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Das Argu­ment „Wären Ana­lys­ten wirk­lich gut, wären sie längst Mil­lio­nä­re“ klingt schlag­kräf­tig – doch es greift zu kurz. Hin­ter der Welt der Bör­sen­kom­men­ta­to­ren ver­birgt sich ein Geflecht aus insti­tu­tio­nel­len Zwän­gen, psy­cho­lo­gi­schen Mecha­nis­men und sym­bo­li­scher Erzähl­kunst. Wer ver­ste­hen will, war­um Ana­lys­ten oft wie moder­ne Alche­mis­ten wir­ken, muss ihre Rol­le zwi­schen Wis­sen, Macht und Fik­ti­on betrachten.


Das Miss­trau­en gegen­über Akti­en­ana­lys­ten ist so alt wie die Finanz­märk­te selbst. Immer wie­der taucht die spöt­ti­sche Fra­ge auf: Wenn Ana­lys­ten wirk­lich wüss­ten, wie man Geld ver­dient – war­um tun sie es dann nicht selbst?

Die­se rhe­to­ri­sche Poin­te trifft einen wun­den Punkt. Denn tat­säch­lich wer­den die meis­ten Ana­lys­ten nicht reich. Sie arbei­ten in Struk­tu­ren, die ihren Hand­lungs­spiel­raum begren­zen: bei Ban­ken, Rese­arch-Häu­sern oder Medi­en, wo sie Emp­feh­lun­gen for­mu­lie­ren müs­sen, die insti­tu­tio­nel­len Inter­es­sen die­nen – nicht der rei­nen Wahr­heits­su­che. All­zu kri­ti­sche Stim­men wer­den schnell iso­liert; über­mä­ßig posi­ti­ve Ana­ly­sen hin­ge­gen sind will­kom­men, weil sie Ver­trau­en und Trans­ak­tio­nen fördern.

Dabei ist das Grund­pro­blem tie­fer­lie­gend. Selbst wenn Ana­lys­ten unge­bun­den wären, könn­ten sie lang­fris­tig kaum sys­te­ma­tisch den Markt schla­gen. Die berühm­te Effi­zi­enz­mark­t­hy­po­the­se besagt, dass alle ver­füg­ba­ren Infor­ma­tio­nen bereits in den Kur­sen ent­hal­ten sind – wer also glaubt, durch blo­ße Ana­ly­se einen dau­er­haf­ten Wis­sens­vor­sprung zu haben, kämpft gegen das Prin­zip der Markt­ef­fi­zi­enz selbst. Stu­di­en zei­gen, dass die Erfolgs­quo­te pro­fes­sio­nel­ler Emp­feh­lun­gen kaum über dem Zufalls­ni­veau liegt. Der Unter­schied zwi­schen Ana­lys­ten und Wahr­sa­gern ist oft nur die Spra­che: die einen spre­chen von „Kurs­zie­len“, die ande­ren von „Visio­nen“.

Der Tre­cker und der Ochse

Eine tref­fen­de Meta­pher: Wer einem Ana­lys­ten glaubt, der selbst nicht erfolg­reich inves­tiert, han­delt wie jemand, der einen Trak­tor von einem Ver­käu­fer kauft, der immer noch mit einem Och­sen pflügt. Glaub­wür­dig­keit ent­steht nicht durch Wor­te, son­dern durch geleb­te Praxis.

Vie­le Ana­lys­ten pre­di­gen Ren­di­te, leben aber von Gehäl­tern. Sie ver­kau­fen Wis­sen, das sie selbst nicht nut­zen – ein struk­tu­rel­ler Wider­spruch, der das Ver­trau­en unter­gräbt. Das „Gül­tig­keits­prin­zip“ könn­te man so for­mu­lie­ren: Kom­pe­tenz zeigt sich dar­an, ob jemand die eige­nen Über­zeu­gun­gen erfolg­reich in die Tat umsetzt.

Wenn Pro­gno­sen zu Erzäh­lun­gen werden

Die moder­ne Finanz­welt ist voll von Nar­ra­ti­ven. Ana­lys­ten erzäh­len Geschich­ten – von kom­men­den Auf­schwün­gen, dro­hen­den Kri­sen, „hei­ßen“ Trends. Die­se Geschich­ten fol­gen psy­cho­lo­gi­schen Mus­tern: Sie geben Ori­en­tie­rung in einem Meer aus Unsi­cher­heit, erzeu­gen Span­nung und lie­fern eine schein­ba­re Lösung.…