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Die Net-Zero Ban­king Alli­ance ist Geschich­te. Nach nur vier Jah­ren endet ein ambi­tio­nier­tes Pro­jekt, das den glo­ba­len Finanz­sek­tor zum Hebel des Kli­ma­schut­zes machen woll­te[1]Ende eines Hypes: Net-Zero Ban­king Alli­ance zieht Ste­cker. Doch das eigent­li­che Pro­blem lag tie­fer: im Glau­ben, ein kom­ple­xes Sys­tem wie das Kli­ma – ver­mit­telt über ein ande­res kom­ple­xes Sys­tem, das Finanz­sys­tem – sei plan- und steuerbar.


Die­se Idee, die Ban­ken könn­ten durch Kapi­tal­len­kung das Welt­kli­ma beein­flus­sen, folgt einer Logik der linea­ren Kau­sa­li­tät: Wenn A geschieht, dann folgt B. Inves­ti­tio­nen weg von fos­si­len Ener­gien sol­len zu weni­ger Emis­sio­nen füh­ren, was wie­der­um die Erwär­mung bremst. Doch die­se Kau­sal­ket­te igno­riert, was Edward Lorenz in den 1960er-Jah­ren demons­trier­te: In nicht­li­nea­ren Sys­te­men erzeu­gen kleins­te Ver­än­de­run­gen unvor­her­seh­ba­re, makro­sko­pi­sche Effek­te – der sprich­wört­li­che Flü­gel­schlag des Schmet­ter­lings, der den Sturm auslöst.

Das Kli­ma­sys­tem ist genau ein sol­ches Sys­tem: sen­si­tiv, dyna­misch, hoch­gra­dig ver­netzt. Aber auch die Welt­wirt­schaft und die glo­ba­len Finanz­märk­te funk­tio­nie­ren nach ähn­li­chen Prin­zi­pi­en. Kapi­tal­flüs­se, poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen, tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen – alles inter­agiert, rück­kop­pelt, ver­än­dert sich. Der Ver­such, ein sol­ches Sys­tem gezielt zu steu­ern, gleicht dem Ver­such, ein chao­ti­sches Wet­ter­ge­sche­hen mit einem Ther­mo­stat zu regeln.

Der Phy­si­ker Mur­ray Gell-Mann präg­te für sol­che Phä­no­me­ne den Begriff der kom­ple­xen adap­ti­ven Sys­te­me: Struk­tu­ren, die sich selbst orga­ni­sie­ren, ohne zen­tra­le Kon­trol­le, deren Ver­hal­ten aus der Inter­ak­ti­on vie­ler Ele­men­te emer­giert. Finanz­märk­te sind dafür ein Para­de­bei­spiel. Sie reagie­ren nicht ratio­nal auf mora­li­sche Appel­le, son­dern auf Feed­back-Schlei­fen, Erwar­tun­gen und Zufall. Selbst wenn ein­zel­ne Ban­ken ihre Port­fo­li­os „dekar­bo­ni­sie­ren“, ver­schiebt sich das Kapi­tal nur inner­halb des Sys­tems – die Gesamt­dy­na­mik bleibt unberührt.

Damit wird auch das Green­wa­shing ver­ständ­lich: Es ist kein mora­li­scher Defekt, son­dern eine struk­tu­rel­le Kon­se­quenz. Wenn Steue­rung nur simu­liert wer­den kann, ent­steht die Rhe­to­rik der Kon­trol­le – Berich­te, Labels, Nach­hal­tig­keits-Scores –, die Ord­nung ver­spre­chen, wo kei­ne existiert.

Und schließ­lich stößt selbst die Spra­che, mit der wir die­se Sys­te­me zu erfas­sen ver­su­chen, an Gren­zen. Das Gödel­sche Unvoll­stän­dig­keits­theo­rem erin­nert uns dar­an, dass kein for­ma­les Sys­tem in der Lage ist, sei­ne eige­ne Voll­stän­dig­keit zu bewei­sen. Über­tra­gen auf gesell­schaft­li­che Steue­rung bedeu­tet das: Kein Regel­sys­tem – sei es wirt­schaft­lich, poli­tisch oder mora­lisch – kann sich selbst voll­stän­dig ver­ste­hen oder aus sich her­aus garan­tie­ren, dass sei­ne Steue­rungs­lo­gik „rich­tig“ ist. Die Net-Zero Ban­king Alli­ance war ein Ver­such, inner­halb des Sys­tems der glo­ba­len Öko­no­mie des­sen eige­ne Begrenzt­heit zu über­win­den – ein Para­dox, das schei­tern musste.

Das Ende der NZBA ist daher kein blo­ßes poli­ti­sches Ereig­nis, son­dern eine epis­te­mo­lo­gi­sche Zäsur. Es mar­kiert das Auf­wa­chen aus der Illu­si­on, dass man Kom­ple­xi­tät mana­gen kann, wenn man sie nur gut genug misst, regu­liert oder bepreist.

Viel­leicht liegt dar­in die eigent­li­che Leh­re: Nicht mehr Steue­rung, son­dern mehr Ein­sicht in die Begrenzt­heit unse­rer Steue­rungs­ver­su­che. Nicht mehr Kon­trol­le, son­dern ein Bewusst­sein für die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und Nicht­vor­her­sag­bar­keit der Sys­te­me, in denen wir handeln.

Kli­ma­schutz bleibt not­wen­dig – aber er wird nicht durch linea­re Pla­nung gelin­gen, son­dern durch adap­ti­ve Lern­pro­zes­se, Resi­li­enz und Demut vor der Kom­ple­xi­tät. Die Net-Zero Ban­king Alli­ance ist geschei­tert, weil sie die Spra­che des Manage­ments auf eine Welt anwand­te, die sich nicht mana­gen lässt.