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In den Schaufenstern deutscher Sparkassen und Volksbanken prangt derzeit Werbung für einen Zahlungsdienst, von dem die meisten Kunden noch nie gehört haben. Wero, so der Name der neuen europäischen PayPal-Alternative, soll die digitale Souveränität des Kontinents stärken und gleichzeitig besseren Datenschutz bieten. Doch die Realität spricht eine ernüchternde Sprache: In einem exemplarischen deutschen Landkreis haben sich gerade einmal 2,9 Prozent der Privatkunden registriert[1]PayPal-Alternative startet zäh: Regionale Banken werben um Kunden – Knapp drei Prozent sind registriert. Die Zahlen erinnern fatal an ein früheres Projekt deutscher Banken, das mit ähnlichen Ambitionen antrat und weitgehend scheiterte: Paydirekt.
Es scheint, als wiederhole sich Geschichte – nur diesmal auf europäischer Bühne. Die European Payments Initiative (EPI), ein Konsortium großer Finanzinstitute, hat mit Wero einen Dienst geschaffen, der technisch durchaus überzeugt: Echtzeit-Überweisungen von Konto zu Konto, Zahlungen per Handynummer oder E‑Mail ohne umständliche IBAN-Eingabe, geringere Kosten für Händler. Auf dem Papier klingen diese Vorteile vielversprechend. In der Praxis jedoch bleibt die Resonanz verhalten, trotz massiver Werbekampagnen der beteiligten Banken.
Die Macht der Gewohnheit
Der schwerfällige Start von Wero offenbart ein fundamentales Problem europäischer Digitalstrategien: Sie kommen zu spät. Während PayPal, Apple Pay und Google Pay längst zu selbstverständlichen Begleitern des digitalen Alltags geworden sind, muss Wero Nutzer davon überzeugen, etablierte Gewohnheiten zu ändern. Das ist eine Herkulesaufgabe in einem Markt, in dem Bequemlichkeit und Vertrautheit oft schwerer wiegen als Argumente wie Datensouveränität oder europäische Werte.
Die 43 Millionen registrierten Nutzer, die die EPI für die beteiligten Länder – Deutschland, Frankreich, Belgien – angibt, klingen zunächst beeindruckend. Bei genauerer Betrachtung jedoch zeigt sich, dass Registrierung nicht Nutzung bedeutet. Viele Konten dürften inaktiv sein, angelegt vielleicht auf Drängen der Hausbank, aber nie wirklich verwendet. Denn ein Zahlungsdienst lebt nicht von der Zahl seiner Accounts, sondern von einem funktionierenden Netzwerkeffekt: Je mehr Menschen ihn nutzen, desto attraktiver wird er für weitere Nutzer und Händler.
Das Paydirekt-Déjà-vu
Genau an diesem Punkt scheiterte bereits Paydirekt. Der vor einigen Jahren mit großem Aufwand gestartete deutsche Online-Bezahldienst sollte PayPal Konkurrenz machen, verschwand aber weitgehend in der Bedeutungslosigkeit. Die Gründe damals gleichen den heutigen Herausforderungen von Wero auf verblüffende Weise: mangelnde Bekanntheit trotz Werbung, fehlende Akzeptanzstellen im Handel, unklare Vorteile aus Kundensicht und die übermächtige Konkurrenz bereits etablierter Systeme.
Man könnte meinen, aus diesen Erfahrungen hätte man lernen können. Stattdessen wiederholt sich das Muster nun auf größerer, europäischer Ebene. Die Strategie scheint zu sein: mehr vom Gleichen. Mehr Werbung, mehr teilnehmende Banken, mehr Länder. Ob das ausreicht, ist fraglich. Denn das eigentliche Problem liegt tiefer: Es ist die Frage, ob Banken überhaupt die richtigen Akteure sind, um innovative digitale Zahlungsdienste zu schaffen und zu vermarkten.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Dabei wäre ein europäischer Zahlungsdienst durchaus wünschenswert. Die Abhängigkeit von US-amerikanischen Tech-Konzernen ist real, die Fragen rund um Datenschutz und Datensouveränität sind berechtigt. Wero adressiert diese Bedenken und bietet mit seinem Ansatz der direkten Konto-zu-Konto-Überweisung auch technische Vorteile. Doch all diese rationalen Argumente verhallen, wenn die emotionale Komponente fehlt: das Gefühl, etwas Innovatives, Zeitgemäßes, Unverzichtbares zu nutzen.
Die beteiligten Banken betonen, dass der Erfolg von der Kundenakzeptanz abhänge und man den Werbedruck erhöhen wolle. Das klingt nach einer defensiven Strategie, nach einem Appell an die Vernunft der Kunden. Doch digitale Märkte werden nicht durch Vernunftargumente erobert, sondern durch überzeugende Nutzererlebnisse, virale Verbreitung und das Gefühl, bei etwas Neuem dabei zu sein. Genau diese Dynamik vermag Wero bislang nicht zu erzeugen.
Ein mühsamer Weg
Die geplante Erweiterung auf Zahlungen im stationären Handel und beim Online-Shopping könnte Wero neue Impulse geben. Doch auch hier gilt: Die Konkurrenz schläft nicht. Apple Pay und Google Pay sind längst im Alltag angekommen, PayPal im Online-Handel fest etabliert. Wero muss nicht nur technisch mithalten, sondern deutlich besser sein, um Marktanteile zu gewinnen – ein Anspruch, der aktuell nicht erfüllt scheint.
So steht Wero exemplarisch für ein europäisches Dilemma: Der Wille zur digitalen Souveränität ist da, die politische Unterstützung ebenfalls, auch die technischen Möglichkeiten. Was fehlt, ist die Fähigkeit, aus all dem ein Produkt zu formen, das Menschen wirklich begeistert und das sich gegen globale Player behaupten kann. Es ist der Unterschied zwischen einem Projekt, das funktioniert, und einem Produkt, das geliebt wird.
Ob Wero das Schicksal von Paydirekt entgehen kann, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Die Zeichen stehen derzeit nicht günstig. Doch vielleicht – und das wäre die optimistische Lesart – ist der zähe Start nur der Anfang einer langfristigen Strategie. Europäische Lösungen brauchen möglicherweise mehr Geduld, mehr Zeit zum Wachsen. Die Frage ist nur: Wie viel Zeit bleibt, bevor die Konkurrenz auch die letzten Marktanteile erobert hat?
References

