Von Ralf Keuper

Der Begriff der Syn­erge­tik, womit die Leh­re vom Zusam­men­wir­ken gemeint ist, geht zurück auf den Phy­si­ker Her­mann Haken. In sei­nem Buch Erfolgs­ge­heim­nis der Natur. Syn­erge­tik. Die Leh­re vom Zusam­men­wir­ken schreibt Haken:

Das Wort Syn­erge­tik stammt aus dem Grie­chi­schen, .., und bedeu­tet so viel wie “Leh­re vom Zusam­men­wir­ken”. Wir wol­len uns mit ihr fra­gen, ob es nicht trotz der Fül­le ver­schie­den­ar­tigs­ter Struk­tu­ren, die in der Natur auf­tre­ten, mög­lich ist, ein­heit­li­che Grund­ge­set­ze auf­zu­fin­den, aus denen her­aus wir ver­ste­hen kön­nen, wie Struk­tu­ren zustan­de kommen. …

Die Vor­gän­ge der Struk­tur­bil­dung lau­fen irgend­wie zwangs­läu­fig in bestimm­ter Rich­tung, aber kei­nes­wegs so, wie es die Wär­me­leh­re vor­aus­sag­te, kei­nes­wegs eben in eine immer grö­ßer wer­den­de Unord­nung. Ganz im Gegen­teil wer­den auch noch unge­ord­ne­te Teil­sys­te­me in den bestehen­den Ord­nungs­zu­stand hin­ein­ge­zo­gen und in ihrem Ver­hal­ten von ihm ver­sklavt. Die­se Zwangs­läu­fig­keit der Ent­ste­hung von Ord­nung aus dem Cha­os ist, .., weit­ge­hend unab­hän­gig vom mate­ri­el­len Sub­strat, auf dem sich die Vor­gän­ge abspielen.

Wie ver­läuft die Struk­tur­bil­dung im Ban­king der­zeit? Wo haben wir es mit Cha­os oder Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on zu tun? Kön­nen die viel zitier­te Dis­in­ter­me­dia­ti­on oder die nicht min­der popu­lä­ren Begrif­fe des Unbund­ling und Rebund­ling als Aus­druck des­sen gel­ten, was Haken beschreibt, wenn er von den unge­ord­ne­ten Teil­sys­te­men spricht, die in einen bestehen­den Ord­nungs­zu­sam­men­hang hin­ein­ge­zo­gen und von ihm sogar “ver­sklavt” wer­den? Wer reprä­sen­tiert den bestehen­den Ord­nungs­zu­sam­men­hang? Noch immer die Ban­ken und das Bank- und Geld­sys­tem, wie wir es ken­nen? Oder aber wird der neue Ord­nungs­zu­sam­men­hang von ande­ren Akteu­ren oder sog. Ord­nern gesteu­ert, wie die gro­ßen digi­ta­len Öko­sys­te­me wie Apple, Goog­le oder Ali­baba? Wer “ver­sklavt” hier wen? Wel­che Rol­le könn­te die Block­chain-Tech­no­lo­gie in die­ser Kon­stel­la­ti­on über­neh­men? Wer sind die lang­le­bi­gen, wer die kurz­le­bi­gen Ordner?:

Wie nun die Syn­erge­tik zeigt, wird uns bei kom­ple­xen Sys­te­men die “rele­van­te Infor­ma­ti­on”, der Gesamt­zu­sam­men­hang, durch die Ord­ner gelie­fert, die gera­de dann beson­ders deut­lich in Erschei­nung tre­ten, wenn sich das makro­sko­pi­sche Ver­hal­ten der Sys­te­me ändert. Im all­ge­mei­nen sind die­se Ord­ner die lang­le­bi­gen Grö­ßen, die die kurz­le­bi­gen versklaven. ..

Bis­her konn­ten wir davon aus­ge­hen, dass die Ban­ken wegen ihrer Rol­le als Clea­ring­stel­le der Wirt­schaft über genü­gend rele­van­te Infor­ma­tio­nen ver­füg­ten, um den Ord­nungs­zu­stand in ihrem Sin­ne beein­flus­sen zu kön­nen. Seit eini­ger Zeit aber ver­fü­gen die digi­ta­len Öko­sys­te­me über eine Fül­le an Infor­ma­tio­nen, wel­che die der Ban­ken bei wei­tem über­trifft. Hin­zu kommt noch, dass Apple & Co. bereits bei der Geschäfts­an­bah­nung und nun auch wäh­rend des mobi­len Bezahl­vor­gangs unmit­tel­bar invol­viert sind. Ban­ken tre­ten erst dann in Erschei­nung, wenn das eigent­li­che Geschäft gelau­fen, die Kauf­ent­schei­dung getrof­fen ist.

Aus Sicht der Syn­erge­tik wür­de all das dafür spre­chen, dass der Ord­nungs­zu­sam­men­hang im Ban­king von neu­en Akteu­ren, Ord­nern bestimmt wird und nicht mehr bzw. immer weni­ger von den Ban­ken. Führt man die Gedan­ken wei­ter, ist die Ver­mu­tung nicht all­zu weit her­ge­holt, dass die Ban­ken von den digi­ta­len Öko­sys­te­men, von der Digi­ta­li­sie­rung und dem Medi­en­wan­del “ver­sklavt” werden.

Kön­nen die Ban­ken durch die Adap­ti­on der Block­chain-Tech­no­lo­gie der “Ver­skla­vung” ent­ge­hen? Jeden­falls wird ver­ständ­li­cher, war­um die Ban­ken auf ein­mal die Block­chain-Tech­no­lo­gie so in ihr Herz geschlos­sen haben.

Ohne eine neu­es Orga­niza­tio­nal Design wer­den die Ban­ken ihrem Schick­sal jedoch kaum ent­ge­hen kön­nen. Die Block­chain wäre ihrer Natur nach, zumin­dest wie sie ihr Erfin­der Nick Szabo inter­pre­tiert, ein Fremd­kör­per in den Ban­ken. Zuvor müs­sen die Ban­ken in einen neu­en Ord­nungs­zu­sam­men­hang über­ge­hen, was leich­ter gesagt, als getan ist …

Wei­te­re Informationen:

What’s in store for Fin­Tech in 2016?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert