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Bis 2026 soll die Euro­pean Digi­tal Iden­ti­ty Wal­let euro­pa­weit ein­ge­führt wer­den. Signi­cat warnt vor feh­len­dem Geschäfts­mo­dell – und hat recht. Doch die Kri­tik ver­schweigt, dass die Pri­vat­wirt­schaft, allen vor­an die Ban­ken, jah­re­lang selbst kei­ne Lösung geschaf­fen hat und heu­te nicht inves­tie­ren will. Was sich hier abspielt, ist kein ein­fa­ches Staats­ver­sa­gen, son­dern ein sys­te­mi­sches Koor­di­na­ti­ons­ver­sa­gen zwi­schen öffent­li­cher Hand und Wirt­schaft, das auf einem fun­da­men­ta­len Miss­ver­ständ­nis des­sen beruht, was digi­ta­le Infra­struk­tur ist und wie sie wirkt.


Die War­nung von Signi­cat[1]Signi­cat warns lack of cla­ri­ty, busi­ness model could hold back EUDI Wal­let bene­fits klingt zunächst wie eine ver­nünf­ti­ge unter­neh­me­ri­sche Sor­ge: Die EUDI Wal­let habe kein trag­fä­hi­ges Geschäfts­mo­dell, die eIDAS-Ver­ord­nung reg­le zwar tech­ni­sche Stan­dards und Daten­schutz, aber nicht die öko­no­mi­sche Nach­hal­tig­keit. Ohne Mone­ta­ri­sie­rungs­per­spek­ti­ve dro­he eine Mini­mal­lö­sung, die nie­mand nut­ze. Drei­ßig bis fünf­zig natio­na­le Wal­lets wür­den ent­ste­hen, frag­men­tiert, kaum inter­ope­ra­bel, ohne ech­ten Mehr­wert. Die Dia­gno­se ist prä­zi­se und die Pro­gno­se plau­si­bel. Nur: Sie ver­schweigt eine ent­schei­den­de Vorgeschichte.

Denn die Fra­ge muss erlaubt sein: War­um exis­tiert die EUDI Wal­let über­haupt? War­um muss­te der Staat ein­sprin­gen und eine digi­ta­le Iden­ti­täts­lö­sung kon­zi­pie­ren? Die Ant­wort ist so ein­fach wie ernüch­ternd: weil die Pri­vat­wirt­schaft es nicht getan hat. Zwei Jahr­zehn­te hat­te die euro­päi­sche Wirt­schaft Zeit, eine funk­tio­nie­ren­de digi­ta­le Iden­ti­täts­lö­sung zu ent­wi­ckeln. Nicht nur die Ban­ken – auch Indus­trie, Han­del, Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men und Ver­si­che­run­gen hat­ten jedes Inter­es­se und alle Vor­aus­set­zun­gen dafür. Sie ver­füg­ten über die not­wen­di­gen Daten, die Kun­den­be­zie­hun­gen, die tech­ni­schen Kapa­zi­tä­ten und die wirt­schaft­li­che Macht. Sie hät­ten sich zusam­men­tun müs­sen, ein gemein­sa­mes Öko­sys­tem schaf­fen, Stan­dards ent­wi­ckeln kön­nen. Sie haben es nicht getan.

Sie haben es sogar ver­sucht – und sind spek­ta­ku­lär geschei­tert. Ver­i­mi, 2017 gegrün­det als Kon­sor­ti­um deut­scher Groß­un­ter­neh­men, soll­te genau die­se digi­ta­le Iden­ti­täts­lö­sung sein. Alli­anz, Axel Sprin­ger, Daim­ler, Deut­sche Bank, Deut­sche Tele­kom, Luft­han­sa – die Crè­me der deut­schen Wirt­schaft tat sich zusam­men. Man hat­te alles: Kapi­tal, Reich­wei­te, Kun­den­ba­sis, tech­ni­sches Know-how, poli­ti­sche Unter­stüt­zung. Und trotz­dem ver­schwand Ver­i­mi nach weni­gen Jah­ren in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit. Heu­te kennt das Pro­jekt kaum noch jemand. Es exis­tiert zwar for­mal noch, aber als Nischen­lö­sung ohne Rele­vanz – eine digi­ta­le Rui­ne, die dar­an erin­nert, dass gute Absich­ten und gro­ße Namen nicht aus­rei­chen, wenn die grund­le­gen­de Denk­wei­se falsch ist.

Das Schei­tern von Ver­i­mi ist lehr­reich, weil es zeigt, dass das Pro­blem nicht feh­len­de Akteu­re oder man­geln­de Res­sour­cen sind. Das Pro­blem ist die Unfä­hig­keit, über Unter­neh­mens­gren­zen hin­aus zu den­ken. Jeder Ver­i­mi-Part­ner woll­te letzt­lich sei­ne eige­nen Vor­tei­le maxi­mie­ren. Keiner…