Getting your Trinity Audio player ready...
|
Zwei Denkschulen, zwei Arten der Revolution: Während Joseph Schumpeter beschreibt, wie sich Innovationen durchsetzen, zeigt das Bankstil-Framework, wie Organisationen auf Herausforderungen mit authentischen Stilrevolutionen antworten können. Ein theoretischer Dialog zwischen der Analyse des Wandels und der Gestaltung eigener Antworten – und warum Banken heute beide Perspektiven brauchen.
In der Welt der Wirtschaftstheorie stehen sich zwei fundamentale Perspektiven gegenüber: die des Analytikers und die des Gestalters. Joseph Schumpeters Vision der “schöpferischen Zerstörung” beschreibt, wie Wandel geschieht – das Bankstil-Framework zeigt, wie Organisationen diesen Wandel authentisch gestalten können. Beide suchen Antworten auf dieselbe Frage: Wie gelingt Transformation in einer sich wandelnden Welt?
Analytiker versus Gestalter
Schumpeter war ein brillanter Beobachter der Disruption. Für ihn war Wirtschaftsentwicklung ein analysierbarer Prozess permanenter Revolution, in dem Innovationen wie Naturgewalten über etablierte Strukturen hinwegfegen. Seine Theorie beschreibt mit wissenschaftlicher Präzision, was geschieht: Das Effizientere verdrängt das Ineffiziente, der Markt belohnt Innovation, bestraft Stagnation. Es ist eine Theorie des “Was” und “Warum” – aber nicht des “Wie” der Gestaltung.
Das Bankstil-Framework hingegen ist ein Werkzeug der Gestaltung. Es beschreibt nicht nur, was passiert, sondern wie Organisationen ihre eigenen Antworten entwickeln können. Wo Schumpeter die Gesetzmäßigkeiten des Wandels analysiert, reicht das Framework die Werkzeuge zur individuellen Gestaltung dieses Wandels.
Zwei Arten des Sehens
Beschreiben versus Gestalten
Der fundamentale Unterschied liegt nicht in der Radikalität des Wandels, sondern in der Rolle der Theorie. Schumpeter beschreibt, wie sich Innovationen durchsetzen – quasi-naturgesetzlich, unaufhaltsam, nach vorhersagbaren Mustern. Seine Analyse ist deskriptiv: So funktioniert wirtschaftlicher Wandel, so entstehen Zyklen, so wirkt schöpferische Zerstörung.
Das Bankstil-Framework dagegen ist präskriptiv – es zeigt Wege auf, wie Organisationen ihre eigenen, authentischen Antworten auf Herausforderungen entwickeln können. Beide Theorien können durchaus revolutionäre Ergebnisse beschreiben, aber ihre Perspektiven sind fundamental verschieden: Analyse versus Gestaltung, Beschreibung versus Anleitung.
Das Bankstil-Framework dagegen versteht die Wirtschaft als Atelier, in dem verschiedene Stilrichtungen entstehen können. Hier wird “Originalstil” zur zentralen Kategorie – und die Kunstgeschichte lehrt uns: Originalstile können ebenso disruptiv sein wie schumpeterianische Innovationen. Der Impressionismus war ein radikaler Bruch mit der akademischen Malerei, der Expressionismus eine Revolte gegen etablierte Sehgewohnheiten. “Originalstil” bedeutet nicht sanfte Evolution, sondern kann durchaus revolutionären Stilbruch bedeuten.
Die Macht der Analyse versus die Kraft der authentischen Antwort
Schumpeters “schöpferische Zerstörung” folgt einer analytischen Logik – er beschreibt, warum das Effizientere das Ineffiziente verdrängt. Wenn Uber das Taxigewerbe transformiert, zeigt Schumpeter die ökonomischen Mechanismen auf, die diesen Prozess antreiben. Seine Theorie erklärt den Wandel, aber sie gestaltet ihn nicht.
Das Bankstil-Framework ermöglicht eine andere Dimension: die bewusste Gestaltung authentischer Antworten. Wie die Impressionisten auf die Erfindung der Fotografie reagierten – nicht durch Kapitulation, sondern durch radikale Neuerfindung der Malerei – können Banken auf schumpeterianische Herausforderungen mit eigenen Stilrevolutionen antworten. Eine Genossenschaftsbank könnte auf die FinTech-Disruption nicht mit Imitation reagieren, sondern mit einer radikalen Vertiefung partizipativer Finanzmodelle – eine bewusst gestaltete, authentische Revolution.
Wenn Theorie auf Realität trifft
Die Praxis zeigt: Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Die FinTech-Revolution der letzten Jahre war ein schumpeterianisches Ereignis par excellence – neue Akteure mit radikalen Geschäftsmodellen haben ganze Marktsegmente verändert. Gleichzeitig beweisen regionale Banken täglich, dass auch der Bankstil-Ansatz funktioniert: Sie finden ihre Stärke nicht in der Kopie digitaler Vorbilder, sondern in der Authentizität ihrer gewachsenen Identität.
Die Corona-Pandemie hat diese Dualität noch verstärkt. Während digitale Services einen schumpeterianischen Schub erhielten, suchten Menschen gleichzeitig nach Vertrauen und Stabilität – Eigenschaften, die oft in traditionellen, nicht-disruptiven Strukturen zu finden waren.
Die Kunst der Synthese
Vielleicht liegt die Wahrheit in der Erkenntnis, dass beide Perspektiven sich ergänzen: Schumpeter hilft zu verstehen, was geschieht, das Bankstil-Framework hilft zu entscheiden, wie darauf zu reagieren ist. Moderne Banken brauchen sowohl die analytische Klarheit über Marktmechanismen als auch die gestalterische Kompetenz für authentische Antworten. Der eine zeigt die Naturgesetze des Wandels, das andere die Kunst der individuellen Reaktion.
Ein Blick auf erfolgreiche Banken zeigt: Die Gewinner sind oft jene, die beide Perspektiven beherrschen. Sie können radikal innovieren, wo es nötig ist, und behutsam entwickeln, wo es sinnvoll ist. Sie verstehen, dass manche Märkte schumpeterianische Disruption erfordern, während andere durch die stetige Verfeinerung bestehender Stärken zu erobern sind.
Das Timing entscheidet
Der entscheidende Faktor ist oft das Timing. In Krisenzeiten oder bei fundamentalen Marktveränderungen mag die schumpeterianische Brechstange das richtige Werkzeug sein. In stabilen Phasen oder bei der Entwicklung von Differenzierungsmerkmalen kann der behutsame Bankstil-Ansatz überlegen sein.
Die Corona-Pandemie war ein schumpeterianischer Moment für die Digitalisierung, aber gleichzeitig ein Bankstil-Moment für Vertrauen und Stabilität. Banken, die beide Dimensionen verstanden, konnten beide Chancen nutzen.
Ein Dialog ohne Ende
Die Gegenüberstellung von Schumpeter und dem Bankstil-Framework ist mehr als ein akademisches Gedankenspiel. Sie spiegelt eine fundamentale Spannung der Moderne wider: zwischen der Sehnsucht nach Innovation und dem Bedürfnis nach Kontinuität, zwischen der Effizienz der Zerstörung und der Weisheit der Evolution.
Beide Theorien haben ihre blinden Flecken. Schumpeters Fokus auf Innovation kann zu einer Verachtung bewährter Strukturen führen, die durchaus zukunftsfähig wären. Das Bankstil-Framework wiederum kann zu einer Selbstgefälligkeit verleiten, die echte Disruptionen übersieht.
Die Zukunft gehört vermutlich jenen Führungskräften, die beide Sprachen sprechen: die der Revolution und die der Evolution. Sie verstehen, dass manche Probleme den Vorschlaghammer brauchen und andere den Pinsel. Sie können schumpeterianische Sprengkraft entfesseln, wenn der Markt es verlangt, und mit dem Bankstil-Framework navigieren, wenn Authentizität gefragt ist.
Das Beste beider Welten
Am Ende sind Schumpeter und das Bankstil-Framework keine Gegner, sondern komplementäre Werkzeuge in einem umfassenderen Verständnis des Wandels. Der eine liefert die Analyse (“So funktioniert Disruption”), das andere die Gestaltung (“So können wir authentisch antworten”). Schumpeter zeigt die Gesetzmäßigkeiten, das Bankstil-Framework die Gestaltungsmöglichkeiten.
Für Banken bedeutet das: Die Kunst liegt nicht in der Wahl zwischen Analyse und Gestaltung, sondern in der intelligenten Kombination beider Perspektiven. Es ist die Herausforderung unserer Zeit, schumpeterianisches Verständnis mit Bankstil-Gestaltung zu verbinden – ein Zusammenspiel zwischen der Erkenntnis der Naturgesetze des Wandels und der Kunst der authentischen Antwort.
In einer Welt, die sowohl Verständnis als auch Gestaltung braucht, sind beide Theorien unverzichtbar. Sie lehren uns, dass es nicht genügt zu wissen, was geschieht – wir müssen auch wissen, wie wir darauf antworten wollen. Die Kunst liegt darin, die Gesetzmäßigkeiten des Wandels zu verstehen und trotzdem unsere eigenen, authentischen Wege zu finden.
Quellen und weitere Informationen:
New Banking trifft Schumpeter
New Banking mit Joseph Schumpeter und Peter F. Drucker #1