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Während die Braunschweigische Landessparkasse mit drastischen Stellenkürzungen und Filialschließungen kämpft, tobt im Hintergrund ein politisches Ränkespiel um Macht und Karrieren. Ein Essay über den schwierigen Spagat zwischen digitalem Wandel und regionaler Versorgung – und warum persönliche Ambitionen den notwendigen Strukturwandel überschatten.
Der deutsche Sparkassensektor befindet sich in der größten Umbruchphase seiner Geschichte. Was sich derzeit bei der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) abspielt, ist exemplarisch für die Herausforderungen einer ganzen Branche: Bis 2028 sollen 80 Stellen abgebaut und zahlreiche Filialen geschlossen werden. Doch hinter den vordergründig wirtschaftlichen Argumenten verbirgt sich ein komplexes Geflecht aus berechtigten Zukunftssorgen und Machtkalkülen.
Der digitale Tsunami erreicht die Sparkassen
Die Zahlen sind ernüchternd: Immer weniger Kunden besuchen die Filialen, Online-Banking und mobile Apps haben das Kundenverhalten fundamental verändert. Was die BLSK-Führung als notwendige Anpassung an die Realitäten des 21. Jahrhunderts verkauft, trifft jedoch auf erbitterten Widerstand aus der Politik. Frank Klingebiel, Oberbürgermeister von Salzgitter und Verwaltungsrat der BLSK, spricht von einem “fatalen Signal” und einem Verrat am öffentlichen Auftrag der Sparkassen.
Diese Kritik ist nicht von der Hand zu weisen. Sparkassen sind keine gewöhnlichen Banken – sie haben einen gesellschaftlichen Auftrag zur flächendeckenden Versorgung. Wenn sie sich aus ländlichen Gebieten zurückziehen, hinterlassen sie eine Lücke, die private Banken längst nicht mehr füllen wollen. Der Sparkassenbus und SB-Standorte mögen pragmatische Lösungen sein, aber sie können das persönliche Gespräch und die lokale Verankerung nicht ersetzen.
Wenn persönliche Ambitionen die Sachpolitik überlagern
Besonders brisant wird die Situation durch das Engagement von Liane Buchholz, Präsidentin des Westfälischen Sparkassenverbands. Ihre Forderung nach einer Trennung der BLSK von der NordLB mag auf den ersten Blick sachlich begründet erscheinen – schließlich könnte eine eigenständige BLSK flexibler agieren und Risiken der Landesbank-Beteiligung vermeiden.
Kritische Stimmen fragen jedoch, warum sich die Präsidentin eines regionalen Sparkassenverbands so intensiv in die Angelegenheiten einer Sparkasse außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs einmischt. Branchenbeobachter spekulieren über mögliche Karriereambitionen und sehen in dem überregionalen Engagement eine strategische Positionierung für höhere Ämter im deutschen Sparkassenwesen. Ob diese Einschätzungen zutreffen, bleibt allerdings Gegenstand der Diskussion.
Das Problem der Regionalfürsten
Der Fall illustriert ein strukturelles Problem des deutschen Sparkassenwesens: die komplexe Rolle der regionalen Verbände. Die Präsidenten der großen Regionalverbände – neben Westfalen-Lippe auch Bayern und Baden-Württemberg – verfügen über erhebliche Gestaltungsmacht, die mitunter zu Spannungen mit dem Bundesverband führen kann.
Diese Zersplitterung führt zu erheblichen Reibungsverlusten. Während die einzelnen Sparkassen vor Ort um ihre Zukunft kämpfen und schwierige Entscheidungen über Stellenabbau und Filialschließungen treffen müssen, verschwenden die Verbandsfunktionäre Energie in internen Machtkämpfen. Gerade in Zeiten des digitalen Wandels, in denen schnelle und einheitliche Lösungen gefragt wären, erweist sich diese föderale Struktur als Hemmschuh. In der Organisationstheorie wird dieses Phänomen als dysfunktional bezeichnet.
Dass Machtspiele und Machtkämpfe zum Alltag in Organisationen gehören, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Es wäre naiv anzunehmen, dass es immer nur um die Sache geht[1]Wie sagte Herbert Wehner doch: “Organisation ist Politik”. Jedoch kann das relativ rasch eine Eigendynamik entwickeln, in deren Folge das eigentliche Ziel immer mehr aus dem Blick gerät und persönliche Befindlichkeiten die Oberhand gewinnen.
Zwischen Effizienz und gesellschaftlichem Auftrag
Die Braunschweigische Landessparkasse steht stellvertretend vor einem Dilemma, das den gesamten Sparkassensektor prägt: Wie lässt sich der gesellschaftliche Auftrag zur flächendeckenden Versorgung mit den Anforderungen der Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen? Die Digitalisierung ist unumkehrbar, das veränderte Kundenverhalten Realität. Gleichzeitig dürfen Sparkassen nicht zu gewöhnlichen Geschäftsbanken werden, die nur noch profitable Standorte bedienen.
Die Lösung kann nicht darin bestehen, die Augen vor den wirtschaftlichen Realitäten zu verschließen. Aber sie sollte auch nicht bedeuten, dass strukturelle Reformen von anderen Motiven als der Sache selbst getrieben werden. Was die Sparkassen brauchen, sind transparente Entscheidungsprozesse und echte Reformen – Reformen, die den gesellschaftlichen Auftrag ernst nehmen und trotzdem zukunftsfähige Strukturen schaffen. Das schließt auch und vor allem die Verbände ein. Es ist zu fragen, ob diese Ebene noch in die Zeit passt. Die Volksbanken haben die Regionalverbände schon vor einiger Zeit aufgelöst.
Der Fall BLSK zeigt: Der deutsche Sparkassensektor steht an einem Scheideweg. Die Frage ist nicht, ob sich die Strukturen ändern werden – sie ändern sich bereits. Die Frage ist, ob diese Veränderungen von sachlichen Erwägungen und transparenten Prozessen getrieben werden.
Die Braunschweigische Landessparkasse (BLSK) ist eine regional ausgerichtete Sparkasse mit Sitz in Braunschweig, Niedersachsen, und Teil der Norddeutschen Landesbank Girozentrale (NORD/LB) im sogenannten „AidA“-Modell („Anstalt in der Anstalt“) seit 2008.
Die Geschichte ihrer Vorläufer reicht bis ins Jahr 1765 zurück, als Herzog Karl I. das Herzogliche Leyhaus gründete, welches als Ursprung sowohl der Braunschweigischen Landessparkasse als auch der Braunschweigischen Staatsbank gilt.
Geschichte und Entwicklung
- Die Bank hat Tradition als öffentlich-rechtliches Kreditinstitut: Bereits 1765 entstand das Herzogliche Leyhaus, aus dem im 19. Jahrhundert die Braunschweigische Staatsbank hervorging.
- Im Jahr 1919 wurde das Sparkassengeschäft für das Land Braunschweig in einer eigenständigen „Braunschweigischen Landessparkasse“ konzentriert.
- 1970 fusionierte die Braunschweigische Staatsbank inkl. Landessparkasse mit weiteren Instituten zur NORD/LB, weshalb die Landessparkasse ihre Selbständigkeit weitgehend verlor, jedoch weiterhin als Name und regionale Struktur fortgeführt wird.
- Seit 2008 ist die BLSK formal eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der NORD/LB.
Strukturen und Kennzahlen
- Die BLSK agiert mit starker regionaler Ausrichtung und Tradition: Das Geschäftsgebiet umfasst das ehemalige Herzogtum Braunschweig und umschließt Braunschweig, Wolfsburg, Helmstedt, Wolfenbüttel, Salzgitter, Seesen, die Harzregion bis nach Holzminden.
- Zum Jahresende 2022 beschäftigte die BLSK ca. 757 Mitarbeitende und 63 Auszubildende, hatte 88 eigene Filialen und verwaltete ein Kundenvolumen von über 15,2 Milliarden Euro.
- Die Hauptaufgaben der BLSK liegen in der Versorgung der Bevölkerung und des Mittelstands mit Finanzdienstleistungen, wobei die Förderung der Region und gesellschaftliches Engagement einen hohen Stellenwert haben.
Rolle und Besonderheiten
- Die BLSK betont ihre gesellschaftliche Verantwortung sowie ihr Engagement für Kultur, Wissenschaft und Sport in der Region, häufig auch über Stiftungsarbeit.
- Sie versteht sich weiterhin als traditionsbewusste, aber moderne Sparkasse, die Innovation mit regionaler Identität und kommunaler Nähe vereint.
Rechtsform und Eigentümerschaft
- Rechtlich ist die BLSK keine eigenständige Sparkasse, sondern eine teilrechtsfähige Organisationseinheit innerhalb der NORD/LB und unterliegt damit deren Steuerung und Aufsicht.
- Eigentümerin ist mittelbar das Land Niedersachsen als Hauptträger der NORD/LB.
Zusammengefasst steht die Braunschweigische Landessparkasse für ein Stück norddeutscher und niedersächsischer Regionalgeschichte, mit besonderer Bedeutung für die ökonomische Entwicklung des ehemaligen Herzogtums Braunschweig und die heutige Metropolregion.
Quellen:
Job-Beben bei der BLSK – Verwaltungsrat spricht Klartext
Neuer Plan für Braunschweigische Landessparkasse
Gutachten: Herauslösen der BLSK aus der NordLB ist möglich, aber teuer
NordLB: Weitere Pläne für ihre Sparkasse sickern durch
Mit List und Tücke: Wie Braunschweig zum Spielball im Kampf der Sparkassen wird
Sparkassen wollen NordLB schrumpfen
Wie die Sparkassenbosse eine Frau an ihrer Spitze verhindern wollen
References
↑1 | Wie sagte Herbert Wehner doch: “Organisation ist Politik” |
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