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Die nie­der­län­di­sche Groß­bank will sich aus­ge­rech­net auf das Hypo­the­ken­ge­schäft kon­zen­trie­ren – in einem Markt­um­feld, das die­se Stra­te­gie zur Wet­te gegen die öko­no­mi­sche Rea­li­tät macht.


Die neue ABN-Amro-Che­fin Mar­gue­ri­te Bérard hat Gro­ßes vor. Bis 2028 sol­len rund 5.200 Voll­zeit­stel­len weg­fal­len, fast ein Vier­tel der Beleg­schaft. Die Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te soll auf min­des­tens 12 Pro­zent stei­gen, das Auf­wands-Ertrags-Ver­hält­nis unter 55 Pro­zent sin­ken. Sol­che Zah­len klin­gen nach dem übli­chen Reper­toire einer Ban­ken­sa­nie­rung. Doch der stra­te­gi­sche Kern des Plans offen­bart ein bemer­kens­wer­tes Miss­ver­hält­nis zwi­schen Ambi­ti­on und Markt­la­ge: ABN Amro will sich ver­stärkt auf das Hypo­the­ken­ge­schäft konzentrieren.

Das Pri­vat­kun­den­ge­schäft wur­de bereits an die Rabo­bank ver­kauft, mit der Über­nah­me von Hauck Auf­häu­ser Lam­pe hat man sich im deut­schen Pri­va­te-Ban­king-Markt posi­tio­niert. Der Fokus auf Hypo­the­ken soll nun sta­bi­le Erträ­ge lie­fern. Was auf den ers­ten Blick wie soli­de Geschäfts­po­li­tik aus­sieht, erweist sich bei nähe­rer Betrach­tung als pro­zy­kli­sche Fehlkalkulation.

Das Hypo­the­ken­ge­schäft ist der­zeit eines der risi­ko­reichs­ten Seg­men­te im euro­päi­schen Ban­ken­sek­tor. Die gestie­ge­nen Zin­sen belas­ten Kre­dit­neh­mer unmit­tel­bar, die Refi­nan­zie­rung bestehen­der Dar­le­hen wird für vie­le Haus­hal­te zur Zer­reiß­pro­be. Hin­zu kommt die kon­junk­tu­rel­le Schwä­che, die kei­nes­wegs nur eine theo­re­ti­sche Gefahr dar­stellt. Der Zusam­men­hang zwi­schen Wirt­schafts­wachs­tum und Arbeits­lo­sig­keit ist empi­risch robust belegt – das Okun­sche Gesetz[1]Das Okun­sche Gesetz beschreibt einen empi­risch beob­ach­te­ten Zusam­men­hang zwi­schen dem Wachs­tum des rea­len Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) und der Ver­än­de­rung der Arbeits­lo­sen­quo­te. Es wur­de in den … Con­ti­nue rea­ding beschreibt ihn als nahe­zu mecha­ni­sche Bezie­hung[2]um die­sen Zusam­men­hang bzw. um die­se Kau­sal­be­zie­hung zu erken­nen, rei­chen eigent­lich schon der gesun­de Men­schen­ver­stand und ein Min­dest­maß an Lebens­er­fah­rung aus . Ein Rück­gang der Wirt­schafts­leis­tung führt nicht mög­li­cher­wei­se, son­dern unaus­weich­lich zu stei­gen­der Arbeits­lo­sig­keit. Und stei­gen­de Arbeits­lo­sig­keit führt eben­so unaus­weich­lich zu sin­ken­der Rück­zah­lungs­fä­hig­keit bei Hypothekenschuldnern.

Die Immo­bi­li­en­märk­te in den Nie­der­lan­den und Deutsch­land, wo ABN Amro expan­diert, zei­gen bereits Zei­chen der Kor­rek­tur. Sin­ken­de Immo­bi­li­en­prei­se ent­wer­ten die Sicher­hei­ten, auf denen das gesam­te Geschäfts­mo­dell basiert. Ban­ken, die in die­ser Pha­se ihr Hypo­the­ken­port­fo­lio aus­bau­en, set­zen dar­auf, dass sich die wirt­schaft­li­che Lage sta­bi­li­siert, bevor die Kre­dit­aus­fäl­le in die Bilan­zen durch­schla­gen. Das ist weni­ger eine Stra­te­gie als ein Glücks­spiel mit asym­me­tri­schem Risiko.

Gleich­zei­tig soll der mas­si­ve Stel­len­ab­bau die Kos­ten sen­ken. Mehr als die Hälf­te der betrof­fe­nen Posi­tio­nen will man durch natür­li­che Fluk­tua­ti­on abbau­en – eine For­mu­lie­rung, die ver­schlei­ert, dass Know-how und Kun­den­be­zie­hun­gen unwie­der­bring­lich ver­lo­ren gehen. Aus­ge­rech­net in einem Geschäft, das von sorg­fäl­ti­ger Risi­ko­prü­fung und lang­fris­ti­ger Kun­den­be­treu­ung lebt, erscheint die­se Kom­bi­na­ti­on aus Expan­si­on und Per­so­nal­re­duk­ti­on widersprüchlich.

Bérards Plan folgt einer Logik, die im Ban­ken­sek­tor ver­brei­tet, aber nicht des­halb rich­tig ist: Kos­ten sen­ken, auf mar­gen­stär­ke­re Pro­duk­te set­zen, ambi­tio­nier­te Ren­di­te­zie­le kom­mu­ni­zie­ren. Die Fra­ge, ob das gewähl­te Kern­ge­schäft zum makro­öko­no­mi­schen Umfeld passt, bleibt dabei eigen­tüm­lich unter­be­lich­tet. ABN Amro wet­tet dar­auf, dass die nächs­ten Jah­re glimpf­li­cher ver­lau­fen als die öko­no­mi­schen Indi­ka­to­ren nahe­le­gen. Es wäre nicht das ers­te Mal, dass eine Bank die­se Wet­te verliert.


Quel­len:

Fol­gen der Arbeitslosigkeit

ABN Amro baut Vier­tel der Beleg­schaft ab

Kahl­schlag bei ABN Amro: Neue Che­fin Bérard opfert 5.200 Stel­len für Renditeziele

Refe­ren­ces

Refe­ren­ces
1 Das Okun­sche Gesetz beschreibt einen empi­risch beob­ach­te­ten Zusam­men­hang zwi­schen dem Wachs­tum des rea­len Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) und der Ver­än­de­rung der Arbeits­lo­sen­quo­te. Es wur­de in den 1960er Jah­ren vom US-Öko­nom Arthur Okun for­mu­liert. Die Haupt­aus­sa­ge ist, dass ein Wirt­schafts­wachs­tum, das über einer bestimm­ten Schwel­le (dem soge­nann­ten nor­ma­len Pro­duk­ti­ons­wachs­tum) liegt, mit einem Rück­gang der Arbeits­lo­sen­quo­te ein­her­geht. Wenn das Wachs­tum aller­dings unter die­ser Schwel­le bleibt, steigt die Arbeitslosigkeit.

Mathe­ma­tisch heißt das: Für jedes Pro­zent, um das das BIP-Wachs­tum über dem nor­ma­len Pro­duk­ti­ons­wachs­tum liegt, redu­ziert sich die Arbeits­lo­sen­quo­te um einen bestimm­ten Fak­tor (in Deutsch­land etwa 0,36 Pro­zent­punk­te). Liegt das Wachs­tum unter die­ser Schwel­le, steigt die Arbeits­lo­sig­keit ent­spre­chend. Die­ses Gesetz zeigt also einen nega­ti­ven Zusam­men­hang zwi­schen Wirt­schafts­wachs­tum und Arbeits­lo­sig­keit, der kurz­fris­tig gut funk­tio­niert und von Öko­no­men genutzt wird, um wirt­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen zu analysieren.

Es ist aller­dings kein „Gesetz“ im natur­wis­sen­schaft­li­chen Sin­ne, son­dern eine sta­tis­tisch beob­ach­te­te Regel­mä­ßig­keit, die regio­nal und zeit­lich vari­ie­ren kann und sich auch durch struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen der Wirt­schaft wan­deln kann

2 um die­sen Zusam­men­hang bzw. um die­se Kau­sal­be­zie­hung zu erken­nen, rei­chen eigent­lich schon der gesun­de Men­schen­ver­stand und ein Min­dest­maß an Lebens­er­fah­rung aus