant­wort dar­auf war revo­lu­tio­när: Die Dis­con­to-Gesell­schaft eta­blier­te sich als ers­te deut­sche Uni­ver­sal­bank auf Akti­en­ba­sis – ein Geschäfts­mo­dell, das Depo­si­ten­ge­schäft, Han­dels- und Dis­kont­kre­di­te sowie Effek­ten­han­del unter einem Dach vereinte.

Die stra­te­gi­sche Bedeu­tung die­ser Inno­va­ti­on lässt sich kaum über­schät­zen. Als die Bank 1859 ins Emis­si­ons­ge­schäft ein­stieg und eine Füh­rungs­rol­le im soge­nann­ten Preu­ßen­kon­sor­ti­um über­nahm, finan­zier­te sie nicht nur pri­va­te Indus­trie­un­ter­neh­men, son­dern auch staat­li­che Groß­pro­jek­te wie die preu­ßi­sche Mobil­ma­chung. Unter der gemein­sa­men Lei­tung von David Han­se­mann und sei­nem Sohn Adolph ab 1857 avan­cier­te das Insti­tut zur größ­ten deut­schen Kre­dit­bank ihrer Zeit – ein Erfolg, der erst Jahr­zehn­te spä­ter von der Deut­schen Bank ein­ge­holt wurde.

Die Dis­con­to-Gesell­schaft wur­de zum Pro­to­typ des moder­nen deut­schen Bank­we­sens und inspi­rier­te die Grün­dung ähn­li­cher Insti­tu­te. Ihr Ein­fluss reich­te weit über Deutsch­land hin­aus: Sie eta­blier­te sich als inter­na­tio­nal kon­kur­renz­fä­hi­ges Kre­dit­in­sti­tut und demons­trier­te, dass deut­sche Finanz­in­no­va­tio­nen auf den Welt­märk­ten bestehen konn­ten. Als die Bank 1929 schließ­lich mit der Deut­schen Bank fusio­nier­te, ging eine Ära zu Ende – doch das von Han­se­mann geschaf­fe­ne Modell der Uni­ver­sal­bank präg­te das deut­sche Finanz­sys­tem nachhaltig.

Zwi­schen Revo­lu­ti­on und Reform

Han­se­manns Wir­ken blieb jedoch nicht auf die Wirt­schafts­sphä­re beschränkt. Als über­zeug­ter Libe­ra­ler sah er sich in der Ver­ant­wor­tung, auch poli­tisch Ver­än­de­run­gen vor­an­zu­trei­ben. Sei­ne Wahl in den Preu­ßi­schen Land­tag 1847 mar­kier­te den Beginn einer poli­ti­schen Lauf­bahn, die ihn bis in die höchs­ten Staats­äm­ter füh­ren soll­te. Als Befür­wor­ter einer Ver­fas­sung, von Steu­er­re­for­men und der Gleich­stel­lung der Juden ver­trat er Posi­tio­nen, die sei­ner Zeit vor­aus waren.

Das Revo­lu­ti­ons­jahr 1848 kata­pul­tier­te Han­se­mann schließ­lich an die Spit­ze der preu­ßi­schen Finanz­po­li­tik. Als Finanz­mi­nis­ter bewies er sei­ne Reform­kom­pe­tenz: Er sanier­te den Staats­kre­dit, moder­ni­sier­te das Steu­er­sys­tem und führ­te wirt­schaft­li­che Not­maß­nah­men ein. Die Ein­füh­rung der Rüben­zu­cker­steu­er und die Auf­he­bung der Steu­er­be­frei­ung für Grund­be­sitz zeug­ten von sei­nem Mut zu unpo­pu­lä­ren, aber not­wen­di­gen Refor­men. Sei­ne Aus­ga­be von Papier­geld für Unter­neh­men war ein inno­va­ti­ver Schritt zur Sta­bi­li­sie­rung der Wirt­schaft in tur­bu­len­ten Zeiten.

Das Ver­mächt­nis eines Visionärs

David Han­se­mann starb 1864 in Schlan­gen­bad als einer der bedeu­tends­ten Ver­tre­ter des deut­schen Wirt­schafts­li­be­ra­lis­mus. Sein Leben ver­kör­pert exem­pla­risch die Dyna­mik einer Epo­che, in der wirt­schaft­li­cher Prag­ma­tis­mus und poli­ti­scher Idea­lis­mus eine frucht­ba­re Syn­the­se ein­gin­gen. Er war kein Theo­re­ti­ker des Libe­ra­lis­mus, son­dern des­sen prak­ti­scher Voll­stre­cker – ein Mann, der erkann­te, dass gesell­schaft­li­cher Fort­schritt nur durch die Ver­bin­dung von wirt­schaft­li­cher Inno­va­ti­on und poli­ti­scher Reform zu errei­chen war.

Die nach ihm benann­ten Plät­ze in Aachen und die ihm gewid­me­ten Denk­mä­ler sind mehr als nur stei­ner­ne Erin­ne­run­gen. Sie sym­bo­li­sie­ren eine Ära, in der Unter­neh­mer­geist und Bür­ger­sinn noch als zwei Sei­ten der­sel­ben Medail­le ver­stan­den wur­den. Han­se­manns Erbe liegt nicht nur in den von ihm geschaf­fe­nen Insti­tu­tio­nen, son­dern in der Über­zeu­gung, dass wirt­schaft­li­cher Erfolg und gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den sind – eine Ein­sicht, die auch in unse­rer Zeit nichts an Aktua­li­tät ver­lo­ren hat.


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David Han­se­mann: Grün­der der Dis­con­to-Gesell­schaft – eines gänz­lich neu­en Banktyps