Getting your Trinity Audio player ready...

Arthur Scho­pen­hau­er gilt als Phi­lo­soph des Pes­si­mis­mus, der die Welt als Ort des Lei­dens beschrieb. Doch aus­ge­rech­net die­ser Ver­äch­ter des irdi­schen Trei­bens erwies sich als über­ra­schend ver­sier­ter Kapi­tal­an­le­ger – eine Span­nung, die mehr über das Ver­hält­nis von Geist und Geld ver­rät, als man zunächst ver­mu­ten würde.


Es gehört zu den reiz­vol­len Wider­sprü­chen der Geis­tes­ge­schich­te, dass aus­ge­rech­net jener Den­ker, der den Wil­len zum Leben als Quel­le allen Übels iden­ti­fi­zier­te, selbst einen aus­ge­präg­ten Wil­len zur Ver­mö­gens­meh­rung besaß. Arthur Scho­pen­hau­er, des­sen Haupt­werk die Welt als einen Kreis­lauf aus Begeh­ren und Ent­täu­schung schil­dert, führ­te sein eige­nes Depot mit einer Akri­bie, die man­chen Fonds­ma­na­ger beschä­men würde.

Die mate­ri­el­le Grund­la­ge für die­se Tätig­keit ver­dank­te er dem Vater, Hein­rich Flo­ris Scho­pen­hau­er, einem erfolg­rei­chen Dan­zi­ger Kauf­mann. Das Erbe hät­te dem Sohn ein beschei­de­nes Ren­tier­da­sein ermög­licht. Doch Scho­pen­hau­er begnüg­te sich nicht mit Beschei­den­heit. Er agier­te am Kapi­tal­markt, diver­si­fi­zier­te, kal­ku­lier­te Risi­ken – und schei­ter­te bis­wei­len, etwa mit mexi­ka­ni­schen Staats­an­lei­hen, die sich als weni­ger soli­de erwie­sen als erhofft. Sol­che Rück­schlä­ge hiel­ten ihn nicht davon ab, wei­ter­zu­ma­chen. Bei sei­nem Tod hat­te er das väter­li­che Ver­mö­gen nahe­zu verdoppelt.

Wie passt das zusam­men? Ein Phi­lo­soph, der den Men­schen rät, sich von den Ver­stri­ckun­gen des Wil­lens zu lösen, und der selbst mit kauf­män­ni­scher Här­te Schuld­ner ver­folgt? Der Dan­zi­ger Kauf­mann Abra­ham Lud­wig Muhl erfuhr die­se Här­te am eige­nen Leib, als Scho­pen­hau­er auf Rück­zah­lung eines Dar­le­hens bestand – mit jener Kon­se­quenz, die sei­nen Cha­rak­ter eben­so präg­te wie sei­ne Philosophie.

Die Auf­lö­sung des Wider­spruchs liegt viel­leicht gera­de dar­in, dass Scho­pen­hau­er kei­nen Wider­spruch sah. Geld war für ihn kein Genuss­mit­tel, kein Instru­ment zur Befrie­di­gung von Begier­den, son­dern eine Schutz­mau­er. Es sicher­te ihm jene Unab­hän­gig­keit, die er für sein eigent­li­ches Geschäft brauch­te: das Den­ken. Die finan­zi­el­le Auto­no­mie befrei­te ihn von der Not­wen­dig­keit, sich dem aka­de­mi­schen Betrieb anzu­pas­sen, der ihn zeit­le­bens ver­schmäh­te. Sie erlaub­te ihm, in Frank­furt ein bür­ger­li­ches Leben zu füh­ren, ohne bür­ger­li­chen Zwän­gen zu unterliegen.

Hier zeigt sich eine Hal­tung, die man als auf­ge­klär­ten Prag­ma­tis­mus bezeich­nen könn­te. Scho­pen­hau­er wuss­te, dass auch der kon­se­quen­tes­te Welt­ver­äch­ter essen, woh­nen und hei­zen muss. Die mate­ri­el­le Absi­che­rung war die Vor­aus­set­zung für die geis­ti­ge Frei­heit – nicht deren Gegen­teil. Wer von Geld­sor­gen geplagt wird, kann schlecht über das Wesen des Wil­lens nachdenken.

Die­se Ein­sicht macht Scho­pen­hau­er über­ra­schend modern. Er prak­ti­zier­te, was heu­te unter dem Begriff der finan­zi­el­len Unab­hän­gig­keit fir­miert: die Akku­mu­la­ti­on von Kapi­tal nicht um des Kon­sums wil­len, son­dern um der Frei­heit wil­len. Das Ver­mö­gen als Instru­ment der Selbst­be­stim­mung, nicht als Selbstzweck.

Frei­lich bleibt ein Rest an Iro­nie. Der Mann, der das mensch­li­che Stre­ben als letzt­lich sinn­los ent­larv­te, streb­te selbst – wenn auch nach Sicher­heit statt nach Glück. Der Unter­schied mag phi­lo­so­phisch bedeut­sam sein. Prak­tisch führt er zum sel­ben Ergeb­nis: zur sorg­fäl­ti­gen Pfle­ge des Portfolios.

So lehrt uns der Fall Scho­pen­hau­er, dass die Ver­ach­tung der Welt und die klu­ge Navi­ga­ti­on in ihr sich nicht aus­schlie­ßen müs­sen. Im Gegen­teil: Viel­leicht braucht es gera­de den nüch­ter­nen Blick des Pes­si­mis­ten, um nicht den Illu­sio­nen des schnel­len Reich­tums zu ver­fal­len. Wer vom Leben nichts erwar­tet, wird auch von sei­nen Invest­ments kei­ne Wun­der erwar­ten – und gera­de des­halb die Dis­zi­plin auf­brin­gen, die lang­fris­ti­ger Ver­mö­gens­auf­bau erfordert.

Der geschick­te Welt­ver­äch­ter: Es ist kein Wider­spruch. Es ist eine Methode.


Quel­len:

Scho­pen­hau­er und das Geld

Nie für Geld gearbeitet

Reich­tum und Glück