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HSBC mel­det einen spek­ta­ku­lä­ren Erfolg mit Quan­ten­com­pu­tern: 34 Pro­zent bes­se­re Preis­pro­gno­sen beim Anlei­he­han­del. Doch wäh­rend PR-Abtei­lun­gen von der “Quan­ten­re­vo­lu­ti­on” schwär­men und Bera­tungs­rie­sen wie McK­in­sey Mil­li­ar­den­märk­te pro­gnos­ti­zie­ren, mah­nen unab­hän­gi­ge Exper­ten zur Vor­sicht. Ein kri­ti­scher Blick hin­ter die Kulis­sen des ver­meint­li­chen Durchbruchs.


Der ver­meint­li­che Durchbruch

Als HSBC in Zusam­men­ar­beit mit IBM ver­kün­de­te, mit einem Quan­ten­pro­zes­sor die Pro­gno­se­ge­nau­ig­keit für Anlei­hen­prei­se um 34 Pro­zent gestei­gert zu haben, über­schlu­gen sich die Schlag­zei­len[1]Quan­ten­com­pu­ter-Test: HSBC öff­net Tür zu neu­er Finanz­markt-Ära. Ein “Sput­nik-Moment”[2]Durch­bruch bei Quan­ten­com­pu­tern: Ein­satz bei Bör­sen­han­del erfolg­reich für die Finanz­bran­che, wie die Bank selbst for­mu­lier­te. Erst­mals sei ein Quan­ten­com­pu­ter nicht nur im Labor, son­dern unter rea­len Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen erfolg­reich ein­ge­setzt worden.

Die Zah­len klin­gen beein­dru­ckend: Bei den täg­lich abge­wi­ckel­ten tau­sen­den Trans­ak­tio­nen im glo­ba­len Han­del kön­nen schon weni­ge Pro­zent­punk­te Ver­bes­se­rung Mil­li­ar­den bewe­gen. McK­in­sey sieht bereits den gesam­ten Quan­ten­com­pu­ting-Markt bis 2035 auf 72 Mil­li­ar­den Dol­lar jähr­lich anwach­sen – die Finanz­bran­che als einen der ers­ten Profiteure.

Die McK­in­sey-Skep­sis: Berech­tigt oder übertrieben?

Doch genau hier beginnt das Pro­blem. Wenn McK­in­sey ins Spiel kommt, wer­den vie­le Men­schen – nicht ohne Grund – miss­trau­isch. Die Bera­tungs­rie­sen haben sich über Jahr­zehn­te den Ruf erwor­ben, als “Bera­ter der Mäch­ti­gen” zu agie­ren, deren Pro­gno­sen oft mehr den Inter­es­sen ihrer Auf­trag­ge­ber als der Rea­li­tät ver­pflich­tet sind.

McK­in­seys Ver­wick­lung in diver­se Skan­da­le, die undurch­sich­ti­gen Metho­den und der Ver­dacht auf Inter­es­sen­kon­flik­te näh­ren berech­tig­te Zwei­fel: Han­delt es sich bei den rosi­gen Quan­ten­com­pu­ting-Pro­gno­sen um eine wei­te­re über­trie­be­ne Tech­no­lo­gie-Eupho­rie, die pri­mär dem Geschäft der Bera­ter und ihrer Kli­en­ten dient?

Die nüch­ter­ne Realität

Unab­hän­gi­ge Stim­men zeich­nen ein deut­lich dif­fe­ren­zier­te­res Bild. Fach­me­di­en wie Kett­ner Edel­me­tal­le bezwei­feln offen, ob HSBCs “Quan­ten­re­vo­lu­ti­on” mehr als ein teu­res Expe­ri­ment dar­stellt. Selbst Tech­no­lo­gie-Kory­phä­en wie Nvi­dia-Chef Jen­sen Huang war­nen, dass wirk­lich pra­xis­taug­li­che Quan­ten­com­pu­ter noch Jah­re ent­fernt seien.

Beson­ders auf­schluss­reich: Auch inner­halb von HSBC sehen Prak­ti­ker wie Josh Free­land den Durch­bruch weni­ger als garan­tiert. Die Rekord­wer­te sei­en teil­wei­se labor­be­dingt und im Tages­ge­schäft nicht immer repro­du­zier­bar. Mehr noch: Der ver­meint­li­che Quan­ten­vor­teil benö­tigt nach wie vor mas­si­ve Unter­stüt­zung durch klas­si­sche Wis­sen­schaft und KI – ein Zei­chen dafür, dass der Mehr­wert noch nicht allein durch die neue Tech­no­lo­gie entsteht.

Regu­la­to­ri­sche Realitätschecks

Wäh­rend PR-Abtei­lun­gen von der Quan­ten­re­vo­lu­ti­on träu­men, mah­nen Regu­lie­rungs­be­hör­den zur Vor­sicht. Die BaFin warnt expli­zit vor zu schnel­ler Eupho­rie und macht auf neue Sys­tem- und Aus­fall­ri­si­ken auf­merk­sam. Stu­di­en der Bank für Inter­na­tio­na­len Zah­lungs­aus­gleich und des Fraun­ho­fer Insti­tuts beto­nen den noch immer expe­ri­men­tel­len Cha­rak­ter vie­ler Anwendungsfälle.

Der Roll­out im Mas­sen­ge­schäft bleibt unsi­cher, solan­ge Ska­lie­rung und Feh­ler­an­fäl­lig­keit unge­lös­te Pro­ble­me dar­stel­len. Die Inte­gra­ti­on von Quan­ten­tech­no­lo­gie bringt neue Her­aus­for­de­run­gen für Cyber­si­cher­heit und IT-Infra­struk­tur mit sich – Aspek­te, die in den euphe­mis­ti­schen Erfolgs­mel­dun­gen ger­ne unter den Tisch fallen.

Zwi­schen Hype und Realität

HSBCs Quan­ten­com­pu­ter-Test ist zwei­fel­los ein wich­ti­ger Schritt im Inno­va­ti­ons­pro­zess. Die Tech­no­lo­gie hat hohes Poten­zi­al und wird kom­men – das steht außer Fra­ge. Doch die Art, wie die­ser Fort­schritt kom­mu­ni­ziert wird, folgt einem bekann­ten Mus­ter: Über­trei­bung, Ver­kür­zung und die Ver­mi­schung von Mög­lich­kei­ten mit Gewissheiten.

Die Rea­li­tät ist kom­ple­xer und weni­ger spek­ta­ku­lär. Quan­ten­com­pu­ting steht 2025 noch am Anfang eines län­ge­ren Ent­wick­lungs­pro­zes­ses. Die kon­kre­ten All­tags­vor­tei­le und Kos­ten­ef­fek­te sind nicht garan­tiert, die regu­la­to­ri­schen Hür­den beträcht­lich, und die tech­ni­schen Her­aus­for­de­run­gen noch längst nicht voll­stän­dig gelöst.

Fazit: Gesun­de Skep­sis als Gebot der Stunde

Der HSBC-Fall zeigt exem­pla­risch, wie Tech­no­lo­gie-Hype funk­tio­niert: Ein rea­ler Fort­schritt wird zur “Revo­lu­ti­on” sti­li­siert, Bera­ter pro­gnos­ti­zie­ren Mil­li­ar­den­märk­te, und kri­ti­sche Stim­men gehen im Jubel unter. Doch gera­de bei bahn­bre­chen­den Tech­no­lo­gien ist gesun­de Skep­sis angebracht.

Quan­ten­com­pu­ting wird die Finanz­welt ver­än­dern – aber lang­sa­mer, kom­pli­zier­ter und mit mehr Rück­schlä­gen, als die PR-Maschi­ne­rie glau­ben machen will. Die wah­re Revo­lu­ti­on liegt nicht in spek­ta­ku­lä­ren Schlag­zei­len, son­dern in der gedul­di­gen, metho­di­schen Ent­wick­lungs­ar­beit abseits der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie. Wer inves­tiert oder stra­te­gi­sche Ent­schei­dun­gen trifft, soll­te sich weni­ger von McK­in­sey-Pro­gno­sen als von den nüch­ter­nen Ein­schät­zun­gen unab­hän­gi­ger Exper­ten lei­ten lassen.


Quel­len und wei­te­re Informationen:

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